| # taz.de -- Letzter NSU-Prozess in Dresden: „Dann sag die Wahrheit!“ | |
| > Beate Zschäpe zeigt vor Gericht Erinnerungslücken zum NSU-Terror und | |
| > beteuert Mitleid mit den Mordopfern. Die Angehörigen reagieren emotional. | |
| Bild: Damals Angeklagte, jetzt Zeugin: Beate Zschäpe, hier im Juli 2018 am let… | |
| Irgendwann hält es [1][Gamze Kubaşık] nicht mehr aus. Als [2][Beate | |
| Zschäpe] minutenlang erzählt, dass es „keine im Ansatz vernünftige | |
| Erklärung“ für die NSU-Morde an den neun Migranten gegeben habe. Die | |
| Ausländerfeindlichkeit habe man schon früher gehabt, vor dem Abtauchen, in | |
| Thüringen. Aber Morde? „Ich kann es selber nicht erklären. Es ist ganz | |
| schlimm.“ Vielleicht eigene Frustration, um sich über andere zu stellen. | |
| „Wir waren kleine Würstchen.“ | |
| Völlig willkürlich seien die Opfer ausgewählt worden, fährt Zschäpe fort, | |
| nur wegen ihrer Herkunft. „Eigentlich ist diese Willkür sogar das | |
| Schlimmste.“ Die Opfer hätten ja nichts gemacht. „Es gibt für die Morde | |
| keine Entschuldigung. Ich werde es nicht gutmachen können.“ Wenn jemand so | |
| etwas ihrer Oma angetan hätte, würde sie es „niemandem verzeihen“. | |
| Dann springt Gamze Kubaşık, die schon ganzen Vormittag und auch am Vortag | |
| die Aussage von Zschäpe im Oberlandesgericht Dresden verfolgt hatte, im | |
| Publikum auf. „Dann sag die Wahrheit! Du bist verantwortlich, dass mein | |
| Vater gestorben ist. Du hast mein Leben zerstört“, ruft sie, die Worte | |
| hallen über die Glasfront, hinter der Zschäpe sitzt. „Wer hat euch | |
| unterstützt?“ | |
| Zschäpe dreht sich zu Kubaşık um, antwortet nicht. Schnell aber legen ihr | |
| Justizwachtmeisterinnen Handschellen an – während Kubaşık von Wachtmeistern | |
| aus dem Saal gedrängt wird, unter Protestrufen von Zuhörenden. Noch auf dem | |
| Hof des Gerichts ruft Kubaşık: „Sie lügt.“ Auch ihre ebenfalls anwesende | |
| Mutter Elif Kubaşık ist aufgebracht. Beide Frauen weinen, werden von | |
| Bekannten getröstet. | |
| ## Zschäpe gibt Lüge zu | |
| Es war am 4. April 2006, als in Dortmund Mehmet Kubaşık erschossen wurde, | |
| mit zwei Kopfschüssen aus einer Ceska-Pistole, in seinem Kiosk. Es war der | |
| achte der zehn Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), neun | |
| davon an Migranten. Für die Terrorserie wurde Beate Zschäpe 2018 vor dem | |
| Oberlandesgericht München zu lebenslanger Haft verurteilt, mit besonderer | |
| Schwere der Schuld. Ihre beiden Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt | |
| hatten sich 2011 bereits getötet, als sich der NSU selbst enttarnte. | |
| In Dresden nun sagt Zschäpe im Prozess gegen ihre zu Untergrundzeiten beste | |
| Freundin [3][Susann Eminger] aus, der als Letzter noch eine Unterstützung | |
| des NSU vorgeworfen wird. Und Zschäpe räumt am Donnerstag erstmals ein, | |
| dass sie im Münchner NSU-Prozess, als sie am Ende schriftliche Angaben | |
| machte, gelogen hat. Dort hatte sie noch behauptet, von den Morden immer | |
| erst im Nachgang von Mundlos und Böhnhardt erfahren zu haben. In Dresden | |
| nun sagt Zschäpe, das sei „nicht richtig“ gewesen. Denn anhand von | |
| Vorbereitungen von Mundlos und Böhnhardt im Vorfeld habe sie durchaus | |
| gewusst, dass es wieder Morde geben werde, weil die Muster sich geglichen | |
| hätten. „Das hätte ich ergänzen müssen.“ | |
| Also ließ Zschäpe die Morde zumindest geschehen. Die Frage in Dresden ist | |
| nun: Weihte das Trio auch Susann Eminger ein? Dass Eminger ihr Papiere und | |
| Personalien lieh, räumt Zschäpe ein. Schon am Mittwoch hatte sie dazu | |
| ausgesagt, aber auch am Donnerstag bleibt sie bei ihrer Linie: Von den | |
| Terrortaten habe Susann Eminger nicht gewusst. Nur von den Raubüberfällen | |
| habe das Trio Susann Eminger und ihrem Mann André Eminger, der bereits in | |
| München verurteilt wurde, 2007 erzählt. | |
| Zschäpe bestätigt auch, dass Susann Eminger mit ihrem kleinen Sohn Ende | |
| Oktober 2011 auch bei der Anmietung des Wohnmobils für den letzten | |
| NSU-Überfall in Eisenach dabei war. Dass dies für einen Überfall geschah, | |
| müsse ihr klar gewesen sein, schließlich seien die Emingers eingeweiht | |
| worden, sagt sie erst – später relativiert sie das. Andere Helfer, wie | |
| Matthias D. oder Max-Florian B., die Wohnungen beschafften, habe man | |
| dagegen nicht eingeweiht, beteuert Zschäpe. Diese hätten aber auch keine | |
| Fragen gestellt. Die Existenz weiterer Mittäter oder Helfer bei den Morden | |
| streitet Zschäpe ganz ab. „Das würde ich ausschließen.“ | |
| ## Viele offene Fragen | |
| Ansonsten bleibt Zschäpe [4][stets im Vagen], hat immer wieder | |
| Erinnerungslücken, die sie tags zuvor auch als „Haftschaden“ zu | |
| entschuldigen versuchte. Bei Antworten bleibt sie oberflächlich, vermag | |
| sich an Details nicht zu erinnern. Dass das Trio einen Schlüssel zur | |
| Wohnung der Emingers hatte, der im Brandschutt des letzten Verstecks in | |
| Zwickau lag? Keine Erinnerung. Wie Susann Eminger auf eine 900 Euro teure | |
| Reise ins Disneyland Paris reagierte, die das Trio ihr schenkte? Sie gehe | |
| davon aus, dass sich darüber gefreut wurde. Woher die Waffen des Trios | |
| kamen? Zschäpe bleibt vage: über „persönliche Beziehungen“. Und nennt nur | |
| Bekanntes: über den Szenefreund Thomas S., über einen Spieleladen in | |
| Zwickau – und der Weg der Ceska sei „ja bekannt“. Die weiteren Waffen? �… | |
| kann ich nichts groß dazu sagen.“ Die Richterin fragt nicht weiter nach. | |
| Es ist dieses Ausweichen, das die eigens angereisten Hinterbliebenen wie | |
| Gamze Kubaşık die Köpfe schütteln lässt – und nach Zschäpes | |
| Mitleidsbeteuerungen aufspringen lässt. Aber auch für das Gericht und die | |
| Bundesanwaltschaft sind noch Fragen offen. Zschäpe wird zu einem weiteren | |
| Befragungstermin im Januar vorgeladen. | |
| 4 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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