| # taz.de -- Angela Merkel an Harvard-Universität: Für humanistische Haltung g… | |
| > Harvard hat Merkel die Ehrendoktorwürde verliehen. Die Kanzlerin | |
| > kritisierte in ihrer Rede Mauern und Protektionismus und erhielt tosenden | |
| > Beifall. | |
| Bild: Ist schon promoviert, bekam jetzt aber einen Harvard-Doktortitel dazu: An… | |
| Cambridge dpa | In einer emotionalen Rede an der US-Eliteuniversität | |
| Harvard hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für internationale Zusammenarbeit | |
| und gegenseitigen Respekt geworben – und sich scharf von US-Präsident | |
| Donald Trump abgegrenzt. „Veränderungen zum Guten sind möglich, wenn wir | |
| sie gemeinsam angehen“, sagte Merkel am Donnerstag bei ihrer immer wieder | |
| von langem Beifall und Jubel unterbrochenen Ansprache vor Absolventen der | |
| renommierten Hochschule. „In Alleingängen wird das nicht gelingen.“ | |
| Merkel rief dazu auf, Mauern in den Köpfen einzureißen, Ignoranz und | |
| Engstirnigkeit zu bekämpfen, Demokratie und Freiheit zu verteidigen und | |
| sorgsam mit der Wahrheit umzugehen. Dann sei alles möglich. Auch wenn | |
| Merkel Trump kein einziges Mal erwähnte, wirkte ihre Rede wie eine | |
| Abrechnung mit der Politik des US-Präsidenten. | |
| „Mehr denn je müssen wir multilateral statt unilateral denken und handeln“, | |
| sagte Merkel unter dem Jubel von rund 20.000 Absolventen, Angehörigen und | |
| Professoren. Gehandelt werden müsse global statt national, weltoffen statt | |
| isolationistisch, „gemeinsam statt alleine“. Protektionismus und | |
| Handelskonflikte gefährdeten den freien Welthandel und damit die Grundlage | |
| des Wohlstands. Und der Klimawandel bedrohe die natürlichen | |
| Lebensgrundlagen. Man müsse alles Menschenmögliche tun, um dieses Problem | |
| in den Griff zu bekommen. „Noch ist das möglich, doch dazu muss jeder | |
| seinen Beitrag leisten.“ | |
| Trump verfolgt seit seinem Amtsantritt 2017 den strengen Kurs „Amerika | |
| zuerst“. Für ihn haben nationale Interessen Vorrang vor einer globalen | |
| Weltordnung. Trump verkündete den Ausstieg der USA aus diversen | |
| internationalen Abkommen, darunter das Pariser Klimaabkommen. Der | |
| US-Präsidente startete diverse erbitterte Handelskonflikte, unter anderem | |
| mit China. Den Klimawandel sieht er nicht als Problem. Mit vielen | |
| internationalen Partnern liegt er im Clinch. Auch und gerade die Beziehung | |
| zwischen Deutschland und den USA hat seit Trumps Amtsantritt sehr gelitten. | |
| Seine Kritiker werfen Trump außerdem vor, Zwietracht zu säen, die | |
| gesellschaftliche Spaltung in den USA zu vertiefen und impulsgetrieben | |
| Weltpolitik zu betreiben. Berüchtigt ist er für ein besonderes Verhältnis | |
| zur Wahrheit: Die [1][Faktenchecker der Washington Post ] haben seit seinem | |
| Amtsantritt Anfang 2017 mehr als 10.000 falsche oder irreführende | |
| Behauptungen des US-Präsidenten gezählt. Den Medien wirft er systematisch | |
| lügnerische Berichterstattung vor. | |
| Merkel mahnte, es sei möglich, Antworten auf die schwierigen Fragen der | |
| heutigen Zeit zu finden, „wenn wir Respekt vor der Geschichte, der | |
| Tradition, der Religion und der Identität anderer haben, wenn wir fest zu | |
| unseren unveräußerlichen Werten stehen und danach handeln und wenn wir bei | |
| allem Entscheidungsdruck nicht immer unseren ersten Impulsen folgen, | |
