| # taz.de -- Wehrpflicht im Bundestag: Nicht alle Grünen für den Hodengriff | |
| > Die Grünen nähern sich einer Dienstpflicht an, viele befürworten den | |
| > Zwang zur Musterung. Doch einige Abgeordnete kritisieren diese als | |
| > „entwürdigend“. | |
| Bild: Hier geht's lang: In Zukunft sollen wieder alle jungen Männer zur Muster… | |
| Zu den Wehrdienstplänen der Bundesregierung, die am Freitag den Bundestag | |
| passierten, sagen die Grünen mehrheitlich „Nein, aber“. Die Position, | |
| [1][die ihr Parteitag am letzten Wochenende festgelegt hat:] Die | |
| Möglichkeit, junge Männer zum Dienst zu verpflichten, lehnen sie vorerst | |
| ab. Den Zwang zur Musterung, der durch die Gesetzänderung zurückkommt, | |
| finden sie aber richtig. Ein Gegenantrag der Grünen Jugend scheiterte auf | |
| dem Parteitag deutlich. | |
| Eine Gruppe von Bundestagsabgeordnete um Urgestein Claudia Roth stellt sich | |
| jetzt aber gegen die neue Parteilinie und lehnt die Pläne der Koalition | |
| rundum ab. In einer sogenannten Erklärung zur Bundestagsabstimmung sprechen | |
| sich sechs Grüne auch gegen die Musterungspflicht zumindest in ihrer | |
| vorgesehenen Form aus. | |
| „Wir lehnen dieses Gesetz ausdrücklich und aus Gewissensgründen ab – nicht | |
| trotz, sondern gerade wegen der in § 17 des Wehrpflichtgesetzes | |
| vorgesehenen Regelungen zur Musterung“, heißt es in der Erklärung, die auch | |
| von den Abgeordneten Max Lucks, Corinna Rüffer, Johannes Wagner, Lena | |
| Gumnior und Timon Dzienus unterschrieben ist. | |
| ## Hodengriff ist „entwürdigend“ | |
| Den besagten Paragraf 17 hat Schwarz-Rot nahezu unverändert aus dem alten | |
| Wehrdienstgesetz übernommen. Darin ist zwar festgeschrieben, dass keine | |
| Maßnahmen, „die einer ärztlichen Behandlung oder einer Operation | |
| gleichkommen“, unter Zwang durchgeführt werden dürfen. Ausgenommen davon | |
| seien aber „einfache ärztliche Maßnahmen“ wie Blutentnahmen oder | |
| Röntgenaufnahmen. Diese gelten im Gesetz explizit nicht als „Eingriffe in | |
| die körperliche Unversehrtheit“. Darüber hinaus macht das Gesetz den | |
| Bundeswehrärzt*innen keine konkreten Vorgaben zu erlaubten und | |
| verbotenen Untersuchungsschritten. | |
| Der Paragraf sei „veraltet, verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft und mit | |
| unserem heutigen modernen Verständnis von körperlicher Unversehrtheit und | |
| allgemeiner Handlungsfreiheit schlicht unvereinbar“, heißt es in der | |
| Erklärung der Grünen-Abgeordneten. Eine moderne und gerechte Musterung | |
| setze voraus, dass „jeder Mensch Eingriffe in den eigenen Körper verweigern | |
| kann“. | |
| Besonders hart kritisiert die Gruppe die Intimuntersuchungen mit dem | |
| sogenannten Hodengriff, den die Bundeswehr auch in Zukunft wieder | |
| obligatorisch anwenden will. „Sein praktischer Nutzen ist nicht belegt – | |
| seine entwürdigende Wirkung hingegen offenkundig“, schreiben die | |
| Abgeordneten. Dass Schwarz-Rot den Hodengriff im Gesetz zulässt, zeige | |
| „eine alarmierende Missachtung und Geringwertschätzung sowohl des | |
| Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit als auch der allgemeinen | |
| Handlungsfreiheit junger Männer“. | |
| ## Gruppe will Neufassung des Musterungsparagrafen | |
| Weiter schreiben Claudia Roth und Co, eine Neufassung des | |
| Musterungsparagrafen hätte „verschiedene Verfassungsgüter besser | |
| miteinander in Einklang bringen können“. Ob sie einer Musterungspflicht mit | |
| neuen Regeln zustimmen würden, lassen die Abgeordneten offen. | |
| Für den Musterungszwang hatte auf dem Grünen-Parteitag am vergangenen | |
| Wochenende unter anderem Parteichef Felix Banaszak geworben. „Sind wir | |
| bereit, das auszubuchstabieren, was wir seit Februar 2022 so konsequent | |
| vertreten? Gehen wir auch dann ehrlich in die Frage, wenn es uns weh tut?“, | |
| fragte er in einem Redebeitrag rhetorisch. | |
| Die medizinischen Untersuchungen bei der Musterung greifen nach Ansicht der | |
| Parteiführung nicht erheblich in die Freiheit der Betroffenen ein. Auch die | |
| Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik sagte auf dem Parteitag: „Musterungen | |
| sind ein kleiner überschaubarer Eingriff in die Freiheit. Ich finde es | |
| vertretbar, einmalig einen Fragebogen auszufüllen und einmalig zu einem | |
| Musterungstermin zu gehen.“ | |
| 5 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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