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# taz.de -- Wie Putin die Russen indoktriniert: Perfide Narrative
> Irgendwann begann Putin den Menschen weiszumachen, im Westen würde es vor
> queeren Russen-Hassern nur so wimmeln. Leider ist seine Propaganda
> wirkungsvoll.
Bild: Gesundheitsinspektor:innen in St. Petersburg schauen einen Fernsehauftrit…
Putin sah mich an – ob lächelnd oder ernst, das weiß ich nicht mehr. Aber
ich erinnere mich daran, wie mich vor genau zehn Jahren ein Plakat des
russischen Machthabers in der Wohnung meiner Verwandten überraschte, als
ich sie in den Winterferien in meiner Geburtsstadt Nowosibirsk besuchte.
Der Fernseher im Wohnzimmer zeigte hasserfüllte Propaganda-Talkshows, und
die Frauen aus meiner Familie waren zu Kirchgängerinnen geworden. Ich
staunte und verstand, dass sich etwas fundamental verändert hat.
Als ich zuvor im Sommer 2008 zu Besuch gewesen war, noch als Kind, gab es
kein Putin-Poster, keine Kirche, lediglich den Fernseher. Auf dem
Bildschirm verfolgte ich damals, wie russische Panzer durch georgisches
Territorium rollten.
Ich verstand noch nicht, was ich da sah. Ich verstand nicht, dass der Kreml
Separatisten in Südossetien und Abchasien mit eigenen Truppen unterstützte,
um seine Macht über [1][das Richtung EU blickende Georgien]
zurückzuerlangen. Und ich verstand nicht, dass er dieselbe Taktik bereits
1992 in Transnistrien getestet hatte und später, 2014, im Donbass einsetzen
würde.
Lange Zeit war Menschen wie meinen Verwandten, man könnte sie
„durchschnittliche russische Bürger“ nennen, Politik ziemlich egal gewesen.
Im totalitären sowjetischen Staat aufgewachsen, war „die Politik“ für sie
etwas, in das man sich besser nicht einmischte. Ihre Sorge bestand vielmehr
darin, genügend Geld zum Leben zu beschaffen – in den neunziger Jahren
buchstäblich zum Überleben. Für die Einmischungen und Kriege des eigenen
Staats interessierte man sich nicht sonderlich.
## In einem heiligen Krieg
Doch das begann sich zu ändern. Mit Putins Machtantritt zur
Jahrtausendwende stabilisierte sich die wirtschaftliche Lage, die
ausufernde Kriminalität kam unter Kontrolle. Um seine Macht zu festigen,
begann Putin, die Menschen mit hasserfüllten Lügen zu indoktrinieren –
vermittelt durch das Fernsehen, die staatlich gelenkte Kirche, die Schulen.
Über diese Kanäle wurde den Menschen weisgemacht, dass der Westen vor
satanistischen, queeren Russenhassern nur so wimmele, die man in einem
heiligen Krieg zu bekämpfen habe.
Die Menschen sollten verstehen: Man ist zwar arm und unfrei, aber dafür
Teil eines großartigen, überlegenen Imperiums – ein Teil der russischen
Welt. Viele gaben der Verlockung nach und wurden zu glühenden Anhängern des
Systems.
Bei meinem Besuch vor zehn Jahren habe ich die Propaganda vor allem als
Kuriosum betrachtet. Doch ihre Mechanismen erwiesen sich als perfide wie
wirkungsvoll. So nutzt sie beispielsweise aus, dass wir dazu tendieren,
Dinge zu glauben, die wir einfach nur oft genug hören, auch wenn sie wenig
mit der Realität gemein haben. Oder sie wählt eine Tatsache, reißt sie aus
dem Kontext und bauscht sie extrem auf. Diese beiden Strategien kombiniert
erklären, wie das abstruse Narrativ von den „ukrainischen Nazis“ selbst
hierzulande Fuß fassen konnte. Es diente dem Kreml als „moralische“
Rechtfertigung seines Krieges in der Ukraine, nämlich als vermeintliche
Fortsetzung des [2][Kampfs gegen die Nazis] im Zweiten Weltkrieg.
## Fakten bedeuten nicht viel
Für die Aktivierung derartiger historischer Konstruktionen, auch unter
Zugabe althergebrachter imperialer Mythen, war maßgeblich [3][Wladimir
Medinski] verantwortlich – erst Duma-Abgeordneter, dann Kulturminister und
heute wichtiger Putin-Berater. Er schrieb die Geschichte buchstäblich um,
indem er neue, patriotische Schulbücher gestaltete.
„Fakten an sich“ bedeuten ihm „nicht viel“, wie es in einem seiner Werke
heißt: „Alles beginnt nicht mit Fakten, sondern mit Interpretationen. Wenn
Sie Ihr Vaterland und Ihr Volk lieben, wird die Geschichte, die Sie
schreiben, immer positiv sein.“
Doch in naher oder ferner Zukunft wird die Realität in diese Propagandawelt
einfallen. Dafür, dass die Kriegsopfer Gerechtigkeit erfahren, müssten
nicht nur Reparationen gezahlt und die russische Führung vor Gericht
gebracht werden, sondern auch deren Giftmischer – die Propagandisten.
26 Dec 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Yelizaveta Landenberger
## TAGS
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Kulturkolumnen
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Propaganda
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Bildende Kunst
Kolumne Eastsplaining
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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