| sondern zwischendurch einen Moment innehalten, schweigen, nachdenken, Pause | |
| machen.“ Dafür brauche es Mut und Wahrhaftigkeit gegenüber anderen und sich | |
| selbst, mahnte sie und betonte auch: „Dazu gehört, dass wir Lügen nicht | |
| Wahrheiten nennen und Wahrheiten nicht Lügen.“ | |
| Merkel rief zu Zuversicht auf: „Mauern können einstürzen.“ Es sei möglic… | |
| Diktaturen zu beseitigen, die Erderwärmung zu stoppen, den Hunger auf der | |
| Welt zu besiegen, Krankheiten auszurotten, Fluchtursachen zu bekämpfen und | |
| den Menschen – insbesondere Mädchen – Zugang zu Bildung zu geben. „Das | |
| alles können wir schaffen“, sagte sie und mahnte: „Überraschen wir uns | |
| damit, was möglich ist. Überraschen wir uns damit, was wir können.“ | |
| ## Der Fall der Mauer | |
| Vor Tausenden Zuhörern erzählte Merkel auch von ihrer Vergangenheit in der | |
| DDR. Die Berliner Mauer habe ihr Leben als junge Frau damals sehr | |
| eingeschränkt, ihr aber nie ihre Träume und Sehnsüchte nehmen können. Mit | |
| dem Fall der Mauer habe sich damals auch für sie eine Tür in eine neue | |
| Zukunft geöffnet. „Was festgefügt und unveränderlich scheint, das kann sich | |
| ändern“, betonte sie. | |
| Nichts sei aber selbstverständlich, sagte die Kanzlerin: Demokratie nicht, | |
| Frieden nicht, Wohlstand nicht. „Aber wenn wir die Mauern, die uns | |
| einengen, einreißen, wenn wir ins Offene gehen und Neuanfänge wagen, dann | |
| ist alles möglich.“ Sie appellierte – zum Schluss auf Englisch – an die | |
| Absolventen: „Reißen Sie die Mauern von Ignoranz und Engstirnigkeit ein, | |
| denn nichts muss so bleiben, wie es ist.“ | |
| Mauern haben mit Blick auf Trump eine besondere Bedeutung. Der Bau einer | |
| [2][Mauer an der Grenze zu Mexiko] ist eines seiner Kernanliegen. Er hatte | |
| dies schon im Wahlkampf versprochen und das Vorhaben in den Mittelpunkt | |
| seiner Politik gestellt, um illegale Einwanderer aufzuhalten und | |
| Drogenschmuggel einzudämmen. Merkel wiederum kritisierte er mehrfach für | |
| deren Migrationspolitik. | |
| Die Harvard-Universität verlieh der promovierten Physikerin Merkel bei | |
| ihrem Besuch auch die Ehrendoktorwürde. Explizit lobte die Hochschule unter | |
| anderem Merkels Slogan „Wir schaffen das“ in der Flüchtlingskrise, der ihr | |
| in Deutschland viel Kritik eingebracht hatte. Merkels Entscheidung, in | |
| großer Zahl Migranten und Flüchtlinge ins Land zu lassen, habe ihren Willen | |
| gezeigt, für das einzustehen, was sie für richtig halte – auch wenn dies | |
| unpopulär sei. | |
| Zu einem Treffen mit Trump kam es bei Merkels Kurzbesuch in den USA nicht. | |
| Nach Angaben eines deutschen Regierungssprechers hatte die US-Seite | |
| frühzeitig mitgeteilt, dass der Präsident an diesem Tag nicht in Washington | |
| sein werde. Trump sprach am Donnerstag ebenfalls vor Absolventen, | |
| allerdings etwa 3.000 Kilometer von der Universität Harvard entfernt, an | |
| der US Air Force Academy im US-Bundesstaat Colorado. Auch dort gab er seine | |
| zentrale Losung aus: Amerika komme in seiner Administration immer zuerst. | |
| 31 May 2019 | |
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| [1] https://www.washingtonpost.com/graphics/politics/trump-claims-database/?utm… | |
| [2] /Mauerbau-an-der-US-Grenze/!5586040 | |
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