| # taz.de -- Boliviens neuer Präsident: Luis Arce kündigt eigenen Kurs an | |
| > Der linke Wirtschaftswissenschaftler steht vor der Aufgabe, einen neuen | |
| > gesellschaftlichen Konsens zu schmieden. Das wird alles andere als | |
| > leicht. | |
| Bild: Luis Arce während eines Interviews am Dienstag | |
| Buenos Aires taz | Auch Luis Arce hat den für Präsidentschaftsgewinner | |
| typischen Satz gesagt: „Er werde der Präsident aller Bolivianer*innen | |
| sein.“ Kein Wunder, eine seiner wichtigsten Aufgaben wird sein, das | |
| zerrissene südamerikanische Land zu einem neuen gesellschaftlichen Konsens | |
| zu führen. | |
| Dafür rammte er bereits einen wichtigen Pflock ein: Er werde nicht der | |
| Statthalter für den [1][ins argentinische Exil getriebenen ehemaligen | |
| Präsidenten Evo Morales] sein. „Wenn Evo uns helfen will, wird er sehr | |
| willkommen sein. Aber das bedeutet nicht, dass Morales in der Regierung | |
| sein wird. Es wird meine Regierung sein“, sagte er am Tag danach. Dass ihm | |
| vergangenen Sonntag 54,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen gaben, | |
| wie [2][die offizielle Wahlbehörde meldet], stärkt seine Position. | |
| Der 57-jährige Wirtschaftswissenschaftler ist ein Quereinsteiger in der | |
| Partei MAS (Bewegung zum Sozialismus). Er gehört anders als Evo Morales | |
| nicht der indigenen Bevölkerungsmehrheit an. Arce wurde 1963 in eine | |
| Lehrer*innenfamilie in La Paz geboren, der heutige Vater von drei Kindern | |
| zählt sich zu Boliviens Mittelschicht. | |
| Nachdem er eine Ausbildung als Buchhalter abgeschlossen hatte, studierte er | |
| Wirtschaftswissenschaften an der staatlichen Universidad Mayor de San | |
| Andrés in La Paz und schloss danach seine Universitätsausbildung in | |
| Großbritannien mit einen Master ab. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in | |
| verschiedenen Abteilungen der bolivianischen Zentralbank, gab aber zugleich | |
| Kurse an den US-Universitäten Harvard und Columbia. | |
| ## Reiten auf der Rohstoffwelle | |
| Während seines Studiums war er Mitglied einer kleinen sozialistischen | |
| Partei. 2005 trat er dem MAS bei und beteiligte sich an dem Entwurf der | |
| Reformpolitik des aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten Evo Morales. | |
| 2006 bis 2017 war er dessen Wirtschaftsminister. | |
| Für Bolivien waren das die guten Jahre mit Wachstumsraten um die fünf | |
| Prozent, angetrieben von den hohen Weltmarktpreisen für die Rohstoffe, die | |
| Bolivien zu bieten hat. Die Nationalisierungen im Gas- und Ölsektor | |
| brachten Mehreinnahmen in die Staatskasse und wurden für eine neue | |
| staatliche Umverteilungspolitik genutzt. Der Anteil der in extremer Armut | |
| lebenden BolivianerInnen sank von 38 auf 18 Prozent. Für viele von ihnen | |
| war und ist der linke, aber gemäßigte Arce die treibende Kraft dieser | |
| Politik. | |
| 2017 musste Arce das Amt wegen einer – inzwischen auskurierten – | |
| Nierenkrebserkrankung aufgeben. Im Januar 2019 hatte er den Posten wieder | |
| übernommen – [3][bis zum Ende der Ära Morales im November]. | |
| Heute ist die Situation eine andere. Die Rohstoffpreise sind im Keller. | |
| Boliviens Wirtschaft schrumpfte im ersten Halbjahr 2020 um 10 Prozent und | |
| bis Ende des Jahres wird ein Haushaltsdefizit von über 13 Prozent erwartet. | |
| „Man kann keinen mechanischen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus | |
| schaffen, es muss eine Zwischenzeit geben“, hat er bereits verkündet. Einer | |
| seiner Vorschläge für diese Zeit ist, den großen Reichtum des Landes | |
| stärker zu besteuern. | |
| 21 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Vogt | |
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