| # taz.de -- CDU-Politiker verteidigt Corona-Demo: „Dreiste Kleinrechnung“ | |
| > Unions-Fraktionsvize Arnold Vaatz wirft der Polizei DDR-Methoden vor. Es | |
| > ist nicht das erste Mal, dass er mit fragwürdigen Thesen auffällt. | |
| Berlin taz | Mit 246 Abgeordneten stellt die Union die größte Fraktion im | |
| Bundestag, entsprechend lang ist die Liste der stellvertretenden | |
| Fraktionsvorsitzenden: zwölf an der Zahl. Das sind so viele, dass nicht | |
| jeder von ihnen einem größeren Publikum bekannt ist. Auch für Arnold Vaatz, | |
| der als Fraktionsvize unter anderem die Themen Bildung und Forschung | |
| betreut, gilt das. Doch gerade erregt der CDU-Politiker viel | |
| Aufmerksamkeit, wenn auch ziemlich negativer Art. | |
| Der 64-jährige Christdemokrat, der seit 1998 für den Wahlkreis Dresden im | |
| Bundestag sitzt und seit 2002 Fraktionsvize ist, hat im rechtskonservativen | |
| Onlinemagazin Tichys Einblick [1][einen Gastbeitrag] geschrieben. Darin | |
| beschäftigt er sich mit der [2][großen Anti-Corona-Demo vom vergangenen | |
| Wochenende in Berlin]. Sein zentraler Vorwurf: „Regierungen und Medien“ | |
| würden die Teilnehmer pauschal diffamieren. | |
| Was er aber vor allem tut: Er vergleicht den Umgang mit dieser | |
| Demonstration heute mit DDR-Zeiten. So wirft er „Regierungen und Medien“ | |
| vor, beim Umgang mit der Pandemie mit „zweierlei Maß zu messen“ − hier d… | |
| Guten, die gegen Rassismus demonstrierten und sich an die Hygieneregeln | |
| hielten, dort die Demo gegen die Corona-Auflagen, die „allgemein verflucht | |
| wurde“. Dass bei letzterer die Teilnehmer jegliche Abstands- und | |
| Mundschutzregeln bewusst verletzten, scheint für Vaatz dabei kaum ins | |
| Gewicht zu fallen. | |
| „Gefährlicher Versuch, die Straßen leer zu kriegen“ | |
| Zudem schreibt er von einer „dreisten Kleinrechnung der Teilnehmerzahlen“ | |
| durch die Berliner Polizei, was ihn an den Umgang der DDR-Medien mit den | |
| Demonstrationen im Herbst 1989 erinnere. Hintergrund dieses Vorwurfs ist, | |
| dass die Polizei bei dem Auflauf von Impfgegnern, Verschwörungsmystikern | |
| und Rechten etwa 20.000 zählte − während die Initiatoren selbst von 1,3 | |
| Millionen Teilnehmern sprachen. Dabei sind sich Experten längst einig, dass | |
| [3][die Angaben der Polizei der wirklichen Teilnehmerzahl sehr nahe | |
| kommen]. | |
| Damals wie heute, so behauptet Vaatz weiter, handele es sich um den | |
| „gefährlichen Versuch, die Straßen leer zu kriegen“. Auch bei der | |
| Maskenpflicht sieht er eine Parallele zum SED-Staat: Die im Frühjahr | |
| zunächst umstrittene Frage, ob eine solche sinnvoll sein, sei so lange | |
| verneint worden, bis welche verfügbar waren: „In der DDR streute die | |
| Partei: Bananen seien gar nicht so gesund.“ In beiden Fällen sei es darum | |
| gegangen, einen Mangel zu verschleiern. | |
| Auch, dass viele Rechtsextreme mit Reichsflaggen bei der Demo zu sehen | |
| waren, versucht Vaatz zu relativieren: So würden Teilnehmer „als Nazi | |
| diffamiert und damit gesellschaftlich ruiniert.“ Und er zieht hier einen | |
| weiteren historischen Vergleich, diesmal zur NS-Zeit: Bei den „Nazis war es | |
| Sippenhaft, im Deutschland von heute ist es Kollektivhaft“. | |
| Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Vor allem der | |
| Koalitionspartner SPD kritisierte Vaatz. Generalsekretär Lars Klingbeil | |
| nannte die Äußerungen „unhaltbar und absurd“. Er forderte die CDU auf, si… | |
| davon zu distanzieren. Es sei „eine neue Qualität“, dass aus der Spitze der | |
| CDU/CSU-Bundestagsfraktion „mit Verschwörungstheorien auf rechten Blogs | |
