# taz.de -- Corona-Epidemie in Deutschland: Weniger Infektionen, wenig Infos | |
> Die Zahl der neuen Coronafälle sinkt weiter. Wo sich die Menschen | |
> anstecken, ist unbekannt. Politiker agieren im Vorwahlkampfmodus. | |
Bild: Zu den Risiken für die Bevölkerung durch Lockerungen wollte sich RKI-Ch… | |
BERLIN taz | Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist laut | |
Robert-Koch-Institut (RKI) in der letzten Woche weiter gesunken. „Das ist | |
eine sehr gute Nachricht“, sagte der RKI-Präsident am Dienstag. Nicht nur | |
am Wochenende wurden erstmals weniger als 1.000 neue Fälle pro Tag | |
gemeldet, sondern auch am Dienstag blieb der Wert dreistellig. Im Schnitt | |
der letzten sieben Tage liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen jetzt | |
bei unter 1.100. Vor zwei Wochen lag diese Zahl noch bei rund 2.600, der | |
Höchstwert vor gut vier Wochen lag bei 5.600. | |
Die Reproduktionszahl, die angibt, wie viele andere ein Infizierter im | |
Durchschnitt ansteckt, lag zuletzt bei 0,71. Anders als zwischenzeitig vom | |
RKI angegeben, zeigen neuere Schätzungen des Instituts, dass dieser | |
wichtige Indikator seit vier Wochen durchgängig unterhalb der | |
entscheidenden Schwelle von 1 liegt. Das bedeutet, dass die Zahl der | |
Neuinfizierten permanent abgenommen hat. | |
Auch die Zahl der täglich gemeldeten Corona-Todesfälle ist seit Mitte April | |
rückläufig. Im Mittel der letzten sieben Tage liegt sie jetzt bei 131; der | |
Höchstwert dieses Durchschnitts lag vor zwei Wochen bei 233. Die Zahl der | |
Covid-19-PatientInnen, die auf Intensivstationen liegen, ist ebenfalls | |
weiter zurückgegangen – von rund 2.900 vor zwei Wochen auf zuletzt 1.950. | |
Das Osterwochenende, an dem die zwischenmenschlichen Kontakte wieder | |
zugenommen hatten, hat entgegen einigen Befürchtungen also offenbar nicht | |
dazu geführt, dass die Zahl der Infektionen wieder angestiegen ist. Die | |
Auswirkungen der jüngsten Lockerungen, also das Öffnen weiterer Geschäfte | |
und erster Schulen, können sich in den Zahlen allerdings noch nicht | |
niederschlagen, weil von einer Ansteckung bis zur Meldung einer Infektion | |
an das Robert-Koch-Institut 10 bis 14 Tage vergehen. | |
Und bei der Entscheidung über weitere Lockerungen, über die Bund und Länder | |
am Mittwoch beraten wollen, helfen die Zahlen ebenfalls kaum. Zwar sei | |
bekannt, dass etwa ein Drittel der Neuinfektionen derzeit in Einrichtungen | |
wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen erfolge, sagte RKI-Präsident Wieler am | |
Dienstag. Doch bei den übrigen zwei Dritteln ist völlig unklar, bei welchen | |
Gelegenheiten sich die Menschen infizieren. | |
„Leider gibt es Gründe, warum wir das nicht in dem Maße beantworten können, | |
wie wir es gerne würden“, sagte Wieler. Die Gesundheitsämter seien | |
weiterhin nicht in der Lage, „Ausbrüche auch adäquat zu dokumentieren“, u… | |
zwar „aus zeitlichen Gründen“. Zudem hat sich die geplante Handy-App, die | |
es deutlich erleichtern würde, Infektionsketten nachzuvollziehen, stark | |
verzögert. | |
## Telefonkonferenz mit dem Kanzleramt | |
Wenn an diesem Mittwoch die Telefonkonferenz der MinisterpräsidentInnen mit | |
dem Berliner Kanzleramt freigeschaltet wird, dürfte eigentlich nur eine | |
Person in der Leitung sein, der es nicht um ihr weiteres politisches | |
Fortkommen zu tun ist. Ihr Name: Angela Merkel. Die Kanzlerin hat schon vor | |
anderthalb Jahren klargestellt, nicht erneut das Amt der Regierungschefin | |
anzustreben. | |
Bei ihren GesprächspartnerInnen sieht das überwiegend anders aus – | |
entsprechend fordernd ist der Ton gegenüber der Kanzlerin und der gesamten | |
Bundesregierung. Und entprechend eilig scheint es nun, erhöhte | |
Aktivitätsmeldungen in den politischen Raum zu senden. Nordrhein-Westfalens | |
Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) möchte gern der nächste | |
Kanzlerkandidat der Union werden; Bayerns Markus Söder (CSU) ist ihm hier | |
ein harter, wenngleich nicht erklärter Konkurrent. Der Grüne Winfried | |
Kretschmann will 2021 erneut Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden. | |
Ebenfalls im kommenden Jahr werden in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, | |
in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin neue Landesregierungen gewählt. Da | |
heißt es für die Amtsinhaber Flagge zeigen. Angela Merkel wird es also an | |
diesem Mittwoch darum gehen, die MinisterpräsidentInnen zu, wenn schon | |
nicht gemeinsamem, so doch zumindest abgestimmtem Handeln zu bewegen. Doch | |
danach sieht es ganz und gar nicht aus. | |
Am Dienstag, einen Tag vor den Gesprächen mit dem Kanzleramt, hat zum | |
Beispiel das bayerische Kabinett eine weitreichende Lockerung der | |
Anti-Corona-Maßnahmen und eine Öffnung der Hotels beschlossen. Die | |
Ausgangsbeschränkungen werden aufgehoben, auch die Geschäfte dürfen wieder | |
öffnen. | |
Tags zuvor hatte Merkels Sprecher Steffen Seibert in der laufenden | |
Regierungspressekonferenz davon erfahren, dass Niedersachsen ab dem 11. Mai | |
die Corona-Beschränkungen in der Gastronomie lockern will. Obwohl die | |
einzelnen Landesregierungen unübersehbar gerade machen, was sie wollen, | |
spulte Merkels Sprecher die geplante Tagesordnung ab. Demzufolge sollen an | |
diesem Mittwoch „die gemeinsamen Leitlinien für die sehr großen | |
Lebensbereiche Schule, Kita und Sport beraten werden. Das steht auf der | |
Agenda.“ | |
## Länder machen, was sie wollen | |
Als sei ebendiese Agenda zweitrangig, hat im weiteren Verlauf des Montags | |
auch Mecklenburg-Vorpommern für Ende Mai die Öffnung von Hotels | |
angekündigt. Auch Rheinland-Pfalzs Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) | |
fordert „Klarheit“ für GastronomInnen. Von der „Agenda“ der Kanzlerin … | |
also Abstimmungen über Schule, Kita und Sport – ist bedenklich wenig zu | |
hören. Markus Söder (CSU) erklärt am Dienstag schon mal, dass bis zu den | |
Pfingstferien in Bayern die Hälfte aller Kinder wieder in die Kitas gehen | |
können. Nach Pfingsten sollen auch die anderen Kinder wieder betreut | |
werden. | |
Zu den Risiken für die Bevölkerung durch einzelne Lockerungen wollte sich | |
RKI-Chef Wieler nicht äußern. „Wenn wir lockern, steigt natürlich die | |
Chance, dass es wieder Infektionen gibt“, sagte er nur. Zudem betonte er, | |
dass die positive Entwicklung der Zahlen nicht bedeutet, dass die | |
Corona-Gefahr demnächst vorbei sei. Er gehe davon aus, „dass es mit großer | |
Sicherheit eine zweite Welle gibt“, sagte er. | |
5 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Anja Maier | |
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