| # taz.de -- 50 Jahre „Aktuelles Sportstudio“: Zu weich, zu nett, zu harmlos | |
| > Das ZDF feiert 50 Jahre „Aktuelles Sportstudio“ – eine Fernsehlegende. | |
| > Sie ist aber schon lange nur noch ein zahnloses Plauderründchen. | |
| Bild: Damals, mit den ganz Großen: Harry Valerien und Pelé. | |
| Doping in der alten Bundesrepublik. Es war die stärkste Viertelstunde des | |
| „Aktuellen Sportstudio“ am vergangenen Samstag. Der Interviewpartner, | |
| Professor Gieselher Spitzer, hat etwas zu sagen – darüber, wie ärgerlich es | |
| ist, dass seine Studie über die Praktiken der medizinischen | |
| Leistungsoptimierung in der BRD noch nicht offiziell vom | |
| Bundesinnenministerium veröffentlicht wurde; darüber, dass im | |
| Bundesinstitut für Sportwissenschaft Dopingunterlagen geschreddert worden | |
| seien; über den Unterschied von „systemischem Doping“ in der BRD und | |
| „Zwangsdoping“ in der DDR. | |
| Und Moderator Sven Voss hat etwas zu fragen – nach Namen, nach der „heißen | |
| Kartoffel“ Doping im Fußball, warum die Studie 1990 endet. | |
| Das Nachhaken, das Mehr-wissen-Wollen, das Sinnvolle-Fragen-Stellen und | |
| einen Interviewpartner zu haben, der auch etwas Interessantes zu erzählen | |
| hat – beides ist nicht selbstverständlich im „Sportstudio“, das am Samst… | |
| sein 50-jähriges Bestehen feiert. | |
| Sven Voss ist der derzeit jüngste Moderator im Team, zu dem noch Katrin | |
| Müller-Hohenstein und Michael Steinbrecher gehören, doch der hört mit der | |
| Jubiläumssendung auf. | |
| ## Mal nachhaken? Selten | |
| Voss, dessen Dreitagebart nie nach 72 Stunden Wildwuchs, sondern stets nach | |
| 72 Stunden intensiver Pflege aussieht, musste sich in den vergangenen | |
| Monaten einiges anhören über seine Sendung. „Eine schreckliche nette | |
| Stunde“, nannte die Süddeutsche Zeitung das „Sportstudio“, das mit seinen | |
| „Fragen, die unsinnig sind und die auch auf nichts hinauswollen“ in einem | |
| „erschreckenden Zustand“ sei. | |
| „Das ‘Sportstudio’ wird oft schlecht gemacht“, sagt Voss: „Dass wir zu | |
| weich sind, dass wir zu gute Gastgeber sind.“ Der 37-Jährige wehrt sich: | |
| „Es ist immer leicht gesagt: ’Da muss man auch mal hart nachfragen.‘ Wenn | |
| Leute nichts sagen wollen, dann sagen sie nichts.“ | |
| Doch was, wenn die Gäste gar nicht erst irgendwas Kritisches gefragt | |
| werden, auf das sie dann nicht antworten? | |
| ## Überall diese Missgunst | |
| Am vergangenen Samstag folgte dem Ernsten (Doping) und dem Langweiligen | |
| (eine erste Runde im Pokal ohne Überraschungen an jenem Samstag) das | |
| Lustige, exakter: das Belanglose. Denn jetzt kommt „Königin Silvia“, wie | |
| Silvia Neid, die Fußballbundestrainerin, vorab angekündigt wurde. Sie ist | |
| gerade zurückgekehrt aus Schweden, aus ihrem „Sommermärchen ohne Ansage“ | |
| (Voss), das Publikum klatscht. „So begrüßt man eine Europameisterin“ | |
| (Voss). Neid erzählt was von Trends im Fußball und sagt immer „Drends“ und | |
| vom Turnier: ein „Draum“. Voss grätscht dazwischen: „Ein schöner Traum.… | |
| Trotzdem herrscht überall diese Missgunst. Voss: „Sie wurden während der EM | |
| infrage gestellt.“ Er guckt ernst: Die bösen Kollegen. „Warum gab es so | |
| viele Angriffe auf Sie, die erfolgreiche Bundestrainerin?“, fragt der gute | |
| Gastgeber mitfühlend. Ja, warum eigentlich? Vielleicht weil die Spiele der | |
| deutschen Frauen bis zum Viertelfinale größtenteils schwach waren? Dann ein | |
| paar harmlose Fragen von Twitter-Usern. Social Media, Publikum einbeziehen. | |
| Das macht man heute so. Ein „Drend“, würde Silvia Neid sagen. Abschließen… | |
| Frage: „Den ZDF-Spot mit der Waschmaschine, wie fanden Sie den?“ – | |
| „Witzig“, sagt Neid. Was soll sie, die „erfolgreiche Bundestrainerin“, … | |
| anderes sagen nach so viel Umschmeichelung? | |
| Anschließend kommt Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch, „unsere WM-Hoffnung“ | |
| nennt Voss ihn. „Erst mal Kompliment, Sie haben die Figur, die ich immer | |
