# taz.de -- Anschlag in Kabul: Frustrierte Islamisten | |
> Den Taliban gehen die Friedensgespräche mit den USA nicht schnell genug. | |
> Das Selbstmordattentat in Kabul könnte eine Warnung sein. | |
Bild: Feuerwehrleute in Kabul beseitigen die Spuren des Anschlags vor der Milit… | |
KABUL taz | Ein Selbstmordattentäter hat sich am Dienstagmorgen vor der | |
Nationalen Verteidigungsakademie im Nordosten von Kabul in die Luft | |
gesprengt, als dort gerade ein Bus mit Kadetten der Armee und Lehrkräften | |
hielt. Damit endete eine knapp fünfmonatige Periode, in der die afghanische | |
Hauptstadt fast vollständig von größeren Terroranschlägen verschont blieb. | |
Bisher hat sich keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt. Die Regierung | |
beschuldigt die Taliban. | |
Außer sich selbst tötete der Attentäter vier Kadetten, einen Dozenten der | |
Akademie und zwei Zivilisten und verletzte weitere 20 Menschen, darunter 13 | |
Armeeangehörige und 7 Zivilisten. Dazu gehören offenbar Personal und Kunden | |
von Teeständen, die sich gegenüber der Akademie aufhielten. Nach Angaben | |
des Innenministeriums in Kabul konnte außerdem eine Autobombe entschärft | |
werden. | |
Seit der afghanischen Präsidentenwahl am 28. September hatte es in Kabul | |
nur einen größeren Anschlag gegeben. Am 13. November wurden 12 Menschen, | |
darunter 3 Kinder, umgebracht und 20 verletzt, als ein mit Sprengstoff | |
gefülltes Auto ein Fahrzeug einer kanadischen Sicherheitsfirma rammte. Bis | |
Mitte September registrierte die UNO 11 schwere Anschläge mit mindestens | |
203 Toten sowie insgesamt 1.431 zivilen Opfern für die Provinz Kabul, fast | |
20 Prozent der landesweiten Gesamtzahl. | |
Der Anschlag kommt zu einem kritischen Zeitpunkt und lenkt den Verdacht auf | |
die Taliban. In den letzten Tagen hatten die Taliban in Medien des ihnen | |
gewogenen Nachbarlandes Pakistan lanciert, dass „Hardliner“ in ihren Reihen | |
darauf drängten, die seit Oktober 2018 laufenden Gespräche zwischen den USA | |
im Golfstaat Katar [1][über einen Truppenabzug und | |
Anti-Terrorismus-Garantien] abzubrechen. | |
## Schleppende Verhandlungen für Feuerpause | |
Die Gespräche stocken seit einigen Wochen, obwohl ein Abkommen | |
unterschriftsreif vorliegen soll. Washington verlangt, dass die Taliban vor | |
der Unterzeichnung eine zehntägige Feuerpause einhalten sollen; die | |
Aufständischen sagen nur eine – schwer überprüfbare – „Reduzierung der | |
Gewalt“ zu. Sie befürchten, bei einer offiziellen Waffenruhe könnten ihnen | |
Kämpfer weglaufen. | |
Auch das Anschlagsziel, eine Gruppe afghanischer Militärangehöriger, | |
scheint mit Bedacht ausgewählt. Die anvisierte Feuerpause würde vor allem | |
die gegenseitige Attacken der Taliban und des US-Militärs aufeinander | |
beenden, aber die afghanischen Streitkräfte außen vor lassen – mit | |
Ausnahme, wo sie Basen gemeinsam mit den Amerikanern nutzen. Die Taliban | |
wollen mit der afghanischen Regierung erst über einen Waffenstillstand | |
reden, wenn das Abkommen mit den USA besiegelt ist. | |
Ein erfahrener afghanischer Sicherheitsanalyst, der um Anonymität bat, | |
sagte der taz, er halte den gestrigen Anschlag für einen „Ausdruck der | |
Frustration der Taliban mit den sich hinziehenden Gesprächen und | |
gleichzeitig als Signal neuen Drucks auf die USA, das Abkommen zu | |
unterschreiben, bevor sie ihre Frühjahrsoffensive starten“. Die könnte die | |
Gespräche ganz beenden, wenn dabei US-Amerikaner ums Leben kämen. | |
US-Präsident Donald Trump hatte nach einem solchen Vorfall im September das | |
Abkommen schon einmal gestoppt. | |
Die zuletzt relative Ruhe in Kabul werteten hiesige Beobachter als Zeichen | |
der Taliban an die USA, dass sie eine Feuerpause einhalten können, selbst | |
wenn sie nicht offiziell erklärt wird. Im Ergebnis sank laut Jahresbericht | |
der Afghanischen Unabhängigen Menschenrechtskommission, der vor einer Woche | |
veröffentlicht wurde, die Gesamtzahl der zivilen Opfer 2019 um 7 Prozent | |
auf den niedrigsten Stand seit 2014. | |
Doch während es zuletzt in Kabul und anderen Großstädten Afghanistans | |
relativ ruhig geblieben war, hielten die Kämpfe in den Landgebieten und | |
Mordanschläge auf Regierungsvertreter an. Der Afghanistan-Sonderinspektor | |
der US-Regierung verzeichnete in seinem Jahresbericht einen Gewaltanstieg | |
von 6 Prozent von 2018 auf 2019. | |
11 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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