# taz.de -- Corona-Impfstoffe in Deutschland: Ärger über Impfverzögerung | |
> Weil Biontech die Impfstofflieferung in den nächsten Wochen reduziert, | |
> müssen Bundesländer ihre Pläne anpassen. Die Kanzlerin hat Verständnis. | |
Bild: Die Kanzlerin hat Verständnis, dass die Impfstofflieferungen in den näc… | |
Aufgrund von Lieferverzögerungen des Biontech-Impfstoffs müssen mehrere | |
Bundesländer ihre Impfpläne überarbeiten. Nordrhein-Westfalen etwa hatte am | |
Mittwoch einen kompletten Impfstopp für die Krankenhäuser verhängt; in | |
Pflegeheimen werden vorübergehend nur Zweitimpfungen für jene Menschen | |
stattfinden, die drei Wochen zuvor bereits die erste Dosis erhalten haben. | |
In Niedersachsen, wo bisher nur in Pflegeheimen geimpft wird, wird sich die | |
eigentlich für den 1. Februar geplante Öffnung der Impfzentren vielerorts | |
verzögern. | |
Wegen Umbauarbeiten im Pfizer-Werk in Belgien liefert das Unternehmen in | |
den nächsten Wochen deutlich weniger Impfstoff aus als vereinbart. Eine | |
Aufstellung aus dem Bundesgesundheitsministerium, die der taz vorliegt, | |
zeigt, dass die Zahl der gelieferten Ampullen in dieser Woche um 39 Prozent | |
niedriger ausfällt, in der nächsten um 15 Prozent und in den beiden | |
folgenden Wochen jeweils um 7 Prozent. Ab 22. Februar soll dafür dann 13 | |
Prozent mehr geliefert werden. | |
Gelindert wird das Problem dadurch, dass aus jeder gelieferten Ampulle (im | |
Fachjargon Vial genannt) seit dieser Woche offiziell sechs Spritzen | |
aufgezogen werden dürfen statt bisher fünf. Die Zahl der Impfdosen ist | |
darum um 20 Prozent höher als ursprünglich geplant, sodass die verringerte | |
Liefermenge in den nächsten Wochen faktisch nicht zu weniger Impfdosen | |
führt als geplant – die Effekte gleichen sich in etwa aus. Weil die | |
Umstellung auf sechs Dosen pro Ampulle aber schon länger angekündigt war, | |
dürften viele Länder [1][ihre Impfpläne] bereits darauf eingestellt haben, | |
sodass sie jetzt doch zu wenig Impfstoff haben. | |
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz übte scharfe Kritik an den | |
Verzögerungen. Für die Patienten, die dringend auf die Impfung warteten, | |
sei der [2][vorläufige Impfstopp in Nordrhein-Westfalen] ein fatales | |
Signal, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist | |
absolut grauenhaft.“ Die Verträge der Politik mit der Pharmaindustrie seien | |
offenbar zu lax gewesen, sagte Brysch. „Wenn man Forschungsgelder in Höhe | |
von mehreren Hundert Millionen Euro vergibt, da wäre die Chance gewesen, | |
mehr Verbindlichkeit reinzubekommen.“ | |
## Nachsicht von der Kanzlerin | |
Auch Gesundheitsminister Jens Spahn kritisierte die Verzögerung. „Es ist | |
sehr, sehr unbefriedigend, dass uns das über Nacht mitgeteilt worden ist | |
und das jetzt eben zu dem Ärger führt“, sagte er. Das Unternehmen müsse | |
lernen, „dass man in einer so sensiblen Phase sehr frühzeitig und sehr | |
offen und transparent miteinander kommunizieren muss“. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte dagegen Verständnis für das | |
Unternehmen. „Pfizer hat sich nun entschieden, was ja wirklich nicht zu | |
beanstanden ist, seine Produktion hochzufahren, und muss dazu Umbauten | |
vornehmen“, sagte sie in der Bundespressekonferenz. Dadurch gebe es | |
kurzzeitig Verzögerungen, aber insgesamt würden die angekündigten | |
Liefermengen für das erste Quartal eingehalten, so Merkel. Auch dem | |
Pfizer-Partner Biontech sei kein Vorwurf zu machen. Ihr Eindruck sei, die | |
Menschen dort „arbeiten Tag und Nacht“, sagte Merkel. „Was wollen wir denn | |
jetzt noch rummeckern?“ | |
Durchgeführt werden in Deutschland derzeit rund 100.000 Impfungen pro Tag. | |
Die anfangs sehr deutlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern haben | |
sich inzwischen etwas verringert; allerdings sind in Mecklenburg-Vorpommern | |
mit 30 Impfungen pro 1.000 Einwohner*innen immer noch mehr als doppelt | |
so viele Dosen verabreicht worden wie in Baden-Württemberg mit 13. | |
Große Unterschiede gibt es auch in der Frage, wer derzeit geimpft wird. | |
Zugelassen sind Impfungen in der ersten Phase für Menschen über 80, | |
Bewohner*innen von Pflegeheimen und medizinisches Personal mit engem | |
Kontakt zu Covid-Patient*innen. Aus den Zahlen des Robert-Koch-Instituts | |
geht hervor, dass bundesweit bisher knapp die Hälfte der Geimpften zum | |
medizinischen Personal gehört. Im Saarland sind es nur 19 Prozent, in | |
Sachsen dagegen 76 Prozent. | |
21 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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