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# taz.de -- Biologin über Hochsensibilität: „Ich kann die Atmosphäre im Ra…
> Hochsensibilität kommt nicht nur bei Menschen vor, auch bei Tieren. Es
> profitiert die ganze Gruppe, sagt die hochsensible Biologin Vera
> Steisslinger.
Bild: Sind teils wie Menschen hochsensibel veranlagt: Wildpferde, hier nicht so…
taz: Frau Steisslinger, was ist Hochsensibilität?
Vera Steisslinger: Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das
sich laut wissenschaftlichen Studien bei circa 20 bis 30 Prozent der
Menschen finden lässt. Es handelt sich also nicht um eine Störung oder
Erkrankung. Hochsensibel zu sein bedeutet, stärker auf innere und äußere
Umweltreize zu reagieren und Informationen anders zu verarbeiten.
Hochsensible Menschen nehmen oft sehr viel wahr, auch Dinge „zwischen den
Zeilen“ oder Stimmungen anderer Menschen.
taz: [1][Sie sind selbst hochsensibel]. Wie zeigt sich dieses Merkmal bei
Ihnen?
Steisslinger: Bei mir gibt es eine starke Wahrnehmung von Details, aber
auch von komplexen Zusammenhängen. Da geht es etