# taz.de -- Cannabis Social Clubs: Kiffen mit Auflagen | |
> In sogenannten Cannabis Social Clubs soll künftig Gras angebaut werden. | |
> Familie Borchers hat so einen Verein gegründet – doch viel ist noch | |
> unklar. | |
SCHORTENS taz | Am Ortsrand von Schortens, einem kleinen Ort in Friesland | |
zwischen Jever und Wilhemshaven, steht in einer Wohnsiedlung mit | |
Einfamilienhäusern ein karminrot gestrichenes Haus. Gegenüber ist ein | |
Pflegedienst, um die Ecke ein kleines Moor und ein Campingplatz. Bis auf | |
das Rauschen des beständigen Windes, der von der nahe gelegenen Nordsee | |
über das flache grüne Land zieht, ist hier kaum etwas zu hören. | |
In dieser Wohnsiedlung, im Souterrain des roten Hauses, wird demnächst | |
Cannabis angebaut. Unter künstlichem Licht sollen dort Tag und Nacht | |
Marihuanapflanzen heranwachsen, monatlich könnten bis zu 15 Kilogramm | |
geerntet werden. Die Droge soll von hier aus künftig auch an | |
Konsument*innen weitergegeben werden. Am vergangenen Mittwoch ist | |
dieser Plan in greifbare Nähe gerückt: Das Kabinett hat den von | |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zur | |
Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Jetzt muss das Gesetz noch den | |
Bundestag passieren, dort soll es im Herbst auf der Tagesordnung stehen. | |
Noch in diesem Jahr könnte es in Kraft treten. | |
Petra Borchers bittet in den Wintergarten hinter dem Haus. Dort sitzt auch | |
ihr Sohn Hendrik, 42, bietet Kaffee und selbst gebackenen Käsekuchen an. | |
Die beiden wohnen hier gemeinsam mit ihrem Mann und Vater, Anton Borchers. | |
Im Wintergarten darf geraucht werden, das Wetter wechselt an diesem | |
Augusttag innerhalb von Minuten von strahlendem Sonnenschein zu prasselndem | |
Regenschauer. | |
Die Borchers sind hier seit 2017 Zugezogene. Petra hat vorher in Köln als | |
Maklerin gearbeitet, Hendrik folgte seinen Eltern vor zwei Jahren, als sein | |
Vater mit einer Krebsdiagnose im Krankenhaus lag und seine Mutter im Wald | |
stürzte. Er kündigte seinen gut bezahlten Job in der Gastronomie und zog in | |
den Norden, um die beiden zu unterstützen. Petra lebt gerne in Schortens: | |
„Alles ist direkt vor der Nase – es gibt Sommerfeste, | |
Straßenkünstler*innen, Tourismus, traumhafte Wälder, einen Badesee, man ist | |
ganz schnell an der Nordsee. Und bald gibt’s eben auch einen Cannabisclub.“ | |
Den [1][Schwarzmarkt] austrocknen, für Konsument*innen das Risiko | |
mindern, Produkte mit toxischen Beimischungen zu erhalten und gleichzeitig | |
den Kinder- und Jugendschutz stärken – das alles soll das neue | |
Cannabisgesetz leisten, das Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am | |
Mittwoch vorstellte. Zeitgleich verkündete das Gesundheitsministerium eine | |
Kampagne, die junge Menschen über die Risiken von Cannabiskonsum aufklären | |
soll. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass chronischer Konsum das | |
Risiko, an Angststörungen, Depressionen oder sogar Psychosen zu erkranken, | |
deutlich steigere, so Lauterbach. Vor allem die Gehirnreifung von | |
Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis ungefähr 25 Jahren könne durch | |
Cannabiskonsum gestört werden. | |
Trotzdem würde Cannabis in Deutschland konsumiert, Tendenz steigend. Die | |
bisherige Prohibition habe das nicht verhindern können, deswegen sei seine | |
„Wende in der deutschen Drogenpolitik“ der richtige Schritt. Das Gesetz sei | |
„die beste bisher versuchte Legalisierung“ überhaupt, lobte der | |
Gesundheitsminister [2][seinen Entwurf], in ganz Europa würde man jetzt | |
darauf gucken, wie das Konzept in Deutschland aufginge. | |
