# taz.de -- AfD-Abgeordnete in Russland: Reiserücktritt bei der AfD | |
> Drei AfD-Abgeordnete machten sich gen Ostukraine auf, nun brechen sie | |
> ihre Reise offenbar ab. Die Aktion sorgte auch parteiintern für viel | |
> Ärger. | |
Bild: Fährt nun wohl doch nicht ins Kriegsgebiet: Christian Blex (AfD) | |
BERLIN taz | Von den großspurigen Ansagen der drei AfD-Abgeordneten, die | |
sie bei der Ankündigung ihrer [1][Reise in die von Russland besetzten | |
Gebiete im Donbass] machten, ist am Ende wenig übrig. In einer der taz | |
vorliegenden Mail kriecht einer von ihnen, der NRW-Landtagsabgeordnete | |
Christian Blex, zu Kreuze: „Sehr geehrter Bundesvorstand, da ich als | |
einziger Abgeordneter aktuell Internetzugang habe, möchte ich Ihnen den | |
gemeinsamen Beschluss von uns dreien mitteilen, dass wir nicht mehr weiter | |
in den Donbass reisen.“ | |
Die Mail verschickt Blex am Dienstagabend, nachdem es nicht nur viel | |
öffentliche Kritik gab, sondern die nicht abgesprochene Reise auch | |
innerhalb der AfD für Ärger sorgte. Nähere Details zum Abbruch der Reise | |
waren am Mittwochmorgen noch nicht zu erfahren. Ob die Russlandreise | |
komplett ausfallen wird oder nur die in die Ostukraine, blieb offen. Die | |
Partei äußerte sich auf Anfrage der taz zunächst nicht weiter dazu. | |
Zusammen mit den Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Thomas | |
Wald aus Sachsen-Anhalt hatte Blex am Montag angekündigt, [2][über Russland | |
in den Donbass reisen zu wollen] – und das gewohnt russlandfreundlich mit | |
Schelte an westlichen Medien verbunden. | |
Die Reise kam für den Bundesvorstand sowie den Landesvorstand | |
Nordrhein-Westfalen komplett überraschend. Der Bundesvorstand um die | |
Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel forderte Aufklärung über | |
die Reise und ging auf Abstand. „Wir unterstützen diese Reise nicht“, sagte | |
Chrupalla. Die [3][Landtagsfraktion NRW missbilligte die Reise] gar, | |
verlangte deren sofortigen Abbruch und behielt sich disziplinarische Folgen | |
für Blex vor. Allein die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt scheint die Kritik | |
bislang wenig zu kratzen: Sie soll sogar die Flüge gezahlt haben, wie sie | |
[4][der Welt gegenüber bestätigte]. | |
## Höcke-Vertraute auf Tour | |
Bei der Reisegruppe handelt es sich um Vertraute vom Rechtsextremisten | |
[5][Björn Höcke]. Noch vergangenes Wochenende feierten Tillschneider, Wald | |
und Höcke gemeinsam ein von der AfD Saalfeld in Schnellroda ausgerichtetes | |
[6][geschichtsrevisionistisches] „Preußenfest“ – gut möglich, dass | |
Thüringen-Chef Höcke in die Reisepläne eingeweiht war. | |
Die nicht abgesprochene Reise zeigt erneut, dass die Autorität von | |
Chrupalla und Weidel von der völkischen Strömung untergraben wird. Das | |
Höcke-treue [7][Bundesvorstandsmitglied Christina Baum] bezeichnete die | |
Angelegenheit beim ZDF dann auch als „aufgebauscht“: „Ich verstehe die | |
Aufregung um die Reise nicht.“ | |
Russland hätte die AfD-Abgeordneten wohl gerne noch ausgiebiger für | |
Propagandazwecke eingespannt. Zum Zeitpunkt der Reise passt, dass am | |
Dienstag kurzfristige „[8][Referenden]“ über den Anschluss an Russland | |
angekündigt wurden. Es wäre nicht das erste Mal, dass AfD-Politiker sich zu | |
Putins Propaganda-Gehilfen machen – in der Vergangenheit reisten mehrfach | |
Abgeordnete der extrem rechten Partei als Pseudowahlhelfer nach Russland, | |
der [9][ehemalige Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme] sogar auf die | |
annektierte Krim. | |
Auch die Partei-Chefs Chrupalla und Weidel ließen sich bereits in Moskau | |
hofieren und fordern jetzt die Öffnung von Nord Stream 2 und die Aufhebung | |
von Sanktionen. Am Dienstagabend durfte Weidel in der ARD-Talkshow | |
„Maischberger“ behaupten, dass Putin kein Diktator und Massenmörder sei. Es | |
