| # taz.de -- Schulstreik gegen den Wehrdienst: „Nicht unsere Politiker“ | |
| > Bundesweit streiken am Freitag Schüler*innen gegen die Wehrpflicht. | |
| > Alleine in Berlin versammeln sich mehrere tausend Jugendliche. | |
| Bild: Schüler*innen beim Streik gegen die Wehrdienstreform der Bundesregierung | |
| Tausende Schüler*innen versammelten sich am Freitagmittag am Halleschen | |
| Tor in Berlin zum Streik. [1][Bundesweit hatte das Bündnis Schulstreik | |
| gegen Wehrpflicht in den sozialen Netzwerken gegen die Wehrpflicht und die | |
| Aufrüstungspläne der Bundesregierung moblisiert.] In etwa 90 Städten in | |
| ganz Deutschland folgten tausende Jugendliche dem Aufruf. | |
| [2][Am selben Tag beschloss die Regierungskoalition im Bundestag das neue | |
| Wehrdienstgesetz.] Es sieht vor, dass alle jungen Männer ab dem Jahrgang | |
| 2008 einen Fragebogen zur Musterung ausfüllen müssen. Der Dienst selbst | |
| soll noch freiwillig bleiben. | |
| Auch der Wiederaufbau einer Wehrerfassung und Zielwerte für die | |
| Vergrößerung der Bundeswehr gehören zur Reform: Ein Personalumfang von | |
| 460.000 Soldat*innen, die im Bedarfsfall zügig mobilisierbar seien, nimmt | |
| sich die Bundesregierung vor. Damit das Gesetz in Kraft tritt, muss auch | |
| der Bundesrat am 19. Dezember noch zustimmen. | |
| „Unsere Zukunft sind keine Militärübungen, wir wollen keine Zukunft im | |
| Tarnanzug, unsere Leben sind keine Spielbälle!“, sagt der sechzehnjährige | |
| Berliner Shmuel in seinem Redebeitrag auf der Kundgebung am Halleschen Tor. | |
| Bevor er anfangen konnte zu sprechen, musste die Bühne vom Vorplatz unter | |
| die U-Bahnbrücke gefahren werden, um dem großen Andrang an Streikenden mehr | |
| Platz zu verschaffen. | |
| Nach Angaben der Polizei versammelten sich in Berlin 3.000 junge Menschen, | |
| die Veranstalter*innen sprechen von 10.000. In Hamburg gingen nach | |
| Polizeiangaben 1.700 Menschen auf die Straße, die Organisator*innen | |
| sprachen von bis zu 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. | |
| Gut 2.000 Menschen beteiligten sich in Sachsen am „Schulstreik“, etwa in | |
| Dresden, Leipzig und Chemnitz. Die überwiegend jungen Menschen in Dresden | |
| riefen „Kein Mensch, kein Cent der Bundeswehr“ und „Hoch mit der Bildung, | |
| runter mit der Rüstung“. Auf den Transparenten und Plakaten war unter | |
| anderem zu lesen: „Für Wahlen zu jung, aber für Krieg reicht's“ und „F�… | |
| eine Zukunft ohne Zwangsdienste“. | |
| ## Sozialpolitik statt Aufrüstung | |
| In Shmuels Ansprache in Berlin zeigt sich die empfundene Diskrepanz | |
| zwischen Jugendlichen und den Entscheidungsträger*innen in der | |
| Bundesregierung. „Die Politiker sind nicht unsere Politiker – kein Cent für | |
| ihre Aufrüstung!“, sagt er. | |
| In der Bundeswehr erwarten die jungen Menschen Diskriminierung, | |
| Erniedrigung und Gewalt durch Vorgesetzte, befürchtet Shmuel. Um sich der | |
| Instrumentalisierung von jungen Menschen zu widersetzen ruft er die | |
| Versammelten dazu auf, sich in Schulen, Unis und Betrieben zu organisieren. | |
| Es gelte, dafür zu kämpfen, dass mehr Geld in Sozialpolitik fließt, statt | |
| in Militarisierung. | |
| Der Schüler Malte schließt sich der Forderung seines Vorredners an und | |
| kritisiert Kürzungen im Sozialen bei gleichzeitigen Milliarden-Gelder für | |
| die Bundeswehr: „Wir leben in einem System, das Profite über Menschen | |
| stellt – Jugendliche sollen auf andere Jugendliche schießen, während die | |
| Bonzen Champagner saufen und sich über steigende Rüstungsprofite freuen.“ | |
| Nicht nur Jugendliche, auch eine Grundschullehrerin, die im „Bündnis gegen | |
| Waffenproduktion“ organisiert ist, kommt zu Wort. Sie zitiert eine ihrer | |
| Schüler*innen, die mit Bezug auf die von Friedrich Merz angestoßene | |
| Stadtbild-Debatte gefragt habe: „Sie wollen uns hier nicht haben, aber | |
| jetzt sollen wir für sie sterben?“ Die Regierung schüre ubegründete Angst | |
| vor einem russischen Angriff und rechtfertige so die Aufrüstung, meint die | |
| Lehrerin. Man müsse sich entschlossen gegen Krieg und Militarisierung | |
| stellen, „egal ob in Deutschland, Sudan, Palästina, Ukraine oder Russland“. | |
| ## Kriegsdienstverweigerung ist auch eine Option | |
| Zuletzt spricht noch Michael Schulze von Glaßer von der [3][Deutschen | |
| Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen]. Die | |
| Jugendlichen, die ab nächstem Jahr ihre Musterungsbögen bekommen sollen, | |
| fordert er auf, diese zu verbrennen und sich für die Rekrutierung | |
| „möglichst unattraktiv“ zu machen. Er sichert ihnen außerdem zu, dass sie | |
| bei einer Kriegsdienstverweigerung nicht auf sich alleine gestellt seien, | |
| seine Organisation werde sie unterstützen. | |
| Am Ende der Kundgebung zieht die Masse an Streikenden weiter zu einer | |
| Demonstration am Oranienplatz um 16 Uhr. Dort haben diverse Bündnisse, | |
| darunter die Interventionistische Linke, die DKP Berlin, die Jusos und die | |
| Grüne Jugend zu einem Protest unter dem Motto „Nein zur Wehrpflicht!“ | |
| aufgerufen. | |
| Die 13-Jährige Paula von einer Schule in Berlin Friedrichshain sagt zur | |
| taz, sie sei für ihre Brüder und Cousins hier: „Ich will nicht, dass sie in | |
| den Krieg müssen“. Der nächste bundesweite Streik ist für den 5. März 2026 | |
| geplant. | |
| 5 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bundesweite-Schuelerinnenproteste/!6134812 | |
| [2] /Bundestagsbeschluss-zum-Wehrdienst/!6135624 | |
| [3] https://dfg-vk.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Marlene Thaler | |
| Anselm Mathieu | |
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