# taz.de -- Beistand im Krankenhaus: Mit Leib und Seele | |
> Hans Bartosch kennt diesen Kloß im Hals, wenn die Angst hochkommt. Auch | |
> das Sterben ist ihm nicht fremd. Bartosch ist Krankenhausseelsorger. | |
Bild: Hans Bartosch, Krankenhausseelsorger | |
Ein Krankenhausseelsorger, der selbst erkrankt ist? Dem jetzt, Monate nach | |
der Infektion, [1][die schwer zu fassenden Spätfolgen von Covid-19 zu | |
schaffen machen], die mit Erschöpfung einhergehen? Eigentlich hatte Hans | |
Bartosch abgewinkt. Er sei doch jetzt gar nicht im Krankenhaus. | |
Jetzt steht er in der Wohnungstür, kurzes silbriges Haar, Mundschutz im | |
Gesicht. Trotz Maske, die jede Mimik nivelliert, wirkt er freundlich, | |
jünger als 58. Die Küche ist derzeit ohnehin der geeignetere Ort als ein | |
Krankenhaus, in dem seit Ende Oktober Besuchsverbot gilt. Bartosch legt die | |
Maske ab, wird stattdessen immer wieder das große Fenster öffnen. Etwa zwei | |
Stunden, hatte Bartosch geschrieben, so lange könnte er erzählen von seiner | |
Arbeit als Krankenhausseelsorger, als Pastor in Magdeburg. | |
Seelsorge, Kirche überhaupt, bekam es [2][im Coronajahr 2020] mit heftigen | |
Vorwürfen zu tun. Die Kirche habe versagt und Hunderttausende Alte, Kranke | |
und Sterbende alleingelassen, beklagte sich Christine Lieberknecht im Mai. | |
„Wo war da das Wort der Kirchen?“ Die ehemalige Ministerpräsidentin von | |
Thüringen, im früheren Leben Pfarrerin, klang geradezu verbittert. Umgehend | |
wiesen Bischöfe diese Anklage zurück und lobten das kirchliche Engagement. | |
Erheblich eingeschränkt war es aber schon. „Nur 20 Prozent der | |
Seelsorgenden haben unverändert weitergemacht“, resümiert Hans Bartosch die | |
Lage im Frühjahr. Viele mussten ihre Rundgänge reduzieren oder ganz | |
einstellen. Warum? Sie bekamen von ihren Kirchen oder von den | |
Krankenhäusern Auflagen zum Patienten- oder zum Selbstschutz. Die Angst, | |
dass sie das Virus weitertrugen, war zu groß. „Ausnahmen waren die | |
diakonischen Krankenhäuser“, sagt Bartosch, der selbst bis zu seiner | |
Erkrankung im Krisenstab seiner Einrichtung saß. | |
## Einsatz auch bei Coronapatienten | |
„Selbstverständlich sind wir zu Coronapatienten gegangen“, erzählt er. | |
Einfach sei das natürlich nicht gewesen. „Wir sahen im Schutzanzug aus wie | |
die Marsmännchen.“ Aber diese Overalls habe es früher auch schon gegeben | |
und Coronapatienten haben nur einen kleinen Teil der Arbeit ausgemacht. | |
„Die größere Gefahr bestand darin, dass andere Patienten unterversorgt | |
blieben: Menschen mit Behinderung, psychisch Kranke.“ Bartosch ist | |
skeptisch, was digitale Seelsorge angeht. In manchen Krankenhäusern konnten | |
Patienten Gespräche online führen. „Aber nichts geht über den persönlichen | |
Kontakt“, ist er überzeugt. Schon gar nicht, wenn Menschen ein so starkes | |
Gefühl beherrscht wie die Angst. | |
„Es gab große Angst.“ Bilder aus Bergamo, wo Bestatter im Schutzanzug | |
unablässig Särge aus Häusern trugen, haben sich eingebrannt. „Ich hatte | |
auch Angst.“ Wie kann man da arbeiten? Ein Seelsorger habe jedenfalls nicht | |
die Aufgabe, Ängste kleinzureden. „Er soll auch nicht den Betrieb | |
flutschiger machen.“ Trotzdem werde man schnell mal instrumentalisiert, | |
natürlich mit den allerbesten Absichten. „Aber man kann die Angst der Seele | |
nicht wegreden“, sagt Bartosch. „Man kann auch die Angst vor Corona nicht | |
