| # taz.de -- Corona-Wirtschaftshilfen in Europa: Warten auf Gaben | |
| > Die Finanzminister der Eurozone beraten, wie man die Coronakrise abfedern | |
| > kann. Ein Überblick über bestehende und mögliche Hilfsmaßnahmen. | |
| Bild: Abwarten, was alles reinpasst: Schlange vor einem Supermarkt auf Sizilien | |
| Berlin taz | Die Coronakrise wird teuer. Die staatlichen Hilfspakete | |
| dürften sich allein in Deutschland auf knapp 1,2 Billionen Euro summieren, | |
| wie das Finanzministerium jetzt schätzt. Trotzdem hat die Bundesrepublik | |
| keine Mühe, neue Kredite auf den Finanzmärkten aufzunehmen. Am Montag | |
| wurden zehnjährige deutsche Staatsanleihen zu einem Zinssatz von –0,4 | |
| Prozent gehandelt. Finanzminister Scholz bekommt also noch Geld geschenkt, | |
| wenn er Kredite aufnimmt. | |
| Andere EU-Staaten sind deutlich schlechter dran. So muss Italien für einen | |
| 10-jährigen Kredit derzeit 1,5 Prozent an Zinsen aufbringen – obwohl die | |
| Europäische Zentralbank (EZB) bereits eingreift, um die italienischen | |
| Zinsen nach unten zu drücken. Die Finanzminister der Eurozone beraten daher | |
| am Dienstag, wie sie die Coronakrise abfedern könnten. | |
| ## Schon laufende EZB-Intervention | |
| Die Coronakrise hätte sich schon längst in eine schwere Eurokrise | |
| verwandelt, wenn die EZB nicht eingegriffen hätte. [1][Am 18. März kündigte | |
| sie an, dass sie bis zum Jahresende weitere 750 Milliarden Euro ausgeben | |
| werde], um die Anleihen von Unternehmen und Staaten in der Eurozone | |
| aufzukaufen. Bei Bedarf kann noch mehr Geld in dieses „Pandemic Emergency | |
| Purchase Programme“ fließen. | |
| Theoretisch wäre es möglich, ganz auf die EZB zu vertrauen und darauf, dass | |
| sie die Zinsen für einzelne Euroländer drücken wird. Doch dann müsste die | |
| EZB ständig neue Anleihen aufkaufen, sodass ihre Bilanz immer weiter | |
| anschwölle. Neun Euroländer unter Frankreichs Führung haben daher | |
| vorgeschlagen, Coronabonds auszugeben. | |
| ## Coronabonds | |
| Coronabonds wären Staatsanleihen, die die Euroländer gemeinsam ausgeben. | |
| Das Geld würde in einen besonderen Coronafonds fließen, der die Mittel dann | |
| an hart getroffene Länder weiterreichte. Der Vorteil: Die Zinsen für die | |
| Coronabonds dürften sehr niedrig liegen, weil sie durch die | |
| Wirtschaftskraft der gesamten Eurozone gedeckt sind. | |
| [2][Für Coronabonds setzen sich auch neoliberale Ökonomen ein]. Der Chef | |
| des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, | |
| forderte zudem, dass das Volumen der Coronabonds glaubwürdig sein müsse: | |
| „Es geht nicht um 100 Milliarden, sondern schon um 1.000 Milliarden.“ | |
| Deutschland, Finnland, die Niederlande und Österreich lehnen Coronabonds | |
| hingegen ab, weil sie eine gemeinsame Haftung fürchten. Die Bundesregierung | |
| favorisiert drei andere Maßnahmen: den Europäischen Stabilitätsmechanismus | |
| (ESM), Kredite der Europäischen Investitionsbank sowie ein europäisches | |
| Kurzarbeitergeld. | |
| ## Europäischer Stabilitätsmechanismus | |
| Der [3][ESM ist einer der „Rettungsschirme“ aus der Eurokrise] und wurde | |
| 2012 gegründet. Auch er finanziert sich letztlich durch Eurobonds. | |
| Allerdings ist der Rahmen begrenzt. Wie SPD-Justizminister Heiko Maas und | |
| SPD-Finanzminister Olaf Scholz am Montag vorrechneten, könnte Italien bis | |
| zu 39 Milliarden Euro aus dem ESM erhalten; bei Spanien wären es 28 | |
| Milliarden. | |
| Beide Länder haben ESM-Mittel bisher abgelehnt, weil sie das Stigma | |
| fürchteten, unter einen „Rettungsschirm“ flüchten zu müssen. Maas und | |
| Scholz versicherten aber, dass es diesmal „keine Troika, keine | |
| Kontrolleure, keine Kommission“ geben würde. | |
| ## Europäische Investitionsbank | |
| Im Umfang von 50 Milliarden Euro soll sie Bürgschaften an kleine und | |
| mittelständische Unternehmen in den Krisenländern ausreichen. | |
| ## Europäisches Kurzarbeitergeld | |
| EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein Programm namens | |
| „Sure“ vorgeschlagen: Die EU soll Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro | |
| aufnehmen. Zu einem niedrigen Zins würden diese Mittel dann als | |
| europäisches Kurzarbeitergeld an notleidende EU-Länder weitergereicht. | |
| 6 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /EZB-schuettet-Geld-in-die-Coronakrise/!5672407 | |
| [2] /Streit-ueber-Coronabonds/!5673559 | |
| [3] /Kommentar-ESM-Entscheidung/!5084347 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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