Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozess wegen NSU-Terrorhilfe: Wo Beate Zschäpe ins Schwimmen ger�…
> Im Prozess gegen die beschuldigte NSU-Helferin Susann Eminger sagt Beate
> Zschäpe aus. Sie nimmt ihre frühere Freundin in Schutz – und kommt in
> Erklärungsnot.
Bild: Die Angeklagte Susann Eminger am Mittwoch im Oberlandesgericht Dresden
Mit einem Lächeln betritt Beate Zschäpe den Gerichtssaal, in Handschellen,
die langen Haare offen, von Wärterinnen hineingeführt. Für ihre einst beste
Freundin auf der Anklagebank, Susann Eminger, hat sie keinen Gruß. Und auch
Eminger weicht dem Blick aus.
Sie habe seit 14 Jahren keinen Kontakt mehr zu Eminger, wird Zschäpe kurz
darauf der Richterin erzählen. Seit dem November 2011. Seit sie den letzten
Unterschlupf in der Zwickauer Frühlingsstraße anzündete, die Bekennervideos
verschickte – und der Nationalsozialistische Untergrund aufflog. Es war die
schwerste Rechtsterrorserie der Bundesrepublik.
Der Auftritt Zschäpes am Mittwoch im Oberlandesgericht Dresden [1][war mit
Spannung erwartet worden]. Schon am Morgen gibt es eine kleine Kundgebung
vor dem Gericht, die nochmals Aufklärung zum NSU-Terror einfordert. Eigens
reisten einige Hinterbliebene der Mordopfer Mehmet Kubaşık und Theodoros
Boulgarides an sowie das Anschlagsopfer Serkan Yildirim. Denn bis heute
sind zentrale Fragen zu den Terrortaten offen. Und über viele Jahre hatte
Zschäpe geschwiegen. Zu den 10 Morden, den 3 Anschlägen, den 15
Raubüberfällen.
Erst gegen Ende des NSU-Prozesses in München hatte Zschäpe Fragen
beantwortet, schriftlich vorgetragen von ihrem Anwalt. Hatte behauptet,
alle Taten gingen auf das Konto ihrer toten Untergrundkumpanen Uwe Mundlos
und Uwe Böhnhardt.
Das Gericht verurteilte Zschäpe dennoch für alle Taten, zu lebenslanger
Haft mit besonderer Schwere der Schuld. Danach sagte Zschäpe vor
Abgeordneten des bayrischen Untersuchungsausschusses aus, die zu ihr in der
JVA Chemnitz fuhren. Und im Sommer 2023 auch bei einer BKA-Vernehmung, fünf
Tage lang, wieder in der JVA.
## Erster öffentlicher Auftritt
Im Gericht in Dresden spricht Zschäpe nun erstmals ausführlich öffentlich.
Und sie muss es auch: Die 50-Jährige ist als Zeugin geladen, im [2][Prozess
gegen Susann Eminger, der Terrorunterstützung vorgeworfen wird]. Es gehe
ihr gut, sagt Zschäpe auf Nachfrage von Richterin Simone Herberger. Sie
mache in der JVA eine Ausbildung zur Modenäherin.
Was sie heute zu den NSU-Taten sage, fragt Herberger. Zschäpe zögert. Sie
bleibt dabei, dass sie bei keinem Mord, keinem Anschlag, dabei war. Es habe
aber etwas gedauert, bis die Einsicht gekommen sei, dass sie die Gruppe
zusammengehalten habe, dass sie selbst Schuld trage. Heute sage sie: „Ich
schäme mich.“
Dann geht die Richterin mit Zschäpe chronologisch die NSU-Geschichte durch.
Das Abtauchen 1998 in Jena mit Mundlos und Böhnhardt wegen
Sprengstofffunden in einer Garage, die Zschäpe angemietet hatte. Das
Verstecken in Chemnitz und Zwickau, in Wohnungen, die Szenefreunde
beschafften, darunter André Eminger, der Ehemann von Susann Eminger. Die
Legenden gegenüber Nachbarn, bei denen sie sich als Liese, Max und Gerri
ausgaben. Und dann das Auffliegen am 4. November 2011 nach einem
gescheiterten Banküberfall in Eisenach, nach dem sich Mundlos und Böhnhardt
erschossen.
Zschäpe antwortet erst widerwillig, fragt, ob man wirklich beim „Urschleim“
anfangen wolle. Dann aber erzählt sie, lehnt sich zurück, streicht sich
durchs Haar. Bedauert, dass bei den Banküberfällen Betroffene gelitten
hätten. Nennt Namen, wer ihnen die Wohnungen besorgte – aber keine, die
nicht schon in den Ermittlungen zutage traten. Einzig zu einem der Helfer,
Matthias D., erklärt sie, anders noch als in München, dass sie diesen noch
auf ihrer Flucht getroffen und in die Terrorserie eingeweiht habe.
## „Wichtigste Person“ außerhalb des Terrortrios
Auffällig ist auch, dass sie Susann Eminger nur belastet, wo es ohnehin
nichts abzustreiten gibt. Dass diese die Monitore der Überwachungskameras
in der letzten Wohnung sah, dass sie von ihr eine Krankenkassenkarte,
Bahncards und Kleidung auf der Flucht bekam. Auch am Mittwoch nennt Zschäpe
Susann Eminger ihre damals „wichtigste Person“ außerhalb des Trios. Sie
hätten sich regelmäßig getroffen, seien abends weggegangen, meist aber mit
den Kindern unterwegs gewesen, das habe ihr gutgetan. Über Politisches habe
man nicht gesprochen, auch wenn Eminger früher in der rechten Szene gewesen
sei.