wegreden.“ Nicht bei den Patienten, nicht beim Personal. | |
Der junge Arzt fragt sich, was „das alles“ auf Dauer ergebe. Mit seinen | |
Kindern, seinen Neffen und Nichten. „Die werden doch gerade hängengelassen. | |
Generation Corona und so … Passt alles nicht zusammen. Und dann gucke ich | |
mir immer die Statistik an. Wie viele von uns Ärzten und von der Pflege | |
draufgegangen sind. An Corona. Mensch, weiß man, was da noch auf uns | |
zukommt in der zweiten und dritten und vierten Welle?“* | |
Angst ist das, was die Kehle zuschnürt. Den Kloß im Hals kennt jeder. Die | |
Menschen im Alten Testament kannten ihn auch. Sie verorteten die Seele in | |
der Kehle, dort, wo alles fließt – Luft, Blut, Nahrung, selbst der Geist, | |
der sich im Atem kundtut. Näfäsch ist das hebräische Wort für Seele. | |
Seelsorge ist dann das, was die Kehle wieder öffnet. Bartosch findet diese | |
griffige Erklärung großartig. Aber braucht es überhaupt einen Pastor | |
zwischen Krankenhausbetten? Und was macht er da? Krankenhausseelsorge ist | |
eine von wenigen Tätigkeiten, die vom Grundgesetz ausdrücklich geschützt | |
sind. Ein Privileg. Selbstverständlich ist sie trotzdem nicht mehr. | |
## Das Tagebuch | |
„Seelsorge, das ist eine unfasslich erschließende Kraft“, sagt Bartosch. | |
Jetzt klingt er abstrakt, dabei spricht und schreibt er auch ganz anders. | |
Man kann es nachlesen. In Magdeburg beginnt Hans Bartosch Tagebuch zu | |
führen, er notiert Begegnungen, Beobachtungen. Es ist Vergewisserung, auch | |
so etwas wie Rechtfertigung. Einen Pastor kann man arbeiten sehen, aber | |
einen Krankenhausseelsorger? Selbst wenn Bartosch durch die Klinik gehen | |
könnte, man dürfte ihn nicht begleiten. Die Gespräche unterliegen der | |
Schweigepflicht. | |
Irgendwann schickte Bartosch Auszüge aus seinen Notizen an Kolleginnen und | |
Kollegen im Krankenhaus, an Ärzte, Pfleger, auch an Freunde, alles | |
anonymisiert und verfremdet, natürlich auch keine seelsorgerischen | |
Gespräche. Doch Stimmungsbilder, das schon, Atmosphärisches aus den Fluren | |
und Krankenzimmern, Erlebtes aus Krieg und Nachkrieg, DDR und Wende, | |
freigelegt im Krankenbett – und dazwischen der Seelsorger. 2018 ist daraus | |
ein Buch geworden: „Was noch erzählt werden muss. Seelsorge am | |
Krankenbett“. Man kann es als Bericht lesen, man kann es als | |
Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache betrachten. Interesse gibt es | |
jedenfalls, unterhaltsam ist es auf jeden Fall. Gerade ist die zweite | |
Auflage erschienen. | |
Orthopädische Station: „Was sind Sie jetzt genau?“ – „Seelsorger hier … | |
Haus.“ Aha, Pfarrer, ja …, äh … Sorgen müsse er sich jetzt keine spezie… | |
machen, nein? Ach so … so eine Art Rundgang machen Sie hier … ja, wär ich | |
nie drauf gekommen, dass es so was gibt. „Schwester, das ist ja ’n Ding, | |
dass ihr hier ’n Pfarrer laufen habt!“ | |
## Von Düsseldorf nach Magdeburg | |
„1994 bin ich vom Pfarramt in die Diakonie abgebogen“, sagt Bartosch. | |
„Gerissen habe ich mich nicht.“ In Düsseldorf baut er die Notfallseelsorge | |
mit auf, viele Jahre arbeitet er in der Kaiserwerther Diakonie, einem | |
Schwergewicht unter den kirchlichen Krankenhäusern in Deutschland. 2011 | |
wechselte er in die Pfeifferschen Stiftungen nach Magdeburg. Der Wechsel, | |
lässt Bartosch durchblicken, kam eher spontan. Es ist eine diakonische | |
