# taz.de -- Amerikanische Außenpolitik: Der Blick geht gen Osten | |
> Der russische Angriffskrieg lenkt den außenpolitischen Fokus der USA auf | |
> Europa. Langfristig wird Asien aber eine wichtigere Rolle spielen. | |
Bild: Flugschau in Singapur | |
WASHINGTON taz | Mit dem Beginn des Ukrainekriegs ist Europa schlagartig | |
zurück in den zentralen Fokus der außen- und sicherheitspolitischen Debatte | |
in den USA gerückt. Langfristig, da sind sich Expert*innen einig, bleibt | |
dennoch der indopazifische Raum und vor allem China der strategische Dreh- | |
und Angelpunkt. | |
Solange Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortsetzt, wird | |
Washington die Regierung in Kiew weiter finanziell und militärisch | |
unterstützen. Am Mittwoch kündigte US-Präsident Joe Biden bei einem Treffen | |
mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Madrid auch eine weitere | |
Verstärkung der US-Truppenpräsenz in Europa an, vor allem an der Ostflanke | |
der Nato. | |
So sollten in Polen „die ersten permanenten US-Truppen an der Ostflanke der | |
Nato“ stationiert werden. Auch in Rumänien und in den baltischen Staaten | |
würden die US-Truppen verstärkt, in Deutschland und Italien zusätzliche | |
Kräfte zur Luftverteidigung stationiert und in Spanien die Zahl der | |
US-Zerstörer von vier auf sechs erhöht. | |
„Die Biden-Regierung ist die mit Abstand Europa- und Nato-freundlichste | |
US-Regierung der vergangenen Jahrzehnte. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine | |
steht die Europapolitik derzeit im Vordergrund“, sagt Rachel Rizzo, | |
Expertin für transatlantische Beziehungen am [1][Atlantic Council], einem | |
Thinktank in Washington. Langfristig liege der strategische Fokus jedoch | |
auf dem indopazifischen Raum, sagt Rizzo im Gespräch mit der taz. | |
Die strategische Neuausrichtung der USA, weg von Europa und hin zu Asien, | |
nahm während der Amtszeit des früheren US-Präsidenten Barack Obama an Fahrt | |
auf. [2][Obama war der Überzeugung], dass die Regierung seines Vorgängers | |
George W. Bush dem asiatischen Raum zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte | |
und es dadurch Peking erlaubte, seinen politischen, wirtschaftlichen und | |
militärischen Einfluss in der Region immer weiter zu vergrößern. | |
Kein Strategiewechsel | |
„Es ist China in kürzester Zeit gelungen, zu einem der größten und | |
wichtigsten technologischen, wirtschaftlichen und politischen Akteure der | |
Welt aufzusteigen. Die Verlagerung der US-amerikanischen Außen- und | |
Sicherheitspolitik auf den indopazifischen Raum war deshalb ein strategisch | |
bedeutender Schritt, um dieser Realität zu entgegnen“, sagt Rizzo. Die | |
aktuelle Situation in der Ukraine habe an dieser Realität nichts verändert | |
und stellt deshalb keinen Strategiewechsel dar. | |
Allerdings habe der Krieg verdeutlicht, wie wichtig eine funktionierende | |
transatlantische Kooperation ist, um Stabilität und Frieden zu sichern. | |
Sicherheitspolitische Fehler im Umgang mit Russland und Wladimir Putin, die | |
in der Vergangenheit auf beiden Seiten des Atlantiks begangen worden waren, | |
ermöglichten es Moskau erst, eine Militäroffensive gegen die Ukraine zu | |
starten. | |
Die Erwartungen der USA an ihre europäischen Partner und insbesondere | |
Deutschland sind andere als früher. In Washington erwartet man, dass Berlin | |
eine aktive Führungsrolle einnimmt. „[3][Eine historische Rede] im | |
Bundestag zu geben, ist die eine Sache. Innerhalb der deutschen | |
Regierungsstrukturen zusammenzuarbeiten und Jahre der fehlgeschlagenen | |
Politik über den Haufen zu werfen eine ganz andere“, sagt Rizzo mit Blick | |
auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sie geht davon aus, dass Washington | |
diese Gelegenheit nutzen wird, um seine europäischen Verbündeten dazu zu | |
drängen, mehr für Verteidigung und Sicherheit auszugeben. | |
Denn die angespannte Situation zwischen Taiwan und China könnte bei einer | |
Eskalation zum nächsten Schauplatz eines internationalen Konfliktes werden. | |
So ist man in der Nato besorgt, dass China, motiviert von der russischen | |
Invasion der Ukraine, Taiwan angreifen könnte. Im Falle einer solchen | |
Invasion könnte eine starke transatlantische Zusammenarbeit sich als | |
äußerst hilfreich erweisen. Europa und die USA brauchen einander, um gegen | |
China bestehen zu können – egal ob wirtschaftlich, militärisch oder | |
politisch. | |
30 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.atlanticcouncil.org/ | |
[2] /Kommentar-Obamas-Asien-Politik/!5304722 | |
[3] /Zeitenwende-von-Kanzler-Scholz/!5845311 | |
## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
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