Das deutsche Modell baut auf Cannabisvereine wie den Cannabis Social Club | |
(CSC) Niedersachsen von Hendrik und Petra. Ihnen soll beim zukünftigen | |
Umgang mit der Droge eine entscheidende Rolle zukommen. Der Gesetzentwurf | |
sieht vor, dass sich [3][in diesen Clubs] – präziser benannt als | |
Anbauvereinigungen oder -genossenschaften – bis zu 500 Menschen | |
zusammenfinden dürfen, um gemeinschaftlich Cannabis anzubauen. Mitglieder | |
dürfen vom Verein dann monatlich bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum | |
abnehmen, in täglichen Höchstmengen von 25 Gramm. Beitreten dürfen | |
Volljährige, unter 21-Jährige können monatlich nur 30 Gramm bekommen, mit | |
einem maximalen THC-Gehalt von 10 Prozent. | |
Die Vereine müssen gemeinnützig organisiert sein, also kostendeckend | |
arbeiten, dürfen für ihre Vorsitzenden keinen Gewinn abwerfen. Wie genau | |
die Finanzierungsmodelle aussehen werden, ist noch nicht endgültig geklärt. | |
[4][Laut derzeitigem Gesetzentwurf] sollen die Clubs ihre Ausgaben | |
ausschließlich über Aufnahmegebühren und monatliche Mitgliedsbeiträge | |
bestreiten. Die Mitglieder zahlen nicht pro Gramm Cannabis, denn das würde | |
einem Verkauf ähneln. Ob sich eine Mitgliedschaft für | |
Gelegenheitskonsument*innen lohnt, ist fraglich. Sie müssten den | |
gleichen Beitrag zahlen wie Vereinskolleg*innen, die monatlich die vollen | |
50 Gramm abnehmen. Der Preis auf dem Schwarzmarkt – circa 8 bis 15 Euro pro | |
Gramm – wäre möglicherweise weiterhin günstiger. | |
Warum haben Hendrik und Petra sich für die Gründung eines Vereins | |
entschieden, der ihnen kein Geld einbringen darf? Wollen sie vielleicht | |
einfach ihren eigenen Cannabisbedarf abdecken? Petra lacht, winkt ab und | |
erzählt, sie habe in ihrem ganzen Leben noch keinen Joint geraucht, nur | |
viele Zigaretten. Hendrik gibt zu, früher einmal Gelegenheitskonsument | |
gewesen zu sein, aber inzwischen nur noch sehr selten Cannabis zu rauchen. | |
Trotzdem mussten die beiden nicht lange überlegen, als sie vor einigen | |
Monaten im Radio hörten, dass die CSCs erlaubt werden sollen. „Ich habe | |
gesagt: Wir machen das“, meint Hendrik. Auch seine Mutter war sofort mit | |
dabei. | |
Die Vereinsgründung hat für die beiden persönliche Gründe: „Mein Mann Ant… | |
ist Schmerzpatient“, erzählt Petra. Vor zweieinhalb Jahren wurde bei ihm | |
Darmkrebs diagnostiziert, nach einer Chemotherapie musste ein Teil seines | |
Darms entfernt werden. Inzwischen sei er zwar krebsfrei, allerdings habe er | |
noch immer starke Schmerzen, sagt Petra. Täglich müsse er deswegen | |
Tilidin-Tropfen einnehmen. Das synthetische Opioid helfe zwar gegen den | |
Schmerz, habe aber extrem starke Nebenwirkungen, die Tropfen machten ihn | |
reizbar und depressiv. | |
Das Einzige, was ihm helfe: ein Tee aus Cannabis. „Wenn er den trinkt, ist | |
er wieder gut drauf, gelöster, genügsam.“ Das Cannabis gebe ihm | |
Lebensqualität, meint Petra. Doch an das Mittel zu kommen, sei nicht so | |
einfach: Die Borchers müssen noch immer darum kämpfen, dass Cannabis für | |
Anton als Medikament anerkannt wird. „Warum meinem Mann einfach so ein | |
synthetisches Opioid verschrieben wurde, aber Cannabis so schwer zu | |
bekommen ist, das geht nicht in meinen Kopf“, sagt Petra. | |
Cannabis für alle verfügbar zu machen, das ist ihr Ziel. Derzeit ist es | |
offiziell noch verboten, Cannabis zu Genusszwecken anzubauen und | |
weiterzugeben. Deswegen ist die Wohnung im Souterrain, die später mal die | |
Cannabisplantage beherbergen soll, jetzt auch noch an Feriengäste | |
