# taz.de -- Brasiliens angeschlagener Präsident: Bolsonaro will Stärke zeigen | |
> Der Präsident und seine Anhänger*innen wollen mit Demos am heutigen | |
> Nationalfeiertag seine schlechten Umfragewerte als Lügen entlarven. | |
Bild: Brasiliens rechtsradikaler Präsident Bolsonaro am Montag mit Fans vor se… | |
BERLIN taz | An diesem 7. September werde das Schicksal Brasiliens | |
verändert, erklärte Jair Bolsonaro vergangene Woche. Seit Wochen rufen der | |
rechtsradikale Präsident und seine Anhänger zu Protesten am heutigen | |
Unabhängigkeitstag auf und versprechen die „größten Demonstrationen in der | |
Geschichte des Landes“. Gegner des Präsidenten befürchten Gewaltakte, | |
einige bangen um Brasiliens Demokratie. | |
In mehr als 80 Städten wollen Bolsonaro-nahe Kräfte auf die Straße gehen. | |
Vor allem in der Hauptstadt Brasília und der Finanzmetropole São Paulo | |
werden Hunderttausende erwartet. Aus ganz Brasilien haben sich Buskarawanen | |
mit Unterstützer*innen angekündigt. Es wird erwartet, dass Bolsonaro | |
sowohl in São Paulo als auch in Brasília Reden halten wird. | |
Mit den Protesten will der ehemalige Fallschirmjäger ein Zeichen der Stärke | |
in Krisenzeiten senden. Coronachaos, Korruptionsvorwürfe, Wirtschaftskrise: | |
Die brasilianische Regierung steht mit dem Rücken zur Wand. Politisch ist | |
Bolsonaro isoliert, [1][viele ehemalige Verbündete haben sich abgewendet]. | |
In Umfragen für die Wahl 2022 liegt er weit hinter seinem | |
sozialdemokratischen Widersacher, Ex-Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silv… | |
„Bolsonaro will Macht demonstrieren und zeigen, dass die Umfragen | |
manipuliert sind“, sagt der politische Analyst Kennedy Alencar der taz. Für | |
Bolsonaro sei es wichtig, Bilder zu produzieren, die zeigen, dass „das | |
Volk“ hinter ihm stehe. Doch mittlerweile lehnt ihn die große Mehrheit der | |
Bevölkerung ab. „Er geht den gleichen Weg wie Donald Trump. Er weiß, dass | |
er die Wahl verlieren wird, deshalb setzt er auf Verschwörungstheorien. Bei | |
Trump waren es Lügen über die Briefwahl, bei Bolsonaro sind es Lügen über | |
das elektronische Wahlsystem.“ | |
## Bolsonaro wettert gegen elektronisches Wahlsystem | |
Dagegen hatte Bolsonaro in den letzten Wochen immer wieder Stimmung gemacht | |
und sogar eine Absage der Wahl insinuiert. Dabei wird Brasiliens | |
elektronisches Wahlsystem von unabhängigen Expert*innen als absolut | |
sicher eingestuft. Der Kongress stimmte kürzlich [2][gegen eine | |
Wahlrechtsreform] und der Oberste Gerichtshof leitete Ermittlungen gegen | |
Bolsonaro wegen antidemokratischer Aussagen ein. Die Gräben zwischen | |
Bolsonaro und den demokratischen Institutionen sind tief. | |
Die Dauerkonflikte bestätigen für viele Bolsonaro-Anhänger*innen, dass ein | |
Komplott gegen ihr Idol im Gang sei. Trotz wachsender Unzufriedenheit mit | |
der Regierung kann sich der Präsident auf rund 20 Prozent der Bevölkerung | |
verlassen. Und viele seiner Anhänger verehren den Pöbelpräsidenten mit fast | |
schon religiösem Eifer. | |
Evangelikale, reiche Farmer und Lastwagenfahrer zählen zu Bolsonaros | |
treusten Unterstützer*innen. Sorgen bereitet vielen auch, dass etliche | |
Polizist*innen ihre Teilnahme an den Demonstrationen angekündigt haben. | |
Rechte Massenproteste und Putschdrohungen sind zwar nicht neu in Brasilien, | |
doch die schwere institutionelle Krise und die jüngsten Schlagabtausche | |
zwischen Bolsonaro und dem Obersten Gerichtshof machen die Situation | |
unberechenbar. | |
Einige rechnen mit Bildern wie am 6. Januar in Washington, als | |
Trump-Unterstützer das Capitol stürmten. Andere befürchten gar einen von | |
Bolsonaro orchestrierten Staatsstreich. In einem offenen Brief warnten | |
Ex-Präsident*innen und Politiker*innen aus 26 Ländern vor schweren | |
Konsequenzen für Brasiliens Demokratie. | |
## Bolsonaro sieht für sich nur „Gefängnis, Tod oder Sieg“ | |
„Es ist gefährlich, was er macht. Aber er hat nicht die Kraft zu putschen“, | |
meint der Analyst Alencar. Die große Mehrheit der Bevölkerung sei gegen | |
autoritäre Experimente. In den unteren Rängen des Militärs hat Bolsonaro | |
zwar viele Anhänger. Doch es ist unwahrscheinlich, dass sich die Generäle | |
auf ein antidemokratisches Abenteuer einlassen – obwohl sie von Bolsonaro | |
mit Macht und einflussreichen Posten in der Regierung ausgestattet wurden. | |
„Trotzdem ist es möglich, dass es bei den Protesten zu Gewalt kommt“, meint | |
Alencar. Am Vorabend des Unabhängigkeitstages überrannten | |
Bolsonaro-Anhänger*innen Polizeiabsperrungen und nahmen die Straße der | |
Ministerien ein. Einige brüllten dabei, dass sie heute den Obersten | |
Gerichtshof stürmen werden. Einige forderten die wenigen anwesenden | |
Polizist*innen auf, sich ihnen anzuschließen. Regierungsmitglieder | |
feierten die Aktion. | |
In São Paulo rufen linke Parteien und Bewegungen zu einer Gegenkundgebung | |
auf. Richter Luiz Fux warnte derweil Demonstrierende vor den „rechtlichen | |
Konsequenzen ihrer Taten“ und erklärte: „Das Recht auf freie | |
Meinungsäußerung hat nichts mit Gewalt und Drohungen zu tun.“ | |
Und Bolsonaro? Der hatte unlängst eine Prognose gewagt: „Ich habe drei | |
Alternativen für meine Zukunft: Gefängnis, Tod oder Sieg.“ | |
7 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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