| # taz.de -- Ökonomin über neue Milliardenschulden: „Der Nutzen übersteigt … | |
| > In dieser Woche stimmt der Bundestag über den Bundeshaushalt 2026 ab, | |
| > inklusive neuer Schulden. Warum die jüngeren Generationen dennoch | |
| > profitieren. | |
| Bild: Eine Investition für die Zukunft: die Infrastruktur der Deutschen Bahn a… | |
| taz: Rund ein Drittel des [1][Bundeshaushalts 2026] stammt aus neuen | |
| Schulden. Die schwarz-rote Koalition beschließt das in der letzten | |
| Novemberwoche im Bundestag. Sollten sich junge Leute darüber Sorgen machen? | |
| Geraldine Dany-Knedlik: Unbedingt, und es wäre gut, wenn sich mehr von | |
| ihnen an der Diskussion beteiligten. Denn die heute jungen Generationen | |
| werden diese Schulden in Zukunft abarbeiten – nicht diejenigen, die jetzt | |
| bereits kurz vor der Rente stehen. Wichtig für erstere ist auch, dass wir | |
| das System der Altersvorsorge reformieren. Wenn wir es richtig anfangen, | |
| kann aus alldem eine optimistische Geschichte entstehen. | |
| taz: Die Jungen erben zwar die hohen Staatsschulden, aber bekommen sie auch | |
| etwas dafür? | |
| Dany-Knedlik: Wenn es funktioniert, leben sie später in einem Land, dessen | |
| Volkswirtschaft mit modernen Anlagen und einer guten Infrastruktur | |
| ausgestattet ist. Die Regierungen müssen die frischen Kredite aber auch | |
| wirklich in zusätzliche Investitionen stecken, in die Digitalisierung der | |
| staatlichen Verwaltung, bessere Kitas, Schulen und Universitäten. Falsch | |
| wäre es dagegen, mit den neuen Schulden laufende Ausgaben zu finanzieren. | |
| Das würde keine Wachstumsperspektive schaffen. | |
| taz: Der Bundeshaushalt 2026 [2][umfasst 525 Milliarden Euro]. 180 | |
| Milliarden Euro davon sind Kredite, unter anderem für das | |
| [3][Sondervermögen Infrastruktur] und Klimaneutralität. Die Zinsen belaufen | |
| sich auf 34 Milliarden Euro, in den nächsten Jahren steigt der Betrag wohl | |
| an. Ein Teil des frischen Geldes geht also gleich wieder flöten. | |
| Dany-Knedlik: Aber spricht das gegen die Verschuldung? Ich denke nein. Wir | |
| müssen dringend in den Erhalt unserer wirtschaftlichen Substanz | |
| investieren, sonst erleiden wir künftig weitere Verluste. Das kostet eben | |
| Zinsen. Man hat zu lange mit den Ersatzinvestitionen gewartet. Da haben die | |
| älteren Generationen tatsächlich zu viel konsumiert und wenig investiert. | |
| taz: Kann der Staat ewig so viele neue Kredite aufnehmen wie | |
| augenblicklich? | |
| Dany-Knedlik: Das geht nur eine gewisse Zeit gut. Die Schulden müssen ja | |
| tragfähig bleiben. Das sind sie so lange, wie die Käufer deutscher Anleihen | |
| glauben, dass der Staat später die Zinsen zahlen und die Kreditaufnahme | |
| auch wieder verringern kann. Dafür müssen wir die Wirtschaft heute in den | |
| Zustand versetzen, dass sie morgen genug Wachstum hervorbringt, und zwar so | |
| viel, dass dieses Wachstum langfristig höher ist als der durchschnittliche | |
| Zins. Wenn das kippt, wird Schuldenabbau schwieriger. | |
| taz: Die Schuldenstandsquote beträgt augenblicklich etwa 64 Prozent im | |
| Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), der Wirtschaftsleistung. In zehn | |
| Jahren mag sie auf 85 Prozent zunehmen. Weiß man, wo die Grenze liegt, | |
| hinter der die Staatsverschuldung gefährlich hoch wird? | |
| Dany-Knedlik: Das lässt sich nicht objektiv sagen. Es hängt vom jeweiligen | |
| Staat und seinen Bedingungen ab. Die USA und Japan haben | |
| Staatsschuldenquoten in der doppelten und dreifachen Größenordnung im | |
| Vergleich zu uns. | |
| taz: Die kreditfinanzierten Investitionen in den kommenden zehn Jahren | |
| bedeuten, dass vielleicht 1.500 Milliarden Euro zusätzlich in die | |
| Infrastruktur und die Bundeswehr fließen. Um wie viel erhöht das momentane | |
| kreditfinanzierte Programm die Wirtschaftsleistung? | |
| Dany-Knedlik: In 2026 schätzen wir den Gesamteffekt des expansiven Impulses | |
