| # taz.de -- Energieversorgung der Zukunft: Fusionieren statt spalten | |
| > Hamburg und Schleswig-Holstein wollen bei der Entwicklung eines | |
| > Kernfusionsreaktors mitmischen. Hilft das dem Ziel, bis 2050 klimaneutral | |
| > zu werden? | |
| Bild: Ganz schön lang: der Teilchenbeschleuniger des Deutschen Elektronen-Sync… | |
| Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein wollen an der | |
| Energieversorgung der Zukunft mitarbeiten und die dafür vorgesehenen | |
| Fördermittel anzapfen. Konkret geht es um die Kernfusion, die zu den sechs | |
| Handlungsfeldern gehört, die die Bundesregierung auf ihrer Hightech-Agenda | |
| stehen hat. Die Wissenschaftsministerinnen der beiden Länder, Maryam | |
| Blumenthal (Grüne) und Dorit Stenke (CDU) stellten ihren Vorschlag am | |
| Dienstag im Hamburger Rathaus vor. | |
| Bei der Kernfusion wird Energie daraus gewonnen, leichte Atome miteinander | |
| zu verschmelzen, statt schwere Atome zu spalten. Der Vorteil gegenüber der | |
| Kernspaltung besteht darin, dass die Reaktion nicht außer Kontrolle geraten | |
| kann, weil sie stoppt, sobald die Energiezufuhr von außen unterbrochen | |
| wird. Bei der Kernfusion entstehen nur schwach und mittelradioaktive | |
| Abfälle, die binnen 100 Jahren abklingen. | |
| Die Fusion zu starten erfordert sehr viel Energie, weil damit ein Prozess | |
| in Gang gebracht werden muss, der auf der Sonne unter sehr hohem Druck und | |
| sehr hohen Temperaturen abläuft. Um das auf der Erde zu erreichen, gibt es | |
| zum einen die Magnetfusion, bei der ein Gas als Brennstoff in ein | |
| Magnetfeld eingeschlossen und erhitzt wird. Zum anderen gibt es die | |
| Trägheitsfusion, bei der der Brennstoff durch kurze, sehr energiereiche | |
| Laserimpulse erhitzt wird. | |
| „Bei der magnetbasierten Fusionstechnologie ist Deutschland führend“, sagte | |
| Thomas Feurer, Geschäftsführer des Röntgenlasers European XFEL auf dem | |
| [1][Gelände des Deutschen Elektrononensynchrotrons (Desy)] mit Sitz in | |
| Hamburg-Bahrenfeld. So hat der [2][Testreaktor Wendelstein 7-X] im | |
| vorpommerschen Greifswald im Februar 2023 einen Rekord aufgestellt: Rund | |
| acht Minuten lang konnte er den Brennstoff in einem Zustand halten, der die | |
| Voraussetzung für die Fusion ist. | |
| ## Sechs-Länder-Allianz | |
| Nachholbedarf habe Deutschland jedoch bei der laserbasierten Fusion – und | |
| eben hier wollen Hamburg und Schleswig-Holstein ansetzen, auf deren | |
| Territorium sich die Laser und Teilchenbeschleuniger befinden. Dabei geht | |
| es um eine Menge Fördergeld vom Bund: 1,7 Milliarden Euro für die Forschung | |
| und den Aufbau eines Fusions-Ökosystems aus Wissenschaft und Industrie. | |
| Überdies sind 755 Millionen Euro für Forschungsinfrastruktur zu vergeben. | |
| Um auf diese Töpfe zugreifen zu können, haben die beiden Nordländer Ende | |
| Oktober mit Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Hessen und Bayern eine | |
| „Fusionsallianz“ gegründet. Alle Länder hätten dafür „erhebliche | |
| Vorleistungen erbracht“, hieß es bei der Vorstellung der Allianz, die jetzt | |
| „arbeitsteilig gebündelt, vernetzt und nochmals erheblich ausgeweitet | |
| werden“ sollen. | |
| „Wir haben den einzigen Laser der Welt, der Fusionsprozesse sichtbar machen | |
| kann“, sagte Wissenschaftssenatorin Blumenthal. Der XFEL kann Aufnahmen mit | |
| atomarer Auflösung und extremer Zeitlupe machen und so „jedem Atom und | |
| jedem Elektron bei der Arbeit zusehen“, wie es Feurer ausdrückt. Ohne | |
| solche Beobachtungsmöglichkeiten könne laserbasierte Fusion nicht oder nur | |
| mit großer Verzögerung zur Kraftwerkstechnologie werden. | |
| Hamburg als Standort habe den Vorteil, [3][dass der 1,5 Milliarden Euro | |
| teure XFEL] für einen vergleichsweise bescheidenen Betrag von im ersten | |
| Schritt 50 bis 100 Millionen Euro aufgerüstet werden müsste, um für die | |
| Fusionsforschung tauglich zu werden. | |
| Ins Spiel kommen hier auch die Hamburger Teilchenbeschleuniger, für die in | |
| Zukunft auch Laser eine entscheidende Rolle spielen könnten, sodass ein | |
| Synergieeffekt bei der Forschung entstünde. Zudem lasse sich der in Planung | |
| befindliche Beschleunigerring Petra IV nutzen, um das Material für die | |
| Reaktorwände zu erforschen, sagte Desy-Direktorin Beate Heinemann. | |
| Die Hoffnung der Politik ist, dass sich mit der Fusionsforschung | |
| Arbeitsplätze in der Forschung sowie bei Dienstleistern und Zulieferern | |
| schaffen lassen, und dass sich daraus Innovationen für die Industrie und | |
| Impulse für die Hochschulen ergeben. Last but not least ist damit die | |
| Hoffnung verbunden, quasi unendlich CO2-freien Strom erzeugen zu können. | |
| Dabei [4][dürfte die Fusionsenergie], wenn nicht noch ein Wunder passiert, | |
| für das Ziel, die EU bis 2050 quasi klimaneutral zu machen, keine Rolle | |
| spielen. So lange wird es voraussichtlich mindestens dauern, bis das erste | |
| Fusionskraftwerk ans Netz gehen kann. Dazu kommt die Frage, ob sich der | |
| irrsinnige Forschungsaufwand dafür lohnt. | |
| Greenpeace weist darauf hin, dass es eine viel einfachere Technik gebe, um | |
| die Energie der Sonne zu nutzen: die Solarenergie. „Die von der | |
| Bundesregierung bereitgestellte Milliarde Euro für die Fusionsforschung | |
| wäre im Zubau von erneuerbaren Energien sinnvoller investiert“, sagt Heinz | |
| Smital von Greenpeace. Zudem werde die Forschung an der Laserfusion auch | |
| für den Bau von Atomwaffen genutzt. Dem steht das Argument gegenüber, dass | |
| es sich um Grundlagenforschung handelt. | |
| 2 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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