Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brasiliens linker Ex-Präsident: Urteile gegen Lula annulliert
> Der Oberste Gerichtshof hebt Korruptionsurteile gegen Brasiliens
> Ex-Präsidenten Luiz Ignácio „Lula“ da Silva auf. Er könnte jetzt wieder
> kandidieren.
Bild: Luiz Inácio „Lula“ da Silva im Januar 2020
Berlin taz | Von einer „Bombe“ schreiben die Zeitungen, während politische
Analyst*innen gar den Wahlkampf für eröffnet erklären. Brasiliens
Oberster Gerichtshof hat am Montagnachmittag alle Verurteilungen gegen
Ex-Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva annulliert. Die Entscheidung ist
vor allem brisant, weil der 75-Jährige nun theoretisch bei der
Präsidentschaftswahl 2022 erneut antreten könnte.
Das Urteil kam für viele Beobachter*innen überraschend. Richter Edson
Fachin begründete seine Entscheidung damit, dass das Gericht in der
südbrasilianischen Stadt Curitiba, das Lula verurteilt hatte, dafür nicht
zuständig gewesen wäre. Die Fälle müssen nun vor einem Bundesgericht neu
aufgerollt werden.
Lula war zwischen 2003 und 2011 Präsident des größten Staates
Lateinamerikas und gilt als Idol der lateinamerikanischen Linken. 2018
wurde der Sozialdemokrat im Zuge der als „Operation Autowäsche“ bekannt
gewordenen Ermittlungen wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt. Der
Politiker der Arbeiterpartei PT beteuerte stets seine Unschuld und
erklärte, Opfer eines politischen Prozesses geworden zu sein.
Im April 2018 trat er eine mehrjährige Haftstrafe an, wurde aber im
November 2019 nach 580 Tagen in Haft [1][vorzeitig entlassen]. Lulas
Verurteilung war auch politisch brisant, da sie ihn [2][von der Wahl 2018
ausschloss] und den Weg für jenen Mann freimachte, der heute Präsident von
Brasilien ist: Jair Bolsonaro.
## Viele hoffen auf Lulas Comeback
Mit der vorläufigen Wiederherstellung von Lulas politischen Rechten hoffen
viele auf ein Comeback des Ex-Gewerkschafters mit der Kratzstimme. „Mit der
Annullierung ist einer der wichtigsten Protagonisten Brasiliens zurück auf
dem politischen Parkett“, sagt der Politikwissenschaftler und Autor Rubens
Casara der taz.
Kaum jemand zweifelt daran, dass Lula versuchen wird, im Jahr 2022 noch
einmal zu kandidieren – trotz seines Alters und des regelrechten Hasses,
der ihm aus konservativen Kreisen entgegenschlägt.
Viele Brasilianer*innen blicken aber auch sehnsüchtig auf die
Boom-Jahre seiner Amtszeit zurück. Kaum ein Politiker ist bekannter und
beliebter als Lula. Erst am Sonntag war er bei der Wahlumfrage auf dem
ersten Platz gelandet. Knapp dahinter lag der rechtsradikale Amtsinhaber
Bolsonaro, der ebenfalls eine treue Wählerbasis hinter sich versammelt –
trotz zahlreicher Skandale und seines katastrophalen Coronamanagements.
„Sollten Lula und Bolsonaro im Jahr 2022 wirklich antreten, werden die
beiden mit Sicherheit in die zweite Runde der Wahl ziehen“, meint Casara.
Den bürgerlich-konservativen Kräften der brasilianischen Politik könnte
erneut ein Debakel drohen.
## Für Bolsonaro könnte Lula der Lieblingsgegner sein
Lula hielt sich am Montag zurück, sagte lediglich der Tageszeitung Folha de
São Paulo, dass es noch zu früh sei, um zu feiern. Die
Bundesstaatsanwaltschaft kündigte derweil an, gegen die Entscheidung in
Berufung zu gehen.
Das hielt Unterstützer*innen Lulas nicht davon ab, das Urteil zu
feiern, in den sozialen Medien trendete der Hashtag #LulaPresidente2022.
Für die krisengebeutelte Linke ist die Annullierung ein kurzer
Hoffnungsschimmer – mehr aber auch nicht.
Auf den sonst so umtriebigen Kanälen Bolsonaros blieb es am Montag
auffällig ruhig. Während viele die Annullierung als herbe Niederlage für
den Präsidenten deuten, gibt es noch eine andere Interpretation: Bolsonaro
könnte von der Kandidatur seines Antagonisten sogar profitieren.
Bereits im vergangenen Wahlkampf gelang es dem ehemaligen Fallschirmjäger,
sich mit Attacken gegen Lula in Szene zu setzen und den Hass auf die
Arbeiterpartei geschickt für seine Zwecke zu nutzen. „Autoritäre
Staatschefs wie Bolsonaro brauchen Feinde“, meint der
Politikwissenschaftler Casara. „Deshalb glaube ich, dass er auf ein Duell
mit Lula hofft.“
9 Mar 2021
## LINKS
[1] /Ex-Praesident-Lula-da-Silva-freigelassen/!5639876
[2] /Wahlgericht-untersagt-Kandidatur/!5532700
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
Brasilien
Luiz Inácio Lula da Silva
Schwerpunkt Korruption
Jair Bolsonaro
Schwerpunkt Coronavirus
Jair Bolsonaro
Brasilien
Schwerpunkt Pressefreiheit
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regierung in Brasilien: Bolsonaro tauscht Minister aus
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat die Spitzen von sechs Ministerien
neu besetzt. Er reagiert damit auf Kritik an seinem Pandemiemanagement.
Aufhebung des Urteils gegen Lula: Trügerische Hoffnung
Die Verurteilung des brasilianischen Ex-Präsidenten Lula da Silva ist
annulliert. Nicht nur die Linken jubeln – auch Bolsonaro freut sich.
Kommunalwahlen in Brasilien: Doch kein Sozialist für São Paulo
Bei der zweiten Runde der Kommunalwahlen in Brasilien haben Präsident
Bolsonaro nahestehende Parteien verloren – und Konservative gewonnen.
Anklage gegen Glenn Greenwald: Rache liegt in der Luft
Der Journalist Greenwald veröffentlichte belastende Dokumente gegen die
Bolsonaro-Regierung in Brasilien. Die rächt sich mit zweifelhaften
Vorwürfen.
Aus der Favela ins Parlament: Das andere, das linke Brasilien
Seit einem Jahr ist der Rechte Jair Bolsonaro Brasiliens Präsident. Der
Parlamentarier David Miranda ist sein Gegenentwurf. Dafür braucht er Mut.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.