| gegen unsere Polizei ausgeteilt wird“, sagte er dem Nachrichtenportal | |
| t-online. Juso-Chef Kevin Kühnert sprach von „kruden Äußerungen.“ | |
| Seine eigene Fraktion geht auf Distanz | |
| Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, nannte Vaatz' | |
| Vergleich „infam“. Er denunziere den demokratischen Rechtsstaat und die | |
| freie Presse. [4][„Die CDU muss diesem Mist widersprechen“, schrieb er auf | |
| Twitter.] Das hat sie inzwischen getan, ein Sprecher der Unionsfraktion | |
| jedenfalls distanzierte sich von den Aussagen: „Herr Vaatz hat in dem | |
| Meinungsbeitrag seine persönliche Auffassung als MdB geäußert – diese | |
| spiegelt nicht die Haltung der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag | |
| wider.“ | |
| Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich inzwischen zu Wort | |
| gemeldet. Mit solchen „zutiefst unqualifizierten Kommentaren“ verschärfe | |
| Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz das Reizklima in der Gesellschaft, sagte | |
| der stellvertretende GdP-Vorsitzende Dietmar Schilff am Freitag in | |
| Hannover. „Verschwörungsfanatiker erhalten dadurch unnötigen Aufwind, und | |
| die Infektionsgefahr in unserer Gesellschaft wird alles andere als | |
| gebannt.“ | |
| Offenbart ungeklärte Richtungsfrage in der CDU | |
| Auch wenn Vaatz als CDU-Politiker bislang nicht sonderlich bekannt ist, ist | |
| es nicht das erste Mal, dass der frühere DDR-Bürgerrechtler polarisiert. So | |
| nannte er die Energiewende einst ein „sinnloses Experiment“, das ökonomisch | |
| „völlig unsinnig sei“. Nachdem der Bundestag vor drei Jahren die „Ehe f�… | |
| alle“ beschlossen hatte, ließ er erklären, dass er sich schäme, „die | |
| Lebensauffassungen unserer Vorfahren“ nicht besser verteidigt zu haben. | |
| Auch sprach er sich wiederholt gegen eine Verteufelung der AfD aus. | |
| Was die Debatte um Vaatz aber vor allem offenbart: Nach wie vor ist der | |
| Umgang der ostdeutschen CDU mit den Parteien links wie rechts der | |
| politischen Mitte ungeklärt. Die Corona-Krise hat das völlig überdeckt, | |
| dabei hat der fehlende Kompass die Partei Anfang des Jahres in eine tiefe | |
| Sinn- und Umfragekrise geführt. | |
| Auslöser war damals die Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich zum Thüringer | |
| Ministerpräsidenten. Unionsabgeordnete hatten damals gemeinsam mit FDP und | |
| AfD für Kemmerich gestimmt. Die [5][Thüringer CDU stand kurz vor der | |
| Spaltung]. Die Verwerfungen führten schließlich dazu, dass Annegret | |
| Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug als Parteichefin ankündigte. | |
| Wie umgehen mit der AfD? Spätestens wenn die CDU im Dezember ihren | |
| Vorsitzenden ins Amt gewählt hat, dürfte das Thema wieder hoch kochen. | |
| Zumal es schon im Frühsommer 2021 zur neuerlichen Feuerprobe kommen dürfte: | |
| Dann wählt Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag. Die Mehrheitsverhältnisse | |
| dort dürften – ähnlich wie in Thüringen – kompliziert werden. Zugleich i… | |
| es jener CDU-Landesverband, in dem viele Christdemokraten einer | |
| Zusammenarbeit mit der AfD recht offen gegenüberstehen. | |
| 7 Aug 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/regierung-und-medien-beschaedigen… | |
| [2] /Coronaproteste-in-Berlin/!5705179 | |
| [3] /Streit-um-Teilnehmerzahlen/!5705203 | |
| [4] https://twitter.com/MiKellner/status/1291371567516188675 | |
| [5] /Nach-dem-Debakel-um-Kemmerich-Wahl/!5692637 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Godeck | |
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