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# taz.de -- Afghanistans desolate Politik: Ein Machtkampf, zwei Präsidenten
> Auch Monate nach der Wahl ist nicht klar, wer Kabul regieren soll. Die
> langjährigen Rivalen Ghani und Abdullah lassen sich zeitgleich
> vereidigen.
Bild: Afghanistans Präsident Ashraf Ghani vor der Amtseinführung am 9. März
Berlin taz | Als der US-Sonderbotschafter Zalmay Khalilzad am
Montagnachmittag den Garten des einstigen Kabuler Königspalastes betrat,
war damit die umstrittene Präsidentenwahl von Ende September 2019 nach über
sechs Monaten entschieden. Denn Khalilzad kam in Begleitung von General
Scott Miller, dem Oberkommandierenden aller ausländischen Truppen in
Afghanistan, sowie den Missionschefs von UNO, EU und wichtigen Geberländern
wie Deutschland.
Als die Chefdiplomaten Platz genommen hatten, legte der bisherige Präsident
Mohammed Ashraf Ghani gegenüber dem Chef des Obersten Gerichts seinen Eid
für seine zweite fünfjährige Amtszeit ab.
Die Diplomaten gaben Ghani mit ihrer Anwesenheit den lange ausgebliebenen
Segen der Staatengemeinschaft. Nach seiner einseitigen Verkündung als
Wahlsieger Mitte Februar hatte ihm außer der EU-Kommission, Indien und
Kuwait niemand gratuliert.
Doch jetzt ließ sich zeitgleich auch Ghanis bisheriger Regierungschef und
wichtigster Wahlkonkurrent, Abdullah Abdullah, von einem Geistlichen als
Präsident einschwören, aber eben ohne internationale Beteiligung.
## Verkorkste Wahl mit strittigem Ergebnis
Diese skurille Situation ist das [1][Ergebnis einer verkorksten Wahl],
deren Ergebnis trotz fünfmonatiger Auszählung nicht bis ins Letzte
ermittelt worden ist. Demzufolge bekam Ghani 50,64 Prozent der abgegebenen
1,8 Millionen gültigen Stimmen, Abdullah lag gut 200.000 Stimmen dahinter.
Doch war die Gültigkeit von über 300.000 Stimmen bis zuletzt umstritten. Ob
sie Abdullah zum Sieg gereicht hätten, ist unklar. Aber sie hätten wohl zu
einer Stichwahl geführt.
Die [2][Vermittlungsversuche Khalilzads] bis in den frühen Montag führten
zur mehrstündigen Verschiebung beider Zeremonien, blieben aber erfolglos.
Ghani bot Abdullah eine 60-zu-40-Machtteilung. Doch der wollte
Regierungschef bleiben. Ghani lehnte ab, denn er will das Amt – das erst
nach dem ungeklärten Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen beiden nach der Wahl 2014
eingeführt worden war – wieder abschaffen.
## Internationale Gemeinschaft drückt die Augen zu
Der Machtkampf zeigt aller Welt, dass nach 18 Jahren US-geführter
Intervention Afghanistans politisches System nicht funktioniert. Die
internationale Gemeinschaft entschied sich mit der Anerkennung des
Wahlsiegs Ghanis, erneut darüber hinwegzusehen und die verfassungsmäßigen
Prozeduren zu umschiffen.
Auch wenn das Land damit weitere Monate politischer Ungewissheit vor sich
gehabt hätte, ist das ein Bärendienst für die afghanische Demokratie.
Schon jetzt steht Ghanis und Abdullahs Streit einer Einigung auf ein Team
für die [3][Friedensgespräche] mit den Taliban im Weg. Die Verhandlungen
sollten an diesem Dienstag beginnen, müssen nun aber verschoben werden.
Abdullah wird sich daran kaum als Minderheit beteiligen wollen. Das wird
die Legitimität der Regierungsdelegation untergraben, was die Taliban
ausnutzen dürften.
9 Mar 2020
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## AUTOREN
Thomas Ruttig
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