Einrichtung mit Krankenhaus, Altenheimen und Häusern für Behinderte in | |
einer Stadt von 240.000 Einwohnern, wo es zwar einen gewaltigen Dom gibt, | |
die aber nach kirchlichen Maßstäben eher einer Glaubenswüste ähnelt. | |
Es dürfte für einen Seelsorger, der im bürgerlich soliden Düsseldorf | |
gearbeitet hat, jedenfalls eine Herausforderung sein, sich im kirchenfernen | |
Osten um die Seelen zu kümmern. In der Regel merken die Leute sofort, dass | |
er aus dem Westen kommt, sagt Bartosch. „Das habe ich unterschätzt.“ | |
Irgendein Detail, irgendein Wort gebe seine Herkunft immer preis. Etwa wenn | |
er Führerschein sagt statt Fahrerlaubnis. Auch seine Brille verrät ihn, er | |
deutet auf die Gläser, randloses Modell. Für viele zu schick, vielleicht | |
auch zu teuer. | |
„Es ist unausweichlich, mit all diesen Differenzen umzugehen.“ Es gibt aber | |
auch Momente, wo es sich mit einem Fremden leichter reden lässt. Bartosch | |
war bei einem Generalmajor der NVA am Krankenbett, bei einem Offizier der | |
Grenztruppen, einem Stasi-General. Doch was ist mit dem, der ihm kurz zuvor | |
von der Flugblattaktion erzählt hat, die ihn in den DDR-Knast brachte? Der | |
könnte solche Nähe schon als Verrat empfinden. „Darum ist Seelsorge so | |
politisch“, sagt Bartosch. | |
Alle, selbst die ältesten Konflikte finden am Krankenbett ihr Echo – Krieg, | |
Flucht und Vertreibung, deutsche Teilung, deutsche Einheit, Flüchtlinge. | |
„Bis hin zu Merkel und Trump.“ Mal ist der Seelsorgealltag etwas ruhiger, | |
mal etwas aufgewühlter. „Es gibt so Wellen.“ Die letzte große Welle war | |
2015/16, als Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, die Monate | |
der AfD-Kundgebungen. Bartosch hat sie sich angeschaut, die Auftritte von | |
Höcke, Petry, Gauland vor dem Magdeburger Dom. „Richtig bedrohlich.“ | |
Innere Medizin: „Wegen Ihnen bin ich aus der Kirche ausgetreten.“ – „?�… | |
„Na, weil ihr die ganzen Islamisten reinlasst.“ – „?“ – „Tun Sie … | |
so doof. Ihr lasst sie doch alle rein. Früher war ich mal in der Kirche. Da | |
hat der Pfarrer was Anständiges gesagt, sich aus der Politik rausgehalten, | |
war in der DDR-Zeit. Heute aber, nur Politik und nur die ganze Scheiße mit | |
den Moslems.“ – „Haben Sie persönlich schlechte Erfahrungen gemacht?“ … | |
„Mit der Scheißfrage kommt ihr immer.“ – „Wissen Sie, ich komme aus | |
Duisburg, war nicht leicht da mit so vielen von weither, aber es ging.“ – | |
„Ach, auch noch aus ’m Westen … von den Klugscheißern.“ | |
„Es gibt Dinge, da verlasse ich den Raum. Meistens höflich.“ Einmal platzte | |
Bartosch allerdings der Kragen. Zuvor hatte ihn ein Patient angebrüllt, | |
dass alle Wessis an die „Wand und abgeballert“ gehörten. Bartosch wurde | |
selbst so laut, dass Schwestern auf den Flur eilten. Bartosch dürfte für | |
manchen ein ideales Feindbild abgeben – gut bezahlter Job, stabiles | |
Weltbild und, zumindest bis Corona, topfit. Dazu noch ein Sendbote aus dem | |
privilegierten Teil Deutschlands mit seinen DAX-Konzernen, seiner Dominanz | |
und, ganz aktuell, seinen angeblich so aufgeblähten Rundfunkanstalten. So | |
einer kann vom Schicksal nur begünstigt sein. | |
Gebeutelte Seelen mit DDR-Vergangenheit sollten sich allerdings nicht so | |
sicher sein. Nicht nur, dass Duisburg-Marxloh mit seinen Hochöfen, wo | |
Bartosch aufwächst, keine Postkartenidylle ist. Bartoschs älterer Bruder | |