| haben wollte.“ Die große Uhr im Hintergrund geht auf Mitternacht zu. | |
| Höchste Zeit für die „letzte Frage: Ist das schon ihre Kampffrisur?“ | |
| „Ich bin von Natur aus ein höflicher und netter Mensch“, sagt Voss. „Mir | |
| fallen aber schon auch freche Fragen ein, vielleicht formuliere ich sie | |
| manchmal nur zu nett.“ Vielleicht. | |
| ## Jubeln trotz allem | |
| Das ZDF bejubelt sein „Sportstudio“ trotz aller Kritik. Man soll die Feste | |
| schließlich feiern, wie sie fallen. Und da die Bundesliga auch gerade ihre | |
| 50. Saison abgeschlossen hat und das „Sportstudio“ damals mit dem ersten | |
| Spieltag der Premierensaison am 24. August 1963 auf Sendung ging, wird nun | |
| der Start der neuen Spielzeit zum Anlass genommen, es krachen zu lassen. | |
| Und wenn die Gegenwart schon nichts hergibt, muss halt die Vergangenheit | |
| herhalten. | |
| „Eine Legende wird 50“, verkündet der Mainzer Sender. Legenden sind die | |
| Big-Band-Musik und die Uhr zu Beginn sowie die Torwand am Schluss. Drei | |
| unten, drei oben. Legendär ist die Streitrunde mit Uli Hoeneß, Christoph | |
| Daum und Jupp Heynckes, oder der Affe, der Johnny Weissmüllers Ehefrau die | |
| Perücke vom Kopf riss. | |
| Legendär ist nur noch die Verpackung. Der Inhalt ist es nicht mehr. Heute | |
| kommt Silvia Neid und wird gefeiert – von Publikum und Moderator. Ein Drend | |
| im „Sportstudio“. | |
| Oder machen wir Kritiker es uns wirklich zu leicht, wie Voss es beklagt? | |
| „Wir sind alle Journalisten, die etwas herauskriegen wollen“, beteuert er, | |
| „wir sind nicht die Fans.“ Haben sich einfach die Rahmenbedingungen im | |
| professionellen Sport, allen voran im Fußball, so sehr geändert, dass ein | |
| Format wie „Das Aktuelle Sportstudio“ bei diesem Spiel nur verlieren kann? | |
| ## Manchmal kommt auch kein Spieler | |
| Denn eine vernünftige Vorbereitung auf den Gast ist für die Moderatoren | |
| häufig kaum mehr möglich. Die großen Bundesligaklubs geben mitunter sehr | |
| kurzfristig Bescheid, welcher von ihren Spielern sich denn nun auf den Weg | |
| nach Mainz machen wird. Und wenn die ZDF-Mainzelmännnchen dieses Gebaren | |
| nicht hinnähmen? Ja mei, dann kommt halt keiner. Voss spricht von | |
| „Geflechten, die nicht so einfach zu durchdringen sind“. | |
| Die Vereine sind längst nicht mehr abhängig von der Öffentlichkeit, die das | |
| „Sportstudio“ mit seinen knapp drei Millionen Zuschauern ihnen bietet. Sie | |
| haben ihre eigenen Klub-TV-Kanäle, sie haben Sky, sie haben die | |
| „Sportschau“ in der ARD. Früher war das anders: „Wir haben alle bekommen, | |
| die wir wollten“, sagt der langjährige Moderator Dieter Kürten. | |
| Und heute? Einfach mal kurzfristig die entscheidenden Figuren des Spieltags | |
| einladen? „Kann man von träumen, ist aber nicht realistisch“, sagt Voss: | |
| „Wir freuen uns über jeden, der tatsächlich kommt.“ | |
| ## Die Spieler? Glattgebügelt | |
| Und wenn die Spieler dann kommen, dann sind sie „glattgebügelt“, sagt | |
| ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. „Die Typen fehlen im Fußball“, pflichtet | |
| ihm „Sportstudio“-Redaktionsleiter Oliver Schmidt bei. Die alte Leier der | |
| Fußballnostalgiker: Die Typen fehlen, die mit Ecken und Kanten, die | |
| Baslers, Effenbergs und Wolfram Wuttkes. | |
| Apropos Typen, wer wird eigentlich der Nachfolger von Michael Steinbrecher, | |
| Herr Gruschwitz? „Es ist zu früh, um heute über Namen zu spekulieren.“ So | |
| antwortet ein richtiger Kerl, so einer mit Ecken und Kanten. | |
| Zurück zum „Sportstudio“ vom letzten Samstag. Die Bahnhofsuhr im | |
| Hintergrund zeigt schon nach 0 Uhr an, alle haben auf die Torwand | |
| geschossen – drei unten, drei oben –, da hat Voss noch eine richtig freche | |
| Idee: Diese erfolgreiche Bundestrainerin Silvia Neid soll auch mal | |
| versuchen, in eine Waschmaschine zu schießen. Schließlich fand sie den Spot | |
| doch witzig. Neid schießt. Fernseher aus. | |
| 10 Aug 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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