vermietet. Der Verein ist formell bislang ein argloser Zusammenschluss von | |
Cannabisliebhaber*innen, die sich zum Austausch über die Marihuanapflanze | |
zusammengefunden haben. | |
Sobald das Gesetz in Kraft ist, wollen Hendrik und Petra loslegen. „Das | |
große Wohnzimmer der Ferienwohnung muss der Blüteraum werden, die kleineren | |
Zimmer werden Aufzucht- und Trockenraum. Dazu noch ein Labor für die | |
regelmäßige Qualitätsprüfung“, sagt Hendrik. Auf den circa 70 qm könnten | |
sie genug produzieren, um 300 Menschen mit 50 Gramm Cannabis im Monat zu | |
versorgen. Für den Umbau und das Material bräuchten sie Startkapital, das | |
sie über die Aufnahmegebühr finanzieren wollen. | |
Hendrik rechnet vor und überschlägt: Etwa 35.000 Euro sind für den Umbau | |
der Räumlichkeiten, die Ausgabestelle und das Clubhaus nötig. Außerdem um | |
Samen oder Stecklinge einzukaufen sowie spezielle Lampen und | |
Belüftungssysteme. Laufende Kosten für Dünger, Bodensubstrat, Wasser- und | |
Stromkosten, Heizung und Miete kämen monatlich hinzu. Innerhalb von drei | |
bis vier Monaten müssten ein Wachstumszyklus sowie das Fermentieren und | |
Trocknen der ersten Ernte machbar sein. | |
Hendrik führt aus dem Haus über die Einfahrt zu einem strahlend weiß | |
verputzen flachen Anbau. Drinnen steht eine provisorische Werkbank, auf dem | |
Boden liegen Sägespäne, Werkzeug und Dämmmaterial. Die Wände sind noch roh, | |
lediglich mit Spanplatten verkleidet. Das kleine Gebäude hat Hendrik selbst | |
gebaut. Den vorderen, etwas größeren Raum, möchte er zum gemütlichen | |
Clubraum machen, im Hinterzimmer soll die Ausgabestelle entstehen. Ganz | |
legal soll dort bald täglich Cannabis aus dem eigenen Anbau für die | |
Vereinsmitglieder über den Tresen gehen. | |
Die Vereinsgründung war für Hendrik nicht die erste Wahl: „Ich hatte | |
gehofft, eine zertifizierte Verkaufsstelle aufzumachen, mit so einer Art | |
Coffeeshop nach niederländischem Vorbild.“ So hätte Cannabis zu seinem | |
Beruf werden können. Doch die Bundesregierung erteilte ihrem Plan eine | |
Absage: Das EU-Recht lasse die Verkaufsstellen nicht zu. Auch in den | |
Niederlanden ist der Verkauf von Cannabis offiziell nicht erlaubt, sondern | |
nur toleriert. Der Anbau ist verboten, die Coffeeshops müssen sich das | |
Cannabis, das sie verkaufen, über illegale Wege beschaffen. | |
Die Pläne der Ampelregierung sind anders: Sie will den begrenzten Anbau für | |
den Eigenbedarf ermöglichen, für Privatpersonen, in den | |
Anbaugenossenschaften oder in den CSCs. In den Vereinen dürfen nur Menschen | |
Mitglied werden, die in Deutschland gemeldet sind. Damit soll vermieden | |
werden, dass die Regeln des Schengenraums verletzt werden: Wegen des freien | |
Warenverkehrs zwischen den Mitgliedsländern darf kein Land den Verkauf | |
eines Produkts erlauben, das in anderen Ländern verboten ist. | |
Auch wenn die Borchers mit dem Verein kein Geld verdienen können, machen | |
sie aus Überzeugung weiter. So wie viele andere Menschen in Deutschland. | |
Seitdem bekannt ist, dass es keine Verkaufsstellen, dafür aber die CSCs | |
geben wird, finden sich fast täglich neue Vereinsgründer*innen | |
zusammen. Der CSC-Dachverband führt auf seiner Website aktuell mindestens | |
106 Vereine auf, die bereits die Eintragung ins Vereinsregister geschafft | |
haben. Viele stoßen dabei allerdings auf Probleme: Das Vereinsrecht ist | |
zwar im Bürgerlichen Gesetzbuch bundesweit einheitlich geregelt, teilweise | |
aber immer auch Auslegungssache der Rechtspfleger*innen der örtlichen | |
Registergerichte. | |
Petra erzählt, sie hätten mindestens vier Entwürfe der Vereinssatzung | |