Aber Zschäpe beteuert, Eminger erst 2007 kennengelernt zu haben, erst viele
Jahre nach ihrem Mann André Eminger. Weil man vorher schlechte Erfahrungen
mit früheren Partnerinnen von Helfern gemacht habe und vorsichtig geworden
sei.
Als Zschäpe damals aber wegen eines mutwillig verursachten Wasserschadens
in ihrem Wohnhaus zu einer Polizeivorladung musste, habe sie dann ein
Kennenlerntreffen mit Susann Eminger organisiert – und sich dann auf dem
Revier, in Begleitung von André Eminger, als diese ausgegeben. Hier hakt
die Richterin nach: Solch ein heikler Rettungsdienst, ohne sich vorher
wirklich zu kennen? Aber Zschäpe bleibt dabei. „Hundertprozentig hatten wir
vorher keinen Kontakt.“
Und sie beteuert, Susann Eminger danach nur eingeweiht zu haben, dass das
Trio Überfälle beging – und in die Morde und Anschläge gar nicht. Auch
André Eminger will Zschäpe erst auf der Flucht alles erzählt haben, als er
sie mit dem Auto abholte und zum Bahnhof fuhr. Auch hier bleibt Herberger
hartnäckig. Habe Susann Eminger denn nie Nachfragen gestellt, warum sie
denn über Jahre im Untergrund lebten, sich mit Tarnnamen anredeten, von
Telefonzellen telefonierten?
## Zschäpe wird herrisch
Zschäpe gerät ins Schwimmen. Sie habe dann auf den Sprengstofffund von 1998
verwiesen und sonstige Fragen abgebügelt. Aber das sei doch schon verjährt
gewesen. Zschäpe wird herrisch, fällt der Richterin ins Wort. Susann
Eminger habe eben nicht nachgefragt. „Ich weiß, dass das alles nicht
irgendwo logisch ist“, wird Zschäpe laut. „Aber die Sache war nun einfach
mal so. Wir wurden einfach nicht gefragt.“
Klar ist: Jemand lügt. Denn [3][während Susann Eminger bisher schweigt],
erklärte André Eminger, er habe aus dem Fernsehen von den NSU-Morden
erfahren. Es ist die zentrale Frage im Prozess gegen Susann Eminger: Wusste
sie bei ihrer Hilfe von den Terrortaten?
Auch Gamze Kubaşık, Tochter des ermordeten Mehmet Kubaşık, verfolgt die
Aussage Zschäpes – und glaubt ihr nicht. „Sie sagt nicht die Wahrheit, sie
widerspricht sich und sie versucht, ihre frühere Freundin zu schützen.“
Alles spreche dafür, glaubt Kubaşık, dass die Emingers sehr wohl von den
Terrortaten wussten – und sehr wahrscheinlich auch an ihnen mitwirkten.
Susann Eminger wiederum verfolgt das Ganze starr, vor einer Pause wischt
sie sich eine Träne aus dem Auge. Zschäpe schaut auch da nicht zu ihr,
verlässt wieder lächelnd den Saal. Am Ende des Prozesstages aber lächelt
sie nicht mehr, wirkt genervt über die Fragen der Richterin und beklagt,
sie fühle sich hier wie eine Angeklagte, nicht wie eine Zeugin. Am
Donnerstag aber soll sie wiederkommen, zum zweiten Tag ihrer Aussage.
3 Dec 2025
## LINKS
[1] /NSU-Opferanwaelte-vor-Zschaepe-Aussage/!6134418
[2] /14-Jahre-NSU-Prozess/!6122841
[3] /Prozess-wegen-NSU-Terrorhilfe/!6127686
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
NSU-Prozess
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rechter Terror
Beate Zschäpe
Social-Auswahl
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
## ARTIKEL ZUM THEMA
Letzter NSU-Prozess in Dresden: „Dann sag die Wahrheit!“
Beate Zschäpe zeigt vor Gericht Erinnerungslücken zum NSU-Terror und
beteuert Mitleid mit den Mordopfern. Die Angehörigen reagieren emotional.
NSU-Opferanwälte vor Zschäpe-Aussage: „Wer waren die Helfer des NSU?“
Die NSU-Terroristin Beate Zschäpe soll im Prozess gegen ihre frühere
Freundin aussagen. Opferanwältin Antonia von der Behrens fordert endlich
Aufklärung.
Prozess wegen NSU-Terrorhilfe: Die Zschäpe-Freundin schweigt
14 Jahre nach dem NSU-Auffliegen steht nochmal eine Helferin vor Gericht:
Susann Eminger. Ein NSU-Opfer reist zum Prozessauftakt und wird enttäuscht.
14 Jahre NSU-Prozess: Die letzte Angeklagte
Sie war Beate Zschäpes engste Freundin, half ihr im Untergrund mit
Tarnnamen. 14 Jahre später startet am Donnerstag der Prozess gegen Susann
Eminger.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.