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# taz.de -- Anti-Maidan-Proteste in der Ukraine: Frieren für 20 Euro
> In Kiew haben Anhänger von Präsident Janukowitsch ihre Zelte
> aufgeschlagen. Für ihren Einsatz auf dem „Anti-Maidan“ werden sie
> bezahlt.
Bild: „Stopp Maidan“: Janukowitsch-Unterstützerin in Kiew.
KIEW taz | Mitten im Kiewer Regierungsviertel schallt ukrainische
Volksmusik aus großen olivgrünen Zelten. Hier im Marinskij-Park treffen
sich die Anhänger von Präsident Wiktor Janukowitsch zum „Anti-Maidan“. Wie
viele Menschen sich in den Zelten aufhalten, lässt sich von außen nicht
genau erkennen. Ein Zaun aus Metallbrettern und Polizisten der
Sondereinheit „Berkut“ auf der anderen Seite dieses Zaunes machen deutlich,
dass man es wohl eher mit einer geschlossenen Veranstaltung zu tun hat.
Herein darf hier nur, wer angemeldet ist.
Erst nach einer längeren Auseinandersetzung mit der Einlasskontrolle
gelingt es einer älteren Dame, ohne Anmeldung auf das Gelände zu gelangen.
Sie könne das Chaos, das vom Maidan ausgehe, nicht mehr länger ertragen.
Sie sei fassungslos, dass man jetzt schon mit Gewalt auf Polizisten
losgehe. Unter Präsident Janukowitsch sei doch ein gewisses Maß an
Stabilität erreicht worden. Die dürfe man doch nicht einfach so aufs Spiel
setzen, sagt sie.
Igor aus Odessa, der vor dem Zaun auf Freunde aus seiner Heimatstadt
wartet, lächelt. „Die Frau hat es eben kaum geschafft reinzukommen, und
mich wollten sie gestern nicht rauslassen. Wenn man 250 Griwna (umgerechnet
rund 20 Euro) am Tag für das Demonstrieren erhält, kann man auch nicht
einfach gehen, wann man Lust hat. Ich bin gestern aber trotzdem früher
gegangen, bin einfach über den Zaun geklettert.“
Er sei im Zug von Odessa nach Kiew gefahren, weil er die 250 Griwna
wirklich brauche, aber jeden Tag könne er auch nicht protestieren. Deswegen
habe er sich heute einen demonstrationsfreien Tag genommen und warte hier
nur noch auf seine Frau. Die nächsten Tage werde er aber wieder dabei sein
auf dem Anti-Maidan.
## Sonderzug aus dem Osten
Um 15 Uhr ist es dann endlich so weit. Geduldig wartet eine Kolonne von
hundert Menschen bei eisigen Temperaturen vor dem Ausgang, um das Gelände
verlassen zu dürfen. Nach einer halben Stunde öffnet sich für die
Demonstranten die Absperrung. Keiner von ihnen hatte es gewagt, einfach
über den Zaun zu klettern.
Die Polizisten sind angehalten, nicht mit den vor dem Zaun Wartenden zu
reden. Ein Polizist, der dies trotzdem tut, wird sofort von seinem
Vorgesetzten aufgefordert, vom Zaun zurückzutreten. Auch die wenigen
Demonstranten, die sich gemeinsam in Zaunnähe mit den Polizisten an einem
Feuer wärmen, gehen Gesprächen aus dem Weg.
Am Vorabend hatten ukrainische Fernsehkanäle ausführlich über die Ankunft
des Sonderzuges aus dem Osten des Landes berichtet, der
Janukowitsch-Anhänger nach Kiew brachte, um für den angeschlagenen
Präsidenten Unterstützung zu demonstrieren. Bevor es in die Innenstadt
ging, wurden die Demonstranten noch mit druckfrischen blauen Fahnen
versorgt. Befragt, warum er sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht
habe, hatte ein 14 Jahre alter Schüler erklärt, dass er 40 Euro für die
Teilnahme an der Reise erhalten habe.
„Es sind wirklich nur ganz wenige, die aus Überzeugung für Janukowitsch auf
die Straße gehen“, erklärt Igor aus Odessa. „Wer dies tut, tut dies aus
Furcht vor Veränderung und einer Verbundenheit mit Russland heraus.“
29 Jan 2014
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine
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Vitali Klitschko
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