| # taz.de -- CSU-Politiker über Muslime in der Partei: „Mir fehlen die Worte�… | |
| > Die CSU in Wallerstein verweigerte einem Bürgermeisterkandidaten die | |
| > Unterstützung – weil dieser Muslim ist. CSU-Politiker Ozan Iyibas ist | |
| > entsetzt. | |
| Bild: Ozan Iyibas bei der Versammlung des Arbeitskreis Migration und Integratio… | |
| taz: Der CSU-Ortsvorstand im bayrischen Wallerstein fragte Şener Şahin, ob | |
| er als Bürgermeister kandidieren wolle. Doch Teile der örtlichen [1][CSU] | |
| liefen dagegen Sturm, Şahin zog seine Kandidatur zurück. Herr Iyibas, waren | |
| Sie überrascht über den starken Gegenwind, den ihr Parteifreund aus den | |
| eigenen Reihen erfuhr? | |
| Ozan Iyibas: Ich muss sagen, mir fehlen die Worte. Man zweifelt am Verstand | |
| einiger Funktionäre. Dass ein Mensch, der jahrzehntelang vor Ort ist und | |
| alles dafür getan hat, in der Gesellschaft Fuß zu fassen, nur wegen seiner | |
| Herkunft einen solchen Widerstand bekommt, ist überhaupt nicht zu | |
| akzeptieren. | |
| Wie steht es um Muslime in der CSU? | |
| Viele in der CSU sind offen sind gegenüber Menschen mit | |
| Migrationsgeschichte, auch türkischer Herkunft. Aber wenn man Ämter | |
| bekleidet, die in Richtung Landrat, Staatssekretär, Minister gehen, ist der | |
| Gegenwind sehr, sehr heftig. Jemanden zu verhindern, bloß weil er | |
| türkischstämmig ist oder einen muslimischen Hintergrund hat – das gibt es | |
| vom Kreisverband bis zur Bundesebene. | |
| Das können wir uns nicht leisten. Sonst vergraulen wir die Engagierten in | |
| den Orts- und Kreisverbänden – nach dem Motto: Du bist gut fürs | |
| Plakatekleben, aber wenn es um die Aufgaben geht, wo man gestalten kann, | |
| dann brauchen wir den Türken nicht. | |
| Wie geht es Ihnen als Politiker mit Migrationsgeschichte damit? | |
| Ich will nicht der Quotentürke sein. Ich bin einer, der in Freising | |
| geboren, in Neufahrn aufgewachsen ist und in der CSU seine Heimat gefunden | |
| hat. Ich gehe gern in die Kirche, weil es mir Kraft gibt, aber vergesse | |
| auch nicht, wo meine Eltern herkommen. | |
| Wenn meine Herkunft zum Vergehen wird, liegt der Fehler nicht bei mir. | |
| Sondern bei denen, die mich nur aufgrund meiner Herkunft beurteilen und | |
| nicht danach, was ich geleistet habe und wer ich als Mensch bin. Ich will | |
| auch nicht nur zu Migration und Integration arbeiten, sondern alle anderen | |
| Politikfelder ebenso mitgestalten. | |
| Haben Sie in der CSU selbst die Erfahrung gemacht, aufgrund Ihrer | |
| Migrationsgeschichte von Ämtern ausgeschlossen zu werden? | |
| In der CSU gibt es zwar Muslime, aber die sind nicht sehr weit verbreitet. | |
| In meinem Kreisverband bin ich der einzige, der etwas erreicht hat und die | |
| Möglichkeit gehabt hätte, ein höheres, öffentliches Amt zu bekleiden. Das | |
| ist daran gescheitert, dass einige alteingesessene Mitbürgerinnen und | |
| Mitbürger alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, um mich zu verhindern – | |
| nicht auf Orts-, sondern auf Kreisebene. | |
| Eine Aussage, die mich wirklich getroffen hat, war: „Er ist | |
| türkischstämmig, das kann man ja gar nicht vermitteln.“ Teilweise sind das | |
| Leute, mit denen ich befreundet war. Die habe ich nicht wiedererkannt. Die | |
| sagen: „Du bist ein Pfundskerl und bayrischer als mancher Bayer, aber das | |
| ist vielleicht schon ein bisschen hoch für dich.“ | |
| Bezogen sich die Proteste gegen die Kandidatur von Şener Şahin vorrangig | |
| auf seine Migrationsgeschichte oder seinen muslimischen Glauben? | |
| Auf beides. Unsere Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hat | |
| beispielsweise serbisch-kroatische Wurzeln, aber weil sie christlich ist, | |
| ist das nicht so ein großes Problem. Wenn Sie aber türkischer Herkunft sind | |
| und gleichzeitig noch muslimischen Glaubens, fahren in der CSU bei einigen | |
| Leuten die Klappen runter. | |
| Das darf nicht sein. Natürlich gibt es Menschen, die hier leben und sich | |
| vielleicht nicht integrieren wollen, aber dieses grundlose Stigmatisieren | |
| ist der CSU nicht würdig. Integration hat etwas mit Akzeptanz zu tun – und | |
| zwar von beiden Seiten. Die sehe ich hier nicht. | |
| Was erwarten Sie jetzt von Ihrer Partei? | |
| Die Führungskräfte in der CSU müssen ganz klar und deutlich ein Machtwort | |
| sprechen. Tun sie das nicht, werden wir in zehn, zwanzig Jahren noch immer | |
| mit diesen hinterwäldlerischen Gedanken konfrontiert sein. Ich erwarte von | |
| meinem Parteivorsitzenden, dem Generalsekretär und der CDU, dass sie sich | |
| deutlich positionieren. | |
| Als Partei müssen wir verschiedene Lebenswirklichkeiten und Strukturen in | |
| der Gesellschaft widerspiegeln. Da gehören auch Menschen mit | |
| Migrationsgeschichte dazu. Das darf eine Partei nicht vergessen. Nicht nur | |
| Lippenbekenntnisse, sondern es ernst zu meinen – das fehlt mir hier. Dass | |
| man „noch nicht so weit sei“, ist eine faule Ausrede. | |
| 8 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Schindler | |
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