| auf 0,8 Prozentpunkte und in 2027 auf 0,4 Prozentpunkte. In späteren Jahren | |
| kann die Wirkung zunehmen. | |
| taz: Wie genau kommt durch staatliche Investitionen Wachstum zustande? | |
| Dany-Knedlik: Nehmen wir als Beispiel eine Autobahn, die man ausbaut. Die | |
| Bauverwaltung kündigt das an, Bauunternehmen rechnen sich Chancen für | |
| Aufträge aus. Sie kürzen keine Jobs, stattdessen stellen sie neue Leute ein | |
| und ersetzen alte Fahrzeuge. Die Beschäftigten geben das zusätzliche Geld | |
| aus, ebenso die Lieferanten. Davon profitieren weitere Firmen, der | |
| Wirtschaftskreislauf kommt in Schwung. | |
| taz: Lässt eine neue Autobahn, Bahnlinie oder Höchstspannungsleitung das | |
| BIP stärker steigen als eine neue Munitionsfabrik? | |
| Dany-Knedlik: Auf jeden Fall. Mit der Herstellung von Munition verdienen | |
| zwar auch Leute Geld und geben es aus. Danach werden die Geschosse jedoch | |
| ins Lager gestellt oder verfeuert und lösen selbst kein weiteres Wachstum | |
| aus. Im Gegensatz zu einer Autobahn oder Bahnlinie: Diese ermöglichen | |
| Verkehr, der zusätzlichen Wohlstand erzeugen kann. Wobei außenpolitische | |
| Sicherheit eine Grundvoraussetzung für anhaltendes Wirtschaftswachstum | |
| darstellt. | |
| taz: Wenn die kreditfinanzierten Investitionen nun zehn Jahre lang jeweils | |
| ein Prozent zusätzlichen BIP-Wachstums erzeugten, stiege die deutsche | |
| Wirtschaftsleistung in einer Größenordnung von über 500 Milliarden Euro. | |
| Vielleicht 300 Milliarden Euro flössen als zusätzliche Löhne an die | |
| Arbeitnehmer-Haushalte. Keine schlechte Bilanz? | |
| Dany-Knedlik: Wenn man die Verteilung betrachtet, dürften die Investitionen | |
| auch zu höheren Einkommen von Privathaushalten führen. Davon profitieren | |
| auch die jüngeren Generationen. | |
| taz: Kann man insgesamt davon ausgehen, dass der Wohlstandseffekt des | |
| Verschuldungsprogramms höher ausfällt als die Kosten? | |
| Dany-Knedlik: Ich halte es für plausibel, dass der Nutzen die Kosten | |
| übersteigt. Auch das ist eine gute Nachricht für junge Leute. Das trifft | |
| aber nur zu, wenn wir gleichzeitig Reformen im regulären Bundeshaushalt | |
| vornehmen. | |
| taz: Welche Reformen? | |
| Dany-Knedlik: Ausgaben, die den Etat stark belasten, sollten wir | |
| verringern. Dabei geht es um den Zuschuss von etwa 120 Milliarden Euro pro | |
| Jahr [4][in die Rentenversicherung], was mehr als 20 Prozent des | |
| Bundesbudgets ausmacht. Das können wir uns auf die Dauer nicht leisten. | |
| taz: Wie reduziert man ihn? | |
| Dany-Knedlik: Aus ökonomischer Sicht liegt der Kernpunkt in der | |
| demografischen Entwicklung. Viele Beschäftigte gehen in Rente, es kommen | |
| nicht genug Arbeitskräfte nach. Um die Lücke zu verringern, würde es | |
| helfen, das Arbeitsvolumen der aktiven Erwerbspersonen zu steigern. Ein | |
| Mittel könnte darin bestehen, das Renteneintrittsalter von 67 Jahren | |
| anzuheben, wodurch der Zuschussbedarf abnähme. Mehr | |
| Arbeitsmarkt-Partizipation von Frauen, die heute oft in Teilzeit arbeiten, | |
| hälfe ebenfalls. Und wir sollten Deutschland attraktiver machen für die | |
| Zuwanderung von Facharbeiter:innen. | |
| taz: Die Jungen müssten dann ebenfalls länger arbeiten. Sind Sie | |
| zuversichtlich, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz für die heute 25-Jährigen | |
| positiv ausfallen wird? | |
| Dany-Knedlik: Die jungen Generationen sind in einer guten Ausgangslage, wie | |
| die gesamte Gesellschaft. Die kreditfinanzierten Investitionen können | |
| beträchtliches Wachstum entfachen, wenn wir gleichzeitig hinter uns | |
| aufräumen. Ich finde es schlecht, immer nur pessimistisch zu urteilen. Wir | |
| sind die drittgrößte Ökonomie der Erde. Wir haben eines der besten | |
| Bildungssysteme, Bildung ist per se für alle zugänglich. Das sind perfekte | |
| Voraussetzungen, um die eigene Zukunft in die Hand zu nehmen. | |
| 22 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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