# taz.de -- Corona in Lagern rund um Syrien: Langsame Hilfe für Geflüchtete | |
> Die EU und Deutschland wollen Geflüchteten in den Nachbarländern Syriens | |
> helfen. Konkrete Maßnahmen laufen aber schleppend an. | |
Bild: Eine syrische Frau mit ihrem Kind in dem Flüchtlingslager Bar Elias in d… | |
BEIRUT taz | Zeltplanen, enge Gänge, schlammiger Untergrund und kein | |
fließend Wasser: Unter solchen Bedingungen leben Syrer:innen seit Jahren – | |
entweder in Syrien selbst oder in den Nachbarstaaten, in die sie vor dem | |
[1][Krieg im Heimatland] geflüchtet sind, etwa in der Bekaa-Ebene im | |
Libanon. Die wirtschaftlich instabile Lage und neuerdings die | |
Infektionsgefahr durch das Coronavirus trifft arme Menschen wie sie | |
besonders stark. | |
Das weiß auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU): Rund um Syrien | |
seien 7 Millionen Flüchtlinge ohne Schutz, sagt Müller. „Durch die | |
gezielte Bombardierung der Krankenhäuser ist das syrische Gesundheitssystem | |
kaum handlungsfähig. Aus dem umkämpften [2][Idlib] strömen Hunderttausende | |
in Richtung Türkei. Und im Libanon, wo etwa jeder fünfte Einwohner ein | |
syrischer Flüchtling ist, droht ohnehin schon der Staatsbankrott.“ | |
Trotzdem bleibt schnelle Hilfe vor dem Hintergrund der Coronagefahr aus. | |
Die EU hat vergangene Woche zwar ein Hilfspaket im Umfang von knapp 240 | |
Millionen Euro genehmigt, für Geflüchtete aus Syrien und bedürftige Gruppen | |
im Irak, Jordanien und dem Libanon. Doch das Geld soll hauptsächlich in | |
Bildung oder Wohnbedingungen fließen. | |
Unabhängig davon hat Müller zur Unterstützung der Aufnahmestaaten ein | |
Maßnahmenpaket angekündigt, mit dem der Libanon, Jordanien, Nordirak und | |
die Osttürkei unterstützt werden sollen. Wie hoch der Etat ist und welche | |
Maßnahmen konkret ergriffen werden sollen, konnte das Ministerium auf | |
Nachfrage allerdings nicht sagen. | |
Die Menschen in den Camps selbst nach ihren Bedürfnissen zu fragen, ist | |
aufgrund der Übertragungsgefahr des Virus nicht möglich. Daher hat die taz | |
mit Jacqueline Flory gesprochen, der Gründerin des deutschen Vereins | |
Zeltschule, der 13 Camps mit rund 15.000 Menschen in der libanesischen | |
Bekaa-Ebene betreut. | |
„In den Schulen wurde Mundschutz verteilt, mittlerweile sind die Schulen | |
geschlossen und die Lehrer rufen die Aufgaben durch Zeltwände den Kindern | |
zu“, erzählt sie am Telefon. „Wir haben keinen bekannten Coronafall in | |
unseren Camps, aber wir sind dabei, mehr Wasser zu bestellen“ – denn es | |
werde 75 Prozent mehr Wasser als sonst benötigt, damit Händewaschen | |
überhaupt möglich sei. Außerdem brauche es Handschuhe und | |
Desinfektionsmittel. | |
„Wir versuchen Quarantänezelte zu organisieren, damit Erkrankte mit | |
Corona-Symptomen isoliert werden können. Denn es hat uns kein Krankenhaus | |
zugesagt, dass mögliche Erkrankte aufgenommen werden.“ | |
Die Geflüchteten können oftmals nicht von den Gesundheitssystemen in den | |
Aufnahmestaaten versorgt werden. Im Libanon etwa ist das Gesundheitssystem | |
seit Jahren unterfinanziert. Geflüchtete werden von vielen als zusätzliche | |
Belastung gesehen. Selbst wenn sie es bezahlen können, werden Syrer:innen | |
in Krankenhäusern nachrangig behandelt. | |
Das deutsche Maßnahmenpaket soll maßgeblich über UN-Organisationen und | |
deutsche staatliche und nichtstaatliche Organisationen umgesetzt werden. | |
Eine direkte Unterstützung des libanesischen Gesundheitssektors ist nicht | |
vorgesehen. | |
## Kein Geld für syrische Regierung | |
Auch das syrische Gesundheitssystem selbst möchte das | |
Bundesentwicklungsministerium nicht unterstützen. Allerdings finanziert es | |
unter anderem 1.600 Beschäftigte im Gesundheitswesen in den von der | |
syrischen Opposition gehaltenen Gebieten. | |
„Über die deutsche Entwicklungszusammenarbeit werden in der | |
Deeskalationszone in Idlib beispielsweise die Gehälter für fast 850 Ärzte, | |
Krankenschwestern, Hebammen, Sanitäter und psychosoziale Fachkräfte in 20 | |
Gesundheitseinrichtungen finanziert“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums | |
der taz. | |
Während die Hilfsmaßnahmen noch erarbeitet werden, hofft man in den Camps | |
im Libanon auf gute Immunsysteme. „Im Januar 2019 hatten wir zweiwöchige | |
Regenfälle und all unsere Camps standen im Wasser“, erzählt Flory vom | |
Verein Zeltschule. „Trotzdem hatten wir keine Lungenentzündungen. Deshalb | |
gehe ich davon aus, dass das Immunsystem der Kinder stärker ist als | |
unseres, weil sie lange unterwegs waren und draußen gelebt haben.“ | |
7 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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