ist [10][nicht das erste Mal], dass AfDler*innen sich an der Verbreitung | |
von russischen Desinformationen beteiligen. | |
## „Sie können das Dolchstoß nennen“ | |
Besonders schlecht kam die angekündigte Donbass-Reise in Niedersachsen an, | |
wo am 9. Oktober Landtagswahl ist. Der niedersächsische [11][Landes-Vize | |
Ansgar Schledde sagte], er sei fassungslos und nannte die Reise | |
„parteischädigend“: „Sie können das Dolchstoß nennen oder Sabotage. Das | |
schadet uns in Niedersachsen und ich glaube, dass die das bewusst in Kauf | |
nehmen.“ Ähnlich regte man sich Schleswig-Holstein auf, als Höcke kurz vor | |
der Wahl mal wieder seine mögliche Kandidatur für den Bundesvorstand ins | |
Spiel brachte – und die AfD aus dem Landtag flog. | |
Ganz ahnungslos waren übrigens nicht alle in der Bundestagsfraktion. | |
Zumindest ein Bundestagsabgeordneter der AfD wusste im Vorfeld offenbar von | |
Reiseabsichten von AfD-Politikern: Stefan Keuter, Mitglied des | |
Arbeitskreises der AfD für Außenpolitik. | |
Auf taz-Anfrage bestätigte Keuter, dass ihn bereits „vor Wochen von | |
russischer Seite die Information erreicht“ habe, „dass eine Gruppe von | |
Politikern meiner Partei darum gebeten hatte“ ins Gebiet Donetsk zu reisen. | |
Laut Keuter sei als Reisezeitraum da noch der Oktober geplant gewesen. Als | |
Keuter davon gehört habe, wollte er intervenieren, wie er sagt. „Ich hatte | |
daraufhin einen Parteifreund, der an der Reise teilnehmen wollte, angerufen | |
und ihm aus verschiedenen Gründen dringend von der Reise abgeraten“, so | |
Keuter. Ebenso habe er „der russischen Seite“ seine Einschätzungen zur | |
Reise mitgeteilt. | |
Keuter habe gedacht, dass sich die Reise damit erübrigt hätte. Den | |
Fraktionsvorstand habe er deswegen über die Reise nicht informiert, so der | |
Bundestagsabgeordnete. Er bekomme jede Woche ähnlich gelagerte Anfragen und | |
habe keine Pferde scheu machen wollen. Umso erstaunter sei er gewesen, als | |
er am Montag die Information erhalten habe, „dass 3 MdLs die Reise | |
angetreten hatten“, so Keuter. Dass die Reise abgebrochen worden sei, halte | |
er für richtig mit Blick auf die aktuelle Eskalation. | |
Keuter ist selbst zuletzt 2021 als [12][vermeintlicher „Wahlbeobachter“ | |
nach Russland gereist], ebenso war er 2020 schon mit einer AfD-Delegation | |
unter anderem [13][mit Andreas Kalbitz nach Bergkarabach gereist]. Und | |
sogar noch nach Kriegsbeginn schaltete sich Keuter dieses Jahr per | |
Videochat einer russischen Konferenz zu, auf der er die deutsche | |
Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine [14][als „Propaganda“ | |
bezeichnete] und [15][sich gegen Sanktionen aussprach]. | |
Hinweis: Der Text wurde aktualisiert. | |
21 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /AfD-Delegation-will-in-den-Donbass-reisen/!5882943 | |
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[4] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus241170837/AfD-Abgeordnete-in-Ru… | |
[5] /Rechtsextremist-in-der-AfD/!5862822 | |
[6] https://twitter.com/IfS_dicht/status/1572218744952463365 | |
[7] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-ukraine-donbass-reise-100.html#x… | |
[8] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5883128 | |
[9] https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-abgeordnete-als-wahlbeobachter-in-r… | |
[10] /Nach-Massaker-in-Butscha/!5847874 | |
[11] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-ukraine-donbass-reise-100.html#… | |
[12] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-russland-117.html | |
[13] https://twitter.com/AnnelieNaumann/status/1331260326969487360 | |
[14] https://www.tagesschau.de/investigativ/kontraste/afd-russland-117.html | |
[15] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-ukraine-krieg-russland-100.html… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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