# taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Sorgen, entsorgen, endlos sorgen | |
> Anna Zett sieht eine Mülldeponie aus DDR-Zeiten als Spiegel | |
> gesellschaftlicher Verwertungsprozesse nach der Wende. Die taz sprach mit | |
> der Künstlerin. | |
Bild: Oben „Utopie I“, unten „Deponie II“, nicht zu sehen „Freiheit I… | |
Freiheit ist dreißig Jahre nach der Wende ein ambivalentes Wort. In | |
Bitterfeld erhält der Begriff bis heute eine zynische Bedeutung. Die | |
DDR-Regierung kippte dort auf einer Deponie mit dem Namen „Freiheit III“ | |
über Jahrzehnte hochgiftigen Müll ab, unter anderem importiert aus | |
Westdeutschland. | |
Eine doppelwertige Sprache dreht sich bis heute um diesen Ort, dessen | |
Innenleben zu DDR-Zeiten geheim bleiben und der dann doch zum Schauplatz | |
von Umweltaktivisten werden sollte. Anna Zett sieht in ihrer Installation | |
„Deponie II“ in der Zionskirche Sprache und Ort von Bitterfeld als Spiegel | |
für die gesellschaftlichen Verwertungsprozesse nach der Wende. | |
Denn wie der Müll, musste vor dreißig Jahren gleich der ganze DDR-Staat | |
entsorgt werden. Doch in der durchverwerteten Schlacke, die als Leitmotiv | |
im Video, auf dem von der Empore hängenden Banner und in Zetts | |
Betonobjekten auftaucht, bleibt der Müll in kleinsten Partikeln erhalten. | |
„Die Sorge hört nie auf, es kann gar nicht endgültig entsorgt werden“, | |
erklärt der heutige Direktor der Deponieanlage „Freiheit III“ im Video. | |
Zett überblendet seine Autofahrten durch die mittlerweile künstlich-ruhige | |
Seenlandschaft der Anlage mit historischem Material von damaligen | |
DDR-Umweltaktivisten, für die auch die Zionskirche ein zentraler Treffpunkt | |
war. Freiheit ist letztlich der Begriff, für den sich die Aktivisten damals | |
einsetzten. Doch wie man im Video verfolgen kann, mussten einige von ihnen | |
ihre Deutung des Begriffs nach der Wende auch auf der gesellschaftlichen | |
Deponie ablegen. | |
Einblick 782: Anna Zett (Künstlerin) | |
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? | |
Und warum? | |
Anna Zett: Ostalgie von Henrike Naumann im KOW. Einerseits aktivieren ihre | |
Installationen bei mir persönliche Erinnerungen, die kaum kommunizierbar | |
sind, oder es bisher waren aufgrund der Dominanz westlicher Perspektiven in | |
der deutschen Öffentlichkeit und in der internationalen Kunstszene. | |
Andererseits bin ich fasziniert davon, wie viel kreative oder vielleicht | |
sogar magische Energie dadurch freigesetzt werden kann, dass aggressive | |
Gefühle auf Einrichtungsgegenstände projiziert werden. | |
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen? | |
Wenn ich mich in einem Klub oder Konzert wiederfinde, überrascht mich das | |
eher. Das letzte Mal bis zum Morgengrauen getanzt habe ich zufällig vor | |
zwei Wochen bei Bodysnatch im Monarch, eine kleine Tanzparty mit guten DJs, | |
ohne Egohype und ohne rituelle Selbstauflösung. | |
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit | |
durch den Alltag? | |
Zeitschriften/Magazine lese ich immer nur in Wartezimmern und dieses Jahr | |
bin ich dort noch nicht so oft gewesen. Das Buch, das ich gerade lese, ist | |
auch kein Geheimtipp: „Motherhood“ von Sheila Heti. Es begleitet mich aber | |
nicht wirklich durch den Alltag. Vielleicht habe ich keinen Alltag. | |
Was ist dein nächstes Projekt? | |
Im Herbst wird ein Buch von mir veröffentlicht. Ich sitze gerade noch an | |
den letzten Edits, zusammen mit den Verlegerinnen von Divided, einem neu | |
gegründeten feministischen Verlag in London. Sein Titel ist „Artificial Gut | |
Feeling“. Es versammelt semi-narrative Texte, die sich weitesten Sinne mit | |
Widerstand auseinandersetzen. | |
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten | |
Freude? | |
Zustände sind mir wichtiger als Gegenstände. Freude machen mir Umgebungen, | |
in denen ich körperlich sensibel sein kann. | |
25 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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