| # taz.de -- Anti-Apartheids-Aktivistin erhält Auszeichnung: Südafrika ehrt Ru… | |
| > Die Aktivistin und Autorin wird für ihren „Beitrag zum Befreiungskampf“ | |
| > gegen die Apartheid ausgezeichnet. Unser Autor kennt Ruth Weiss | |
| > persönlich. | |
| Bild: Ruth Weiss 27. Januar im Landtag von Nordrhein-Westfalen während einer G… | |
| Kapstadt taz | Jedes Jahr am 28. April erinnert Südafrika am Freedom Day, | |
| einem nationalen Feiertag, an die ersten freien Wahlen im Land – 1994 | |
| fanden diese statt, und entgegen vieler Ängste verliefen sie friedlich. Die | |
| Bilder von den langen Schlangen wartender Menschen aller Hautfarben vor den | |
| Wahlbüros gelten als Zeugnisse der Geburtsstunde eines demokratischen | |
| Südafrika. Wenig später, am 10. Mai 1994, wurde Nelson Mandela, damals 75 | |
| Jahre alt, in sein Amt als Präsident eingeführt. | |
| Am Freedom Day 2023 wurde Ruth Weiss – im hohen Alter von 98 Jahren – die | |
| wichtigste Auszeichnung verliehen, die das Land an Ausländer*innen zu | |
| vergeben hat: Den „Orden der Gefährten von OR Tambo“. Oliver R. Tambo war | |
| von 1967 bis 1991 Präsident des lange verbotenen [1][African National | |
| Congress (ANC)], und harrte lange im Exil aus. | |
| Um diese Ehrung entgegenzunehmen, flog Ruth Weiss gemeinsam mit ihrem Sohn | |
| aus ihrer heutigen Heimat Dänemark ins südafrikanische Pretoria. Während | |
| der Verleihung verließ Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa in einer | |
| spontanen Geste das Podium, um ihr – die es mit ihrem Rollator nicht | |
| betreten konnte – entgegen zu kommen. Zum Grund der Ehrung hieß es: Ihr | |
| „Beitrag zum Befreiungskampf – ihre zahlreichen Schriften brachten die | |
| Ungerechtigkeiten in Südafrika ans Tageslicht. Sie war eine Quelle des | |
| Wissens für andere Journalist*innen und Aktivist*innen“. | |
| Kurz vor ihrer Reise nach Pretoria schrieb Weiss nahen Freund*innen: „Das | |
| ist eine völlig unerwartete Überraschung!“ Und: „Ich denke nicht, dass ich | |
| das verdient habe. Ich saß nicht wie meine vom Geheimdienst ermordete | |
| Freundin Ruth First 180 Tage in einem Gefängnis und wurde nicht wie Albie | |
| Sachs in die Luft gesprengt. Ich war auch nicht wie [2][Denis Goldberg] 22 | |
| Jahre im Gefängnis. Ich war nur eine von vielen, die ihren kleinen Teil zum | |
| Ende der Apartheid beigetragen haben.“ | |
| ## Welche Rolle spielte Weiss im Kampf gegen die Apartheid? | |
| Ruth Weiss, geboren 1924 im bayerischen Fürth in eine [3][jüdische | |
| Familie], konnte mit den Eltern 1936 nach Südafrika fliehen. Schon früh | |
| empfand sie die Benachteiligung von Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe in | |
| ihrer neuen Heimat als „schrecklich ungerecht“. Als junge Journalistin | |
| schrieb sie gegen die Politik der Apartheid an, wobei die Konsequenzen | |
| nicht lange auf sich warten ließen: Ab 1966 wurde sie zur „unerwünschten | |
| Person“ erklärt und durfte nach einem längeren Arbeitsaufenthalt in Sambia | |
| nicht mehr nach Südafrika zurückkehren. | |
| So blieb sie zunächst länger in [4][Sambia], freundete sich mit Präsident | |
| Kenneth Kaunda an und hielt nahen Kontakt mit der südafrikanischen | |
| Schriftstellerin Nadine Gordimer, der 1991 der Literatur-Nobelpreis | |
| verliehen wurde. Nach der Unabhängigkeit Simbabwes ab 1980 arbeitete sie | |
| zunächst in der dortigen Hauptstadt Harare. | |
| Später fand sie Arbeit als Journalistin in England sowie in Deutschland, wo | |
| sie drei Jahre lang Leiterin der Afrika-Redaktion der Deutschen Welle in | |
| Köln war. Südafrika durfte sie erst 1990 wieder besuchen. Im Jahr 2010 | |
| wurde eine Realschule in Aschaffenburg nach ihr benannt und 2014 erhielt | |
| sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Ihr abenteuerliches und mutiges | |
| Leben ist auch nachzulesen in ihrer Autobiografie „Wege im harten Gras“. | |
| Die nach ihr benannte Ruth-Weiss-Gesellschaft setzt sich für Toleranz und | |
| den Kampf gegen Rassismus ein. | |
| Ich hatte das Privileg, sie persönlich erstmals 2005 kennenlernen zu | |
| dürfen. Damals kam sie – unangemeldet, ganz bodenständig – zu einer | |
| Schullesung, die ich in Münster veranstaltete. Sie hörte lange zu, | |
| interessierte sich für die Fragen der Schüler und Schülerinnen, bevor sie | |
| sich zum ersten Mal meldete und mit warmer, leiser Stimme zu mir sagte: | |
| „Ich bin Ruth Weiss und wollte Sie mal persönlich treffen“. | |
| ## Einsatz endlich gewürdigt | |
| Seitdem stehen wir in regelmäßiger freundschaftlicher Kommunikation, sie | |
| besuchte mehrfach unser Haus für benachteiligte Kinder, das wir vor vielen | |
| Jahren mit engagierten Erzieher*innen in einem Township bei Kapstadt | |
| gegründet hatten, und schrieb Beiträge für gemeinsame Bücher. Zuletzt | |
| gehörte sie zu den Erstunterzeichner*innen einer Petition an den | |
| Bundestag, die dafür war, in der Gedenkstunde zum Holocaust auch den | |
| Angehörigen sexueller Minderheiten als Opfer des Nationalsozialismus zu | |
| gedenken – was 2023 zum ersten Mal geschah. Sie selbst sprach an dem Tag im | |
| NRW Landtag in Düsseldorf. | |
| Nun wurde ihr lebenslanger Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden endlich | |
| auch in dem Land anerkannt und geehrt, aus dem sie 1966, vor 57 Jahren, | |
| ausgewiesen wurde. | |
| 4 May 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /100-Jahre-African-National-Congress/!5103606 | |
| [2] https://www.dw.com/de/denis-goldberg-freiheitsk%C3%A4mpfer-kommunist-mensch… | |
| [3] /Antizionismus-und-Antisemitismus/!5927531 | |
| [4] /Kriminalitaet-gegen-Kinder/!5926689 | |
| ## AUTOREN | |
| Lutz van Dijk | |
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