| # taz.de -- Bremer „Klimawerkstadt“ braucht Geld: Spende als Geschäftsmode… | |
| > Die Förderung für die Klimawerkstadt in der Neustadt läuft bald aus. | |
| > Statt aufs immer nächste Förderprogramm will der Verein nun auf Spenden | |
| > setzen. | |
| Bild: Reduce, Re-use, Recycle – das Motto der Klimawerkstadt ist zur Westerst… | |
| Bremen taz | Der Industriestaubsauger läuft wieder – am Ende war es nur ein | |
| Kabelbruch, den Wilfried Hogrefe hier ausmerzen musste. Ein paar Euro | |
| wandern in die Spendenkasse, die Besitzerin kann mit dem Gerät und noch | |
| etwas mehr technischer Erfahrung nach Hause gehen. Und Hogrefe macht sich | |
| nun daran, die Messer eines Pürierstabs geradezuziehen. „Bloß nix | |
| abbrechen“, sagt der gelernte Elektriker und wechselt die Zange. | |
| Jeden Mittwochabend ist [1][Reparaturwerkstatt in der „Klimawerkstadt“], | |
| Ehrenamtliche helfen dort, Fahrräder, Elektrogeräte oder kleine Möbel zu | |
| reparieren. Die Einrichtung in der Bremer Neustadt hat es sich zum Ziel | |
| gesetzt, die Möglichkeit nachhaltiger Nutzung in den Köpfen zu verbreiten – | |
| Dinge wiederzuverwenden und zu reparieren, Waren zu tauschen und im Umlauf | |
| zu halten. | |
| Die Regale an zwei Wänden des großen Hauptraums füllen Bastelmaterial und | |
| gebrauchte Ersatzteile. Filz und Fahrradschläuche, Korken, Stromstecker und | |
| Schrauben können gegen eine Spende mitgenommen werden. „Nachhaltiger Konsum | |
| ist das eine“, so Geschäftsführerin Uta Bohls, „aber es bleibt Konsum. Wir | |
| wollen weg davon.“ | |
| Die Einrichtung trifft damit [2][den Geist der Zeit]. Trotzdem hat die | |
| Klimawerkstadt ein Problem: Ab Januar fällt eine Förderung durch die | |
| „Deutsche Postcode-Lotterie“ weg, auch die Unterstützung durch den | |
| Neustädter Beirat ist dann aufgebraucht. Statt sich nun auf die nächste | |
| Förderung zu bewerben, versucht das Haus einen anderen Weg: Zumindest die | |
| Kosten für Miete und andere Fixkosten, etwa 2.000 Euro monatlich, | |
| [3][sollen in Zukunft durch Spenden] hereinkommen. | |
| ## Fördergelder sind meist projekt- und damit zeitgebunden | |
| Schon jetzt spenden Dauerspender*innen monatlich etwa 500 Euro. Insgesamt | |
| 200 bis 300 Leute, die jeden Monat fünf bis zehn Euro geben, brauche der | |
| Verein in Zukunft, hat Projektleiterin Uta Bohls ausgerechnet – „klingt | |
| doch machbar“. | |
| Dass sich für die Klimawerkstadt keine andere Finanzierung finden würde, | |
| scheint zwar zunächst unwahrscheinlich – EU, Bund und Land vergeben | |
| Fördermittel für Klimaschutzprojekte, dazu kommen Programme von Stiftungen | |
| –, doch ganz so leicht ist es nicht: Viele Mittel sind für zeitlich und | |
| inhaltlich klar begrenzte Projekte ausgelegt; es fehlt an langfristiger | |
| institutioneller Förderung. | |
| Auch beim [4][Verein „Klimazone Findorff“], der alle Klimaschutzaktivitäten | |
| im Stadtteil bündelt, ist das Problem bekannt – für die Miete des nächsten | |
| Jahres muss man auch dort sammeln gehen. | |
| Die Entscheidung, feste Kosten von privaten Bremer*innen tragen zu lassen, | |
| findet Bohls aber auch vorteilhaft: „Wir sind dann von den Menschen | |
| abhängig, die das Projekt toll finden“, sagt sie, „ein Ort von vielen für | |
| viele.“ Das gemeinsame Spenden, so hofft die gelernte Sonderpädagogin, | |
| könne das Gefühl von Solidarität noch erhöhen. | |
| Auf Fördermittel für Personalkosten wird die Klimawerkstadt trotzdem | |
| angewiesen sein. Und schon jetzt ist die personelle Lage prekär: Nur 20 | |
| Stunden in der Woche, eine halbe feste Stelle also, bekommt die | |
| Klimawerkstadt finanziert – die Stelle von Bohls selbst. Alles andere läuft | |
| über bis zu 50 Ehrenamtliche. „Ohne unseren Bundesfreiwilligendienstler | |
| wären wir aufgeschmissen“, stellt Bohls fest. „Dafür gibt es viel zu viel | |
| zu organisieren.“ | |
| Denn das Kerngeschäft der Klimawerkstadt sind mittlerweile Veranstaltungen. | |
| 4.000 Besucher*innen jährlich kommen in Nicht-Coronazeiten hierher: | |
| Klimaaktivist*innen nutzen die Räume für ihre Plena, auch Workshops und | |
| Kleidertauschpartys finden statt. | |
| Und natürlich die Reparaturcafés. Hogrefe hat den Pürierstab mittlerweile | |
| gerichtet. Das ständige Wegwerfen von Dingen hält er für „Wahnsinn“. Er | |
| bleibt noch etwas sitzen, obwohl gerade niemand mehr etwas Kaputtes auf | |
| seinen großen Arbeitstisch legt. „Es geht mir ja vor allem um den sozialen | |
| Austausch hier.“ | |
| 16 Oct 2020 | |
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| [1] /Reparieren-ist-immer-sinnvoller/!5702166/ | |
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| [3] https://klimawerkstadt-bremen.de/#spenden | |
| [4] https://klimazone-findorff.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lotta Drügemöller | |
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