# taz.de -- Beratungsstelle wird weiter gefördert: Guter Rat rechnet sich | |
> Für Geflüchtete hängt die Duldung oft an ihrer Ausbildung. Das Bremer | |
> Netzwerk „bin“ unterstützt ihre Integration in den Arbeitsmarkt. | |
Bild: Mal eben eine Ausbildung machen: Für junge Geflüchtete ist das gar nich… | |
BREMEN | taz | 3,4 Millionen Euro haben der Bund und der Europäische | |
Sozialfonds bereitgestellt: Das Bremer und Bremerhavener | |
Integrationsnetzwerk („bin“) wird bis Ende 2020 weiter gefördert. Warum das | |
bitter nötig ist, erklärt am besten eine Geschichte, die auf den ersten | |
Blick wie ein großer Erfolg klingt. | |
Der junge Guineer Siakoh, noch keine 18 Jahre, kommt 2015 als Flüchtling | |
nach Deutschland. Während eines Vorkurses macht er ein Praktikum in einer | |
Autowerkstatt. Siakoh hinterlässt einen guten Eindruck und bekommt sofort | |
einen Ausbildungsplatz. Hurra! | |
Da es im wahren Leben nach dem Happy End weitergeht, hat auch diese | |
Geschichte eine Fortsetzung. Die Deutschkenntnisse reichen nicht für die | |
Berufsschule, der Guineer muss abbrechen. Mittlerweile, 2019, macht Siakoh | |
erneut eine Ausbildung. Doch er ist frustriert: Viele seiner Freunde haben | |
mittlerweile einen Aufenthaltsstatus – junge Menschen, die seit vier Jahren | |
hier sind und einen Schulabschluss in Deutschland gemacht haben, können | |
eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. | |
Siakoh dagegen ist aus der Schulpflicht lange herausgefallen, ohne | |
Abschluss. Seinen Antrag auf einen Aufenthaltsstatus hätte er zwingend vor | |
dem 21. Geburtstag stellen müssen. Er hat sich 2015 falsch entschieden, mit | |
seinen 17 Jahren. | |
Siakoh heißt nicht wirklich so, den Fall des jungen Guineers aber hatte | |
Claudia Jacob tatsächlich gerade in der Beratung: Bei der | |
[1][Clearingstelle des Paritätischen Bildungswerks] beschäftigt sie sich | |
mit der Frage des Aufenthaltsstatus von geflüchteten Arbeitssuchenden. Das | |
Programm ist einer von fünf Teilbereichen des „bin“, das jungen | |
Migrant*Innen helfen soll, richtige Entscheidungen zu treffen. | |
Seit 2008 unterstützt das Netzwerk Geflüchtete in Ausbildung und Beruf. Der | |
Bedarf ist groß: 300 neue Teilnehmer*Innen kommen jedes Jahr dazu, die | |
Beratung geht oft über Jahre. Ziel in allen Teilbereichen ist die | |
[2][Vermittlung in Arbeit.] | |
Auf den ersten Blick scheint das dank Fachkräftemangel keine schwere | |
Aufgabe zu sein: „Fast jeder fünfte Lehrling in Bremen hat einen | |
ausländischen Hintergrund“, erzählt Jens Rigterink von der Bremer | |
Handwerkskammer. „Das Handwerk ist angewiesen auf Flüchtlinge.“ Die | |
Betriebe, sagt Jesmmy Gemio vom Paritätischen Bildungswerk, seien oft | |
glücklich mit ihren Azubis: „Die sind pfiffig, engagiert, pünktlich – aber | |
in der Schule hakt es dann.“ | |
Genaue Statistiken gibt es nicht, Unternehmen sind nicht verpflichtet, den | |
Aufenthaltsstatus ihrer Azubis anzugeben. Aus Erfahrung weiß Martina | |
Rothgänger, Projektmanagerin beim BIN aber: „Unheimlich viele brechen nach | |
einem halben Jahr ab. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt.“ | |
Auch Multiplikator*Innen wie Lehrkräfte und Ehrenamtliche hätten oft keine | |
Ahnung, wie anspruchsvoll eine duale Ausbildung ohne entsprechende | |
Sprachkenntnisse sein kann. Eine abgebrochene Ausbildung kann, wie im Fall | |
des jungen Guineers, ernste Folgen für die Aufenthaltsgenehmigung haben. | |
Die Aufgabe des „bin“ ist daher oftmals: bremsen. | |
Vielen jungen Migrant*innen empfehlen die Institutionen zunächst eine | |
einjährige Vorbereitungsphase. Diese Einstiegsqualifizierung (EQ) umfasst | |
neben einem Part im Betrieb und einem in der Berufsschule zusätzlichen | |
Sprachunterricht, der in die Fachsprache des zukünftigen Berufsfeldes | |
einführt. | |
Die ersten Erfolge sprechen für sich: Im ersten Jahrgang von 2014 haben – | |
anfangs nur im öffentlichen Dienst – 23 Geflüchtete ihre EQ begonnen. 21 | |
wurden anschließend in eine Ausbildung vermittelt, 18 haben diese | |
abgeschlossen und 17 mittlerweile einen Arbeitsplatz in ihrem Bereich | |
gefunden. | |
## Die Qualifizierung kostet Zeit | |
Doch immer weniger Geflüchtete wollen eine Einstiegsqualifizierung machen. | |
Viele müssten vorab einen einjährigen Sprachkurs besuchen, um auf B1-Niveau | |
zu kommen – die Ausbildungszeit verlängert sich auf fünf Jahre. „Eine | |
unglaublich lange Zeit für junge Menschen“, gibt Elisabeth Mahlberg-Wilson | |
vom Zentrum für Schule und Beruf zu bedenken. Ein schneller und scheinbar | |
leichter [3][Berufseinstieg] dagegen lockt durch eigenes Geld, größere | |
Unabhängigkeit von Behörden und die Möglichkeit, die Familie in der Heimat | |
zu unterstützen. | |
Immerhin verbessern sich momentan einige Umstände. Lange war eine | |
Ausbildung eine Armutsfalle für Flüchtlinge, weil neben dem Gehalt für sie | |
keine Möglichkeit der Berufsausbildungsbeihilfe vorgesehen war. Seit diesem | |
Sommer ist das endlich anders. | |
Das Bundesland Bremen hat im Vorgriff auf das Bundesgesetz schon seit | |
[4][Herbst 2018 eine Art Bafög zur Verfügung gestellt]. „Übrigens ein | |
schönes Beispiel dafür, wie weit Bremen in manchen Bereichen ist“, lobt | |
Elisabeth Mahlberg-Wilson vom Zentrum für Schule und Beruf. | |
9 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://pbwbremen.de/index.php/87-sozialpaedagogische-heilerziehungspflege/… | |
[2] /Fluechtlinge-und-Arbeit/!5597081 | |
[3] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-5300-gefluechtete-… | |
[4] /Azubis-mit-Fluchthintergrund/!5543154 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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Elke Breitenbach | |
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