geschrieben, bis sie die Dokumente schließlich über einen Notar beim | |
zuständigen Amt in Oldenburg einreichten. Kurz zuvor hatte ein anderer CSC | |
aus Oldenburg dort zu kämpfen: Die Rechtspfleger*innen hielten den | |
Verein nicht für eintragungsfähig, da die „später zu verfolgenden | |
Vereinszwecke aktuell rechtswidrig“ seien. Petra verbrachte Stunden mit | |
ihrer zuständigen Rechtspflegerin am Telefon. | |
Diese habe ihr gesagt, die Regierung habe den Vereinsregistern noch keine | |
Handlungsanweisung gegeben, die Behörden würden vom Gesetzgeber mit einer | |
ungewissen Lage alleine gelassen. Sie wüssten teilweise selbst nicht genau, | |
wie sie mit den Anträgen ordnungsgemäß verfahren sollten. Schließlich wurde | |
der CSC der Borchers’ unter Vorbehalt genehmigt, seit ungefähr vier Wochen | |
ist er offiziell als Verein eingetragen. Nach der Legalisierung muss die | |
Satzung noch an das geltende Gesetz angepasst werden. | |
## Alles andere als „social“ | |
Die Satzung eines CSC fehlerfrei zu formulieren ist nicht so einfach, denn | |
der Gesetzentwurf enthält viele und strenge Regeln für die Vereine. Der | |
CSC-Dachverband lehnt ihn deswegen auch als „verfassungswidrig überstreng | |
und vermeidbar kompliziert“ ab. Eine Regel, die viele Verbandsmitglieder | |
besonders ärgert, ist das Verbot, in den Clubräumen Cannabis zu | |
konsumieren. Damit seien die Clubs nicht mehr „Social“, sondern nur noch | |
reine Anbauvereinigungen. Dabei sei bekannt, dass vor allem der Konsum | |
alleine, ohne Gesellschaft und soziale Anbindung, besonders risikobehaftet | |
ist. | |
Die Borchers haben den 183 Seiten umfassenden Gesetzentwurf von vorne bis | |
hinten durchgelesen. „Da bekommt man auf jeden Fall Kopfschmerzen“, meint | |
Hendrik. Sie versuchen sich an alle Regeln zu halten. Dazu müssen sie noch | |
die Fenster zur zukünftigen Plantage im Souterrain vergittern, | |
Sicherheitstüren einbauen und Kamerasysteme installieren, um ihre | |
Anbauräume zu sichern. So wie alle CSCs müssen sie mindestens 200 Meter | |
Abstand zu Schulen, Kindergärten, öffentlichen Sportstätten oder | |
Spielplätzen haben. | |
Damit haben sie Glück, ihr Haus erfüllt diese Regel ohne Probleme. In | |
vielen Großstädten haben es die Vereine damit schwerer. Ihr zukünftiges | |
Anbauprodukt muss regelmäßig auf Qualität untersucht werden, Erntemengen, | |
THC- und CBD-Gehalt – das alles müssen sie dokumentieren. Der Verein ist | |
außerdem verpflichtet, eine*n Präventionsbeauftragte*n zu benennen. | |
Werbung dürfen sie für ihren Club nicht machen. | |
Für alle Aufgaben, die beim Anbau, Ernten und der Ausgabe anfallen, darf | |
der Verein nur seine eigenen Mitglieder beschäftigen. Hendrik und Petra | |
wollen deswegen mit Inkrafttreten des Gesetzes eine Mitgliederversammlung | |
einberufen und nachfragen: Wer hat Erfahrung mit dem Anbau von Cannabis? | |
Wer möchte bei der Ausgabestelle helfen? Wer kann in der Farm mitwirken? | |
Bislang hat der Verein offiziell allerdings noch keine Mitglieder, sondern | |
nur Vormerkungen: Etwa 100 Leute stehen auf der Warteliste. | |
Erst wenn das neue Gesetz gilt, werden die Vormerkungen zu | |
Mitgliedsanträgen. Hendrik rechnet mit einer Aufnahmegebühr von 150 bis 200 | |
Euro. Er hofft, dass der Verein später mal 300 Mitglieder haben wird – kein | |
besonders großer CSC, aber für mehr reicht die Anbaufläche derzeit nicht. | |
Der [5][CSC-Dachverband] kritisiert, dass die Mitgliederzahl für die CSCs | |
auf 500 begrenzt ist. Dafür gebe es keinen nachvollziehbaren Grund, aber | |
der Anbau ist teurer und damit weniger konkurrenzfähig zum Schwarzmarkt. | |
