| # taz.de -- Aktionstag zum Wahlrecht für alle: Die Vielen ohne Stimme | |
| > Das Wahlrecht ist an die Staatsbürgerschaft gebunden. Das schließt in | |
| > Deutschland knapp 10 Millionen Erwachsene aus. Die Vielen wollen das | |
| > ändern. | |
| Bild: Viele müssen draußen bleiben: Wegweiser zur Wahlkabine im Neuen Rathaus… | |
| Berlin taz | Politiker:innen sollen die Bevölkerung repräsentieren. | |
| Doch werden viele Millionen Erwachsene vom demokratischen Prozess | |
| ausgeschlossen, meint die Initiative Die Vielen. Über 4.000 | |
| Kultureinrichtungen haben sich den Vielen angeschlossen und setzen sich für | |
| eine „offene, solidarische, vielgestaltige und demokratische Gesellschaft“ | |
| ein. Seit Herbst vergangenen Jahres auch für das Wahlrecht für alle. Wobei | |
| mit allen diejenigen gemeint sind, [1][die lange in Deutschland leben, aber | |
| keine Staatsbürgerschaft haben] und so nicht wählen dürfen. | |
| Mitte September, in der Akademie der Künste soll es genau darum gehen. Eine | |
| Frau steht auf und schnappt sich das Mikro, das ihr gereicht wird. Aus | |
| Großbritannien käme sie, lebe aber seit 28 Jahren in Deutschland. Sie darf | |
| nicht mitbestimmen, in dem Land, das ihr Zuhause ist. „Warum hängt meine | |
| Wahl an so einem Stück Papier?“, fragt sie. Das Wahlrecht sei doch ein | |
| Bürgerrecht. „Was macht eine:n eigentlich zur Bürger:in?“, spricht sie in | |
| den Raum. Diese Frage müsse eine Gesellschaft doch wenigstens energisch | |
| diskutieren. | |
| Die Vielen haben geladen, um über Repräsentationslücken zu sprechen. | |
| Partizipation, Diversität und eben Repräsentation fordern sie. Holger | |
| Bergmann ist Vorstandsvorsitzender des Vereins. Bei einer Demonstration | |
| gegen die AfD habe er sich einmal gefragt: „Warum sind uns diese insgesamt | |
| vier Millionen Rechte wichtiger als etwa zehn Millionen, die nicht wählen | |
| dürfen?“ Für Letztere müsse man sich doch viel eher einsetzen. | |
| Zu ihnen gehört die Britin, die sich mittlerweile wieder gesetzt hat. Auf | |
| der Bühne, in deren Richtung sie sprach, sitzen Vertreter:innen der | |
| bildenden und darstellenden Künste. Alle stimmen ihr zu. Sie alle gehören | |
| zu eher progressiven Teilen der Gesellschaft. | |
| ## Debatten mit Betroffenen führen | |
| Sabine Bangert (Grüne) ist Vorsitzende des Kulturausschusses im Berliner | |
| Abgeordnetenhaus. In ihrem Beitrag an diesem Tag fordert sie, dass man | |
| „diese Debatten in der ganzen Gesellschaft und nicht nur auf den Bühnen | |
| führen muss“. Denn wer Forderungen für eine Gruppe stellt, sollte auch mit | |
| den Betroffenen sprechen, darüber, was sie eigentlich wollen. | |
| „Wir planen das Projekt ja schon seit Herbst 2020 und haben dabei immer | |
| wieder Betroffene eingebunden“, erklärt Karoline Zinßer. Sie leitet die | |
| Geschäftsstelle der Vielen. Darum, konkrete Vorschläge in die Parlamente zu | |
| bringen, geht es der Organisation nicht. Vielmehr wollen sie ein | |
| Bewusstsein für das Problem schaffen. Dafür seien Kunst und Kultur die | |
| besten Wege. | |
| Schaut man in die Wahlprogramme zu dieser Bundestagswahl, scheinen viele | |
| Parteien bereits einer bestimmten Gruppe das Recht auf Mitsprache | |
| ermöglichen zu wollen: [2][denjenigen ab einem Alter von 16 Jahren]. Diese | |
| Forderung stellen die Vielen allerdings nicht. Sie beschränken sich auf | |
| nichtdeutsche Staatsbürger:innen. | |
| Darauf wollen sie umso mehr durch Aktionen aufmerksam machen. Am | |
| vergangenen Sonntag, den 19. September, zum Beispiel haben die Vielen eine | |
| überdimensionale Wahlurne in Wurfweite des Reichstags aufgestellt. Darin | |
| sollten die Forderungen von nicht Wahlberechtigten gesammelt werden. | |
| Unmittelbar vor der Wahl, so der Plan, solle das Anliegen noch einmal | |
| verstärkt in den Fokus rücken. | |
| Bis zur Bundestagswahl am kommenden Sonntag wird sich für die knapp zehn | |
| Millionen Wahlunberechtigten nichts mehr ändern. Die Debatten aber sollen | |
| weitergehen, sagt Zinßer. Bloß auf welche Art genau, wüssten die Vielen | |
| noch nicht. Bleibt abzuwarten, ob bis dahin aus Aufmerksamkeit für das | |
| Problem tatsächliche politische Vorschläge geworden sind. | |
| 19 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wahlrecht/!5114783 | |
| [2] /Interessen-der-jungen-Generation/!5799527 | |
| ## AUTOREN | |
| Adrian Breitling | |
| ## TAGS | |
| Demonstration | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Wahlrecht | |
| Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
| Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
| Partizipation | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Bundestagswahl 2021: Die Ausgeschlossenen | |
| Millionen Menschen dürfen am kommenden Sonntag nicht wählen – weil sie | |
| keinen deutschen Pass haben. Was bedeutet das für sie? | |
| Junge Leute unter 18 dürfen nicht wählen: Fragt uns! | |
| Natürlich haben viele Jugendliche eine klare politische Meinung. Doch sie | |
| dürfen nicht mitwählen. Die taz hat bei Schüler*innen nachgefragt. | |
| Sachverständigenrat für Integration: Turbo-Einbürgerung, bitte | |
| Deutschland ist divers wie nie. Vor der Bundestagswahl fordern | |
| Expert:innen für Integration Maßnahmen für mehr politische Teilhabe. | |
| Wahlrecht: Zuwanderer werden wählerisch | |
| BerlinerInnen ohne deutschen Pass dürfen am 18. September nicht über das | |
| Abgeordnetenhaus mitentscheiden. Wählen können sie aber trotzdem - | |
| symbolisch in 15 Wahllokalen. | |
| Kommentar zum Wahlprojekt: Auf die Beteiligung kommt es an | |
| Mit dem Wahlprojekt für Ausländer könnte endlich die überfällige Debatte um | |
| die Frage der Staatszugehörigkeit in Gang kommen |