# taz.de -- Ausschreitungen in den USA: Neuer Marsch auf Washington | |
> Es ist tragisch, dass bei den US-Protesten gegen Rassismus die | |
> Gewaltfrage das Anliegen zu überlagern droht. Die Bewegung muss eine | |
> Antwort finden. | |
Bild: Feuerwerkskörper bei Demonstration In New York City | |
Donald Trump schafft es, wieder einmal. Seine provozierende, aggressive | |
Rhetorik bewirkt, dass sich die Diskussion in den USA zumindest teilweise | |
von struktureller Gewalt und Rassismus weg und hin zur Bewertung der | |
Ausschreitungen während der Proteste verlagert. Ein schöner Erfolg – aus | |
Sicht des US-Präsidenten. Er kann die Reihen seiner Anhänger schließen. | |
[1][Wer auf die Straße geht], wird ihn im November ohnehin nicht wählen. | |
Trump hat kein Interesse daran, dass sich die US-Gesellschaft auf Reformen | |
verständigt. Sein Erfolg beruht auf der Spaltung der Nation. Etwas Besseres | |
als die Gewalttaten während der Demonstrationen hätte ihm kaum passieren | |
können. | |
In Deutschland ist der Mechanismus vertraut. Es gibt hier seit dem Ende des | |
Zweiten Weltkriegs eine eindrucksvolle Geschichte friedlicher | |
Massenproteste. Aber immer wieder hat eine winzige, gewaltbereite | |
Minderheit denen in die Hände gespielt, die sich inhaltlich mit den | |
jeweiligen Anliegen der Demonstranten gar nicht auseinandersetzen wollten. | |
Stets standen plötzlich die Protestierenden unter dem Druck, sich von | |
Gewalt distanzieren zu müssen. Bis sie das getan hatten, war die Sendezeit | |
immer schon vorbei. | |
Genau das droht derzeit in den USA, wie ein Blick in die sozialen Medien | |
beweist. Möglich, dass Agents Provocateurs für einige Ausschreitungen | |
verantwortlich sind. Wahrscheinlicher ist, dass junge, | |
testosterongesteuerte Männer, die sich ihr Leben lang wehrlos gefühlt | |
haben, es nun einfach nett finden, Autos brennen und [2][Geschäfte | |
geplündert] zu sehen. | |
Verständlich. Und in den Auswirkungen fatal. Rassismus ist keine Erfindung | |
von Trump und sogar mit gutem Willen nur schwer zu bekämpfen. Zumal derlei | |
Denkmuster sich oft unbemerkt und unbewusst einnisten. Kaum jemand hält | |
sich selbst für rassistisch, womöglich nicht einmal der Polizist, der für | |
den Tod von George Floyd verantwortlich ist. Ohne die allseitige | |
Bereitschaft, einander zuzuhören und viel guten Willen aufzubringen, sind | |
Veränderungen gerade in diesem, auch in psychologischer Hinsicht sensiblen | |
Bereich nicht durchsetzbar. | |
Es ist tragisch, dass jetzt auch in den USA die Gewaltfrage das inhaltliche | |
Anliegen zu überlagern droht. Der „Marsch auf Washington“ 1963 mit der | |
berühmten Rede von Martin Luther King ist das vielleicht eindrucksvollste | |
Beispiel der Geschichte für wirkmächtigen Massenprotest. Vielleicht, ja, | |
vielleicht ließe sich etwas Vergleichbares in der gegenwärtigen Situation | |
erreichen – aber nur, wenn die Protestbewegung eine überzeugende Antwort | |
auf Gewalt in den eigenen Reihen findet. Sie ist damit auf sich allein | |
gestellt. Ihr mächtigster Feind sitzt im Weißen Haus. | |
3 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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