# taz.de -- „Bild“ vs. Virologe Drosten: Wie man sich einen Aufreger baut | |
> Die „Bild“-Zeitung und der Charité-Virologe Christian Drosten liegen im | |
> Clinch. Dabei könnten Wissenschaft und Medien eigentlich gut | |
> zusammenarbeiten. | |
Bild: Charité-Virologe Christian Drosten | |
Das Ganze ist eine Geschichte aus dem kleinen Lehrbuch des | |
Boulevardjournalismus. Kapitel: Wie bau ich mir einen Aufreger. Man nehme | |
einen prominenten Menschen aus der Wissenschaft und dessen Studie. Dann | |
klaubt man ein paar Aussagen anderer Wissenschaftlerinnen und | |
Wissenschaftler zusammen, die den Ergebnissen der Studie tatsächlich oder | |
vermeintlich widersprechen. | |
Mit denen konfrontiert man den erstgenannten Wissenschaftler. Und damit es | |
auch spannend wird, lässt man eine möglichst knappe Frist für die Antwort. | |
Dann kann man nämlich später schreiben „wir hätten Herrn/Frau XY gerne die | |
Möglichkeit gegeben, Stellung zu nehmen, bis Redaktionsschluss erfolgte | |
aber leider …“. | |
Selbstverständlich geht es um Corona, der Wissenschaftler ist | |
Charité-Virologe Christian Drosten und bei der Boulevardzeitung handelt es | |
sich natürlich um Bild. „Interessant: die #Bild plant eine tendenziöse | |
Berichterstattung über unsere Vorpublikation zu Viruslasten und bemüht | |
dabei Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang. Ich soll | |
innerhalb von einer Stunde Stellung nehmen. Ich habe Besseres zu tun“, | |
twitterte Drosten am Montag. | |
Um 15 Uhr kamen die Bild-Fragen, bis 16 Uhr sollte die Antwort in der | |
Axel-Springer-Straße sein. „Stehen Sie weiterhin zu den Methoden und der | |
Aussagekraft der Studie?“, wollte Bild treudoof wissen. „Ach nö“, antwor… | |
auf so was natürlich keiner. Wahrscheinlich war die Überschrift „Virologe | |
bleibt trotzdem bei umstrittener Studie“ schon gesetzt. | |
Kronzeugen distanzierten sich deutlich | |
Merken Sie was? Bis hierher war noch gar nicht die Rede davon, worum es | |
inhaltlich eigentlich geht. Muss es auch nicht. Um Inhalte geht es nicht. | |
Sondern ums Prinzip. | |
Weil sich Drosten aber weigerte, mitzuspielen, haute Bild das Ganze online | |
gleich raus: „Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch Wie lange | |
weiß der Star-Virologe schon davon?“, steht auch noch am Mittag danach auf | |
bild.de. Davon, dass sich mittlerweile mehrere der zitierten „Kronzeugen“ | |
auf Twitter und anderswo mehr als deutlich distanziert haben, steht da | |
natürlich nichts. | |
„Ich wusste nichts von der Anfrage der Bild und distanziere mich von dieser | |
Art, Menschen unter Druck zu setzen, auf das Schärfste“, schrieb etwa der | |
Bonner Statistik-Professor Dominik Liebl, den Bild als Quelle für | |
„Ungereimtheiten“ an der Methodik der Studie bemüht. | |
Dabei können Medien und Wissenschaft eigentlich gute „Sparringspartner“ | |
sein. So sieht es zum Beispiel Holger Wormer, Professor für | |
Wissenschaftsjournalistik in Dortmund. So könne die Öffentlichkeit am | |
meisten von den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung und ihrer für | |
alle verständlichen „Übersetzung“ durch und in den Medien profitieren. | |
Berechtigte Kritik und Nachfragen sind dabei so selbstverständlich wie | |
zugelassen. Für boulevardesken Schaum vor dem Mund gilt: Wir haben Besseres | |
zu tun! | |
26 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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