| # taz.de -- Auslieferung aus Schweden in die Türkei: Folge des Nato-Deals? | |
| > Schweden liefert wohl nach Ankara aus. Zum ersten Mal, seitdem der | |
| > türkische Präsident Erdogan dem Nato-Deal mit Schweden und Finnland | |
| > zugestimmt hat. | |
| Bild: Die schwedische Ministerpräsidentin Andersson trifft den türkischen Pr�… | |
| Stockholm taz | Die schwedische Regierung hat am Donnerstag der Abschiebung | |
| eines türkischen Staatsbürgers in die Türkei zugestimmt, dessen | |
| Auslieferung der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Streit um den | |
| NATO-Beitritt des Landes gefordert hat. Es ist der erste öffentlich bekannt | |
| gewordene derartige Fall seit dem NATO-Beitrittsgesuch Schwedens und | |
| Finnlands im Juni. | |
| Die Türkei hatte eine [1][Zustimmung zu diesem Gesuch] davon abhängig | |
| gemacht, dass beide Länder ihre angebliche Unterstützung von | |
| „Terrororganisationen“ beenden und in diesem Zusammenhang eine Liste mit | |
| Personen erstellt, deren Auslieferung man fordert. | |
| Okan Kale, wie der 35-jährige Mann laut schwedischer Gerichtsakten heißt, | |
| steht auf dieser Liste. Allerdings nach Informationen der schwedischen | |
| Nachrichtenagentur TT nicht unter der Rubrik „Terroristische Verbrechen“, | |
| sondern unter „Andere Verbrechen“. Als Grund der Auslieferung wird die | |
| Verbüßung von Haftstrafen wegen mehrfachem Kreditkartenbetrug in den Jahren | |
| 2010 und 2011 genannt. Letztinstanzlich war er in der Türkei in seiner | |
| Abwesenheit 2013 zu einer Haftstrafe von 4 Jahren und 2 Monaten und 2016 zu | |
| einer weiteren Strafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. | |
| Kale hatte 2011 in Schweden einen Asylantrag gestellt und diesen damit | |
| begründet, dass die gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren wegen Betrug | |
| fehlerhaft seien: Diese seien nur ein Vorwand, in Wirklichkeit werde er | |
| politisch verfolgt, weil er vom Islam zum Christentum konvertiert sei und | |
| den Militärdienst verweigert habe. Sein Asylantrag war im Juni 2012 | |
| abgelehnt und eine Abschiebung in die Türkei angeordnet worden. Dieser | |
| Abschiebung kam er zuvor und stellte in Italien einen erneuten Asylantrag. | |
| Er erhielt dort eine Aufenthaltserlaubnis und heiratete eine schwedische | |
| Frau, mit der er anschließend wieder nach Schweden zog. 2016 erhielt er | |
| aufgrund dieser Ehe in Schweden ein Bleiberecht. | |
| ## Internationaler Haftbefehl bereits im Oktober 2021 | |
| Im Oktober 2021 wurde den schwedischen Behörden über Interpol ein | |
| internationaler Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Muğla in der | |
| Südwesttürkei zusammen mit einem Auslieferungsbegehren zugestellt. Im | |
| Dezember – also lange bevor über einen NATO-Beitritt Schwedens auch nur | |
| diskutiert wurde – wurde Kale verhaftet und war seither inhaftiert. Ein von | |
| ihm aufgrund der [2][EU-„Qualifikationsrichtlinie“] gestellter Schutzantrag | |
| wurde von der Ausländerbehörde verworfen. Am 25. Juli entschied „Högsta | |
| Domstolen“ – das insoweit zuständige oberste Gericht Schwedens – dass ei… | |
| Auslieferung in die Türkei keine Hindernisse entgegenstehen. Es gebe keine | |
| Hinweise auf das Risiko einer möglicherweise drohenden Verfolgung aus | |
| politischen Gründen. | |
| Schwedens Justiz- und Innenminister [3][Morgan Johansson] bezeichnete den | |
| Fall als „reinen Routinefall“. Die Regierung sehe keinen Grund, eine | |
| Abschiebung zu stoppen. Der Mann sei türkischer, nicht schwedischer | |
| Staatsbürger, „der Högsta Domstolen hat diese Frage geprüft und | |
| festgestellt, dass es keine Hindernisse für eine Ausweisung zur Verbüßung | |
| der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe gibt“. | |
| Kales Rechtsanwältin Camilla Wester bedauerte den Beschluss: „Ich halte | |
| eine Auslieferung für unverhältnismäßig.“ | |
| 12 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Nato-Einigung-mit-der-Tuerkei/!5861159 | |
| [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A32011L0095… | |
| [3] https://www.government.se/government-of-sweden/ministry-of-justice/morgan-j… | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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