stirbt nur wenige Stunden nach der Geburt. Und bei seinem jüngeren Bruder | |
diagnostizierten die Ärzte „Schwachsinn“. So hieß das in den sechziger | |
Jahren. Der kleine Bruder schreit, kommt von den Windeln nicht weg, kann | |
nicht sprechen und schlägt sich andauernd selbst. Irgendwann ist er fort. | |
Die Eltern, ein Pfarrerehepaar, haben ihn, als er fünf Jahre alt war, in | |
ein weit entfernt liegendes Heim abgegeben. Dort lebt er noch heute. | |
So hat Hans Bartosch beide Brüder verloren. Von einer unbeschwerten | |
Kindheit lässt sich da nicht mehr reden. Wer weiß das schon, der mit seinen | |
sichtbaren und unsichtbaren Wunden bei „Pfeiffers“ liegt. Verbinden tut es | |
trotzdem. Und die Frage, die Bartosch im Theologiestudium umtreibt, lautet: | |
Wie kann die göttliche Schöpfung geistige und psychische Behinderung | |
zulassen? Eine erschöpfende Antwort kann keiner erwarten. Hans Bartosch ist | |
jedenfalls kaum zufällig in die Krankenhausseelsorge abgebogen. | |
## In der Krise wird der Ruf nach Seelsorgern lauter | |
„Wir haben Seele im Angebot“, sagt Bartosch. „Wir können das nicht immer | |
gut“, sagt er, aber selbst Kirchenferne haben bei dem Wort Seelsorge eine | |
Vorstellung. Und es betrifft ja nicht nur das Krankenhaus. Die Zahl der | |
Anrufe bei der Telefonseelsorge sind im ersten Lockdown in die Höhe | |
geschnellt. Nach einer Beruhigung steigen sie seit November wieder, | |
Hauptthemen Einsamkeit und Angst. Und Polizisten sind dankbar, wenn ein | |
Notfallseelsorger sie begleitet, wenn sie eine Todesnachricht zu | |
überbringen haben. | |
Umso befremdlicher, dass sich die Kirche von dem Wort „Seelsorge“ | |
verabschieden will. Der Begriff „Pastoralpsychologie“ macht schon seit 1968 | |
Karriere, erzählt Bartosch. Heute ist immer öfter von Spiritual Care die | |
Rede, ein Ausdruck, der vor wenigen Jahren noch unbekannt war. Was | |
professionell und innovativ klingen soll, ist vor allem für ein | |
Gesundheitswesen kompatibel, das sich an einen multispirituellen Kunden | |
wendet, der dem Buddhismus möglicherweise mehr zutraut als der Bibel, sagt | |
Bartosch. „Da fehlt mir das Selbstbewusstsein der Kirche. Dabei stellt die | |
Coronakrise doch nur diese eine Frage: Wie steht es um unsere Seele?“ | |
Andere haben das schnell begriffen. „So wird ihre Seele stark und | |
glücklich“ – schreibt die Bild-Zeitung und gibt Tipps für eine starke | |
Abwehr in Coronazeiten. | |
Bartosch ist aufgestanden, lässt frische Luft in die Küche. Im Nebenzimmer | |
hat seine Frau, sie ist Malerin, großformatige Grafiken ausgelegt. Die | |
Entscheidung, nach Magdeburg zu wechseln, war für den Pfarrer eine Reise in | |
die Zukunft. Deutschlandweit traten 2019 270.000 Mitglieder aus der | |
evangelischen Kirche aus. So viele wie noch nie. Dazu kommen 340.000 | |
Sterbefälle. Knapp 25 Prozent sind in der Bundesrepublik heute noch | |
evangelisch, dazu kommen etwa genauso viele Katholiken. In Magdeburg ist | |
man da schon weiter. Nur noch gut 8 Prozent zählen sich hier zur | |
evangelischen Kirche, absoluter Tiefstwert für eine deutsche Großstadt. | |
## Der Arbeitsplatz | |
Am östlichen Elbufer, weit weg von Bartoschs Wohnung, erstrecken sich über | |
ein ganzes Viertel die Pfeifferschen Stiftungen, 1889 gegründet von Gustav | |
Adolf Pfeiffer. Der Pfarrer war erschrocken über die soziale Lage der | |
