| # taz.de -- Bayerische Biergarten-Spezialität: Steckerlfisch, lecker und frisch | |
| > Dank seines Wirtshauses entdeckt unser Autor kulinarische | |
| > Kindheitserinnerungen wieder. Und bereitet sie auf einem drei Meter | |
| > langen Grill selber zu. | |
| Bild: Ein Mordsdrum, wie man in Franken sagt | |
| Die kulinarische Dreifaltigkeit des bayerischen Biergartens – und hier ist | |
| Franken ausnahmsweise mitgemeint – besteht aus Radi, Riesenbrez’n und | |
| Steckerlfisch. Zumindest wenn man mich fragt, und ich hoffe, nicht nur | |
| dann. Radi ist ein in Spiralen geschnittener Rettich mit einer sehr | |
| aromatischen Schärfe. Die Riesenbrez’n ist drei- bis viermal so groß wie | |
| [1][eine normale Breze] und hat dadurch eine saftigere Krume. Beide dienen | |
| als Beilagen für den eigentlichen Star im Biergarten: [2][den | |
| Steckerlfisch], eine ganze Makrele auf einem dicken Holzstab. | |
| In meiner bayerischen Kindheit waren am Eingang der Biergärten lange, | |
| kniehohe Sandwälle aufgeschichtet, in denen die Fische an den Stöcken | |
| steckten, leicht geneigt über einer Lage Glut. Die Fische vertrockneten in | |
| der Hitze eher, als dass sie brieten. Es zischte und rauchte dennoch, weil | |
| das Fett aus den Fischen in die Glut tropfte. Der ranzige Duft des | |
| verbrennenden Öls war bis in die anliegenden Straßen zu riechen. Ach, wie | |
| ich Steckerlfisch liebte! | |
| Es gehört zum Segen, [3][ein Gasthaus im Süden zu führen], dass ich nach | |
| drei Jahrzehnten im Berliner Exil meine Kindheitsgerichte servieren kann, | |
| Holunderkücherl, Brezenknödel, Zwetschgenpavesen, Ofenschlupfer und eben | |
| auch Steckerlfisch. Anlass war ein Dorffest, und kaum hatte ich mein | |
| Ansinnen öffentlich erklärt, wurde mir ausgiebige Hilfsbereitschaft zuteil. | |
| Wie sich herausstellte, parkte vor Ort seit Jahren ein Steckerlfischgrill | |
| ungenutzt auf dem Strohboden einer Scheune. Ein Mordsdrum, wie man hier | |
| sagt, eine annähernd drei Meter lange Stahlwanne mit auf die Ränder | |
| geschweißten Rohren, in die die Fischsteckerl passen. | |
| Dann wurde ein Traktor mit Vorderschaufel organisiert und der Grill aus | |
| fünf Meter Höhe heruntergehoben. Die Schaufel leistete auch gute Dienste, | |
| um noch etwa eine halbe Tonne Sand zu besorgen. Ein hohes Sandbett in der | |
| Wanne, sagten die erfahrenen Steckerlfischmacher, sauge das Fischfett auf | |
| und es rieche dann weit appetitlicher vom Grillstand her. | |
| Ich spießte also Forellen auf, aus regionaler Zucht (die Qualität von in | |
| Deutschland erhältlichen Makrelen wäre mal einen eigenen empörten Text | |
| wert). Ich legte die Fische 24 Stunden in Salzlake, denn so bleiben sie | |
| saftiger, selbst wenn sie länger über der Glut hängen. Den Grill heizte ich | |
| nur moderat ein. | |
| Es schmeckte am Ende wirklich gut, die Fische behielten den Saft, der Sand | |
| hatte kaum was aufzusaugen. Und doch bescherte mir die Zubereitung einige | |
| Fachsimpleleien über „echten“ Steckerlfisch. Nicht trocken genug, erklärte | |
| mir ein Experte. Nicht versalzen genug, sagte ein anderer. Mir selbst | |
| fehlte vor allem eines: der typische Geruch. Beim nächsten Mal mach ich’s | |
| noch besser. | |
| 29 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jörn Kabisch | |
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