# taz.de -- Autorin über Rassismus bei der Polizei: „Eine diskrete Art der T… | |
> Wenn sie einen Schwarzen Menschen sehen, greifen Polizist*innen schnell | |
> zur Waffe, sagt Georgiana Banita. | |
Bild: Der Aufschrei, wenn jemand in Deutschland durch rassistische Polizeigewal… | |
taz: Frau Banita, warum lösen tödliche Fälle rassistischer Polizeigewalt in | |
Deutschland – anders als in den USA – kaum Diskussionen aus? | |
Georgiana Banita: In den USA sind die Opfer rassistischer Polizeigewalt oft | |
Latinos oder Afroamerikaner, die die amerikanische Staatsbürgerschaft | |
besitzen. Also Bürger mit verbrieften Rechten. [1][Das trifft auf die Opfer | |
in Deutschland nicht zu]. Es sind oft Geflüchtete, abgelehnte Asylbewerber, | |
Geduldete. Das zeigt, dass die Polizei nach wie vor eine Grenze bewacht: | |
Hier die Staatsbürger, dort die Fremden. | |
In einem Kapitel [2][Ihres Buches] geht es um tödliche Polizeigewalt bei | |
Abschiebungen. Inwiefern ist das ein Thema? | |
Im Laufe der Zeit hat sich das Vorgehen bei Abschiebungen verändert. In den | |
90ern schob man Menschen per Passagierflugzeug ab. Inzwischen ist die | |
enthumanisierende Behandlung politisch zu unbequem geworden, sodass sie nur | |
noch per Charterflug durchgeführt wird. Aber am Regelwerk hat sich nichts | |
geändert. [3][Man wird aus dem Alltag gerissen, mit einem Abschiebekommando | |
zum Flughafen gezwungen, fixiert]. Dass dabei Menschen sterben, wird als | |
Risiko akzeptiert. | |
So passiert es dem Sudanesen Amir Ageeb, laut Ihnen dem deutschen Pendant | |
zu George Floyd. | |
Er wehrte sich bei seiner Abschiebung im Flugzeug. Die Polizist*innen | |
drückten ihm einen Motorradhelm auf, bis er nicht mehr atmen konnte. Das | |
Ersticken als Tötungsmethode ist bei der Polizei weit verbreitet. Es ist | |
eine diskrete Art der Tötung. Es nimmt mehrere Minuten in Anspruch und wird | |
zum Teil beobachtet oder gefilmt, wie bei George Floyd. Bei Amir Ageeb | |
schauten Passagiere zu, bis er reglos auf den Sitzen lag. Niemand hat | |
reagiert. Polizeitötungen werden einfach so hingenommen, weil die | |
Betroffenen als sehr gefährliche Menschen inszeniert werden. | |
Dazu tragen unter anderem die Phantombilder bei, die Sie sogar im Titel des | |
Buchs erwähnen. Was ist das Problem an ihnen? | |
Sie basieren auf den subjektiven Wahrnehmungen und den Vorurteilen von | |
Zeug*innen und polizeilichen Softwaretechniker*innen. Sie sind so wenig | |
belastbar, dass man sie als Kulturbilder analysieren muss, denn sie sind | |
Ergebnisse der Erwartungen der Gesellschaft, die gewissen Phänotypen | |
Gefährlichkeit zuschreibt. | |
Also neigen Zeug*innen dazu, Gesichter von Kriminellen als „südländisch“ | |
oder „afrikanisch“ zu beschreiben? | |
Es ist wissenschaftlich belegt, dass afrikanisch geprägte Gesichter in | |
Europa und den USA verstärkt als gefährlich wahrgenommen werden. Wenn | |
solche Bilder von Kriminellen verbreitet werden, verfestigt sich die | |
Vorstellung, es gäbe eine Veranlagung von Kriminalität bei als fremd | |
gelesenen Menschen. | |
Warum werden Phantombilder noch benutzt, wenn sie kaum belastbar sind? | |
Für die Ergreifung von Straftätern sind sie nutzlos. Sie dienen eher der | |
Verbreitung der Korrelation zwischen demografischen Gruppen und krimineller | |
Gefahr. Sie sind ein politisches Machtinstrument, um eine gewisse | |
gesellschaftliche Ordnung aufrecht zu erhalten. | |
Sie sprechen in Ihrem Buch von „ballistischem Rassismus“. Was meinen Sie | |
damit? | |
Die Tendenz, die Schusswaffe als favorisierte Methode im Umgang der Polizei | |
mit schwarzen Menschen zu benutzen. Also der [4][polizeiliche Instinkt, zur | |
Schusswaffe zu greifen], wenn man mit einem Schwarzem Menschen konfrontiert | |
wird. In den USA geht das auf die Angst vor der Rache Schwarzer Menschen | |
zurück, die von der Sklaverei traumatisiert sind. Man sieht einen Schwarzen | |
und geht davon aus: Er ist bewaffnet – nicht nur mit Munition, auch mit | |
Wut. | |
Phantombilder – eine kulturhistorische Analyse von Polizeigewalt. | |
Erschienen in Hamburg, Edition Nautilus, 480 S., 24 Euro | |
6 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Tod-im-Polizeigewahrsam/!5933222 | |
[2] https://edition-nautilus.de/programm/phantombilder/ | |
[3] /Abschiebung-aus-Sachsen/!5924987 | |
[4] /Polizeiexperte-ueber-Umgang-mit-psychisch-Kranken/!5880681 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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