Arbeiter in der prosperierenden Industriestadt. Das ganze Ensemble, die | |
Häuser mit den biblischen Namen in Fraktur, wirken wie eine christliche | |
Kolonie. Berührungsängste gab es dennoch nie. | |
Zu DDR-Zeiten feixten Pastoren, dass SED-Genossen sorgsam darauf achteten, | |
bei „Pfeiffers“ eingewiesen zu werden, um sich von den christlichen Ärzten | |
und Schwestern behandeln zu lassen. Vor allem wegen der besseren | |
Diagnostik, die Technik kam schließlich aus dem Westen, aber nicht nur. | |
Auch die Motivation galt als vorbildlich. | |
Christoph Sterl kennt diese Anekdote und legt sie für die Gegenwart aus. | |
„Die Kirche ist mehr als die Institution“, sagt er. „Wir machen Arbeit, w… | |
putzen, waschen, pflegen. Das ist das Reich Gottes.“ Sterl ist hier der | |
zweite Seelsorger und kommt aus Westfalen. Auf den ersten Blick wirkt er | |
pastoraler als Bartosch. Das verliert sich schnell bei der Führung über das | |
Gelände. | |
In der Mitte das moderne Klinikum, ringsum verteilt Altenheime, Wohnheime | |
für Behinderte, Werkstätten, die Krankenpflegeschule, eine Großküche, ein | |
Hospiz für Erwachsene und noch eines für Kinder, das einzige in | |
Sachsen-Anhalt. Was viele für ein gut ausgestattetes Unternehmen im | |
Gesundheitswesen halten, ist für Sterl gelebter Glaube. Und das, obwohl | |
weniger als 40 Prozent der Beschäftigten überhaupt noch einer Kirche | |
angehören. „Selbst die Wäscherei“, Sterl deutet auf das Wirtschaftsgebäu… | |
„kann zu einem spirituellen Ort werden.“ | |
Vielleicht. Das Hospiz ist es ganz bestimmt. Bei einer Aussegnung | |
versammeln sich die Angehörigen noch einmal um den Toten. Die Seelsorger | |
feiern dieses schlichte Ritual mehrfach in der Woche – eine Kerze, ein | |
Gebet, dazu Vaterunser und Segen, ein Kreuz hängt sowieso an der Wand. Wer | |
will, könne mitbeten, hatte Bartosch erzählt. Erstaunlich viele nehmen die | |
Einladung an. Das Krankenabendmahl hingegen, einst selbstverständlich | |
Sakrament für die letzte Reise, führt ein kümmerliches Dasein. Nur einmal | |
in neun Jahren hat es jemand von Bartosch erbeten. | |
In seiner Arbeit unterscheidet sich das Kinderhospiz von dem Hospiz für | |
Erwachsene, macht Sterl klar. Während dort Palliativpatienten ein | |
friedliches Sterben ermöglicht werden soll, stehe im Kinderhospiz eher die | |
Entlastung der Familien mit ihrem schwerkranken Kind im Vordergrund. Viele | |
kommen regelmäßig für einige Wochen ins Hospiz, um sich zu erholen. Besuche | |
der Seelsorger gehören dazu. Doch wenn schon die Eltern kaum noch etwas von | |
Kirche verstehen, sind ihre Kinder Unwissende, hat es Hans Bartosch | |
beschrieben. Magdeburg ist ein Blick in die Zukunft. Trostlos stimmen muss | |
er allerdings nicht. | |
Im Kinderhospiz werde ich von Schwester L. dem 14-jährigen P. vorgestellt. | |
„Guck mal, P., das ist der Pfarrer, der besucht Dich mal.“ – „Was ist d… | |
Pfarrer?“ – „Ach, weißt Du gar nicht?“ – „Nee, was is ’n Pfarrer… | |
der so?“ – „Ich arbeite in der Kirche.“ – „Mmh.“ – „Weißt Du… | |
Kirche ist“, versucht es noch mal Schwester L. „Das Haus mit den Glocken?“ | |
– „Richtig, das Haus mit den Glocken!“ entfährt es mir glücklich. „Un… | |
reparierst Du, die Glocken, Pfarrer?“ | |
22 Dec 2020 | |
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Thomas Gerlach | |
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