Was den Borchers noch fehlt: ein Vereinskonto. Eine örtliche Bank hätte | |
ihnen das erst zugesichert, nach mehreren Terminen aber doch abgelehnt – | |
mit der Begründung, dass keine*r der Vereinsgründer*innen aktuell in | |
einem Geschäftsverhältnis zu der Bank stünde. An diesen Grund glaubt | |
Hendrik nicht: „Es ist einfach so, dass Cannabis immer noch einen | |
schlechten Ruf hat und dass deswegen die Menschen, die damit zu tun haben, | |
als kriminell abgestempelt werden“, erzählt er. | |
Sehen die das in Schortens wirklich so – alles Kriminelle, diese Kiffer? In | |
einer Nebenstraße füllt eine Nachbarin gerade in einer Regenpause ihre | |
Gießkannen: „Das Wasser braucht man heute nicht, aber die Kannen fliegen | |
mir sonst noch weg“, sagt sie. Vom Cannabisclub im roten Haus habe sie noch | |
nichts gehört, die Borchers seien ihr nicht persönlich bekannt. Schwierig, | |
schnell zu erklären, was die da vorhaben – der Verein, die Plantage in der | |
Ferienwohnung, die Mitglieder und so weiter. Sie zuckt mit den Achseln: „Na | |
ja, das sollen sie ruhig machen.“ Aber dass die Konsument*innen dann | |
ständig hier vorfahren würden, um das Cannabis abzuholen, das würde sie | |
vielleicht schon stören. | |
Petra und Hendrik wollen mit ihrem Verein auf keinen Fall im Verborgenen | |
bleiben. Im Juni luden sie deshalb zu einer Informationsveranstaltung ins | |
Schortenser Bürgerhaus ein. Ungefähr 35 Interessierte kamen, | |
Lokalpolitiker*innen kaum – nur Repräsentant*innen von den | |
Grünen, die im Stadtrat kaum Sitze halten, und von der Linkspartei, die | |
dort gar nicht vertreten ist. Das Bürgermeisteramt hält hier seit fast | |
zwanzig Jahren der parteilose Gerhard Böhling, der eine Anfrage zum | |
Schortenser Cannabisverein unbeantwortet ließ. „Das Interesse der Politik | |
ist hier gleich null“, sagt auch Petra. | |
Die Borchers haben bei der Veranstaltung Imke Janssen kennengelernt. Sie | |
arbeitet seit 30 Jahren in der Suchthilfe, leitet seit 2017 die | |
Suchtberatung Friesland mit Standorten in Jever und Varel. Petra hofft | |
darauf, Janssen als Präventionsbeauftragte für den CSC Niedersachsen zu | |
gewinnen. Zum Gespräch mit der taz hat sie die Diplompädagogin mit | |
eingeladen. | |
Janssen kommt während eines prasselnden Regenschauers in den Wintergarten, | |
schenkt sich eine Tasse Kaffee ein und steigt direkt ins Gespräch ein. „Aus | |
anderen Ländern, die legalisiert haben, wissen wir: Die Zahl der | |
Konsument*innen steigt zwar erst mal, aber nicht so sehr die der | |
Menschen, die eine Suchtkrankheit entwickeln.“ Deswegen hält sie die | |
[6][Legalisierung für vernünftig], aber immer noch für viel zu restriktiv. | |
In der aktuellen Fassung sei zu viel Raum für den Schwarzmarkt: Die | |
Mitgliedschaft in CSCs sei aufwendig, die Regeln zu kompliziert. Zudem | |
hätten Minderjährige in den Clubs eh keine Chance und würden weiter anders | |
an Marihuana kommen. Denn Cannabis gehöre für Jugendliche sowieso schon zum | |
Alltag. | |
„Ich glaube es ist bei Cannabis, so wie bei allen Drogen, wichtig, dass | |
aufgeklärt wird, wie ungesunder Konsum aussieht. Dass man sagt: Leute, | |
passt auf euch auf. Guckt genau hin, wann ihr kifft, wie ihr kifft – und | |
vermeidet es in bestimmten Situationen ganz.“ Petra nickt, im Club wollen | |
sie aufeinander acht geben. Sie haben vor, mit der Beratungsstelle in | |
Kontakt zu bleiben. Wenn der Konsum bei einem Mitglied aus dem Ruder läuft, | |
wollen sie so schnell wie möglich Hilfe vermitteln. | |
20 Aug 2023 | |
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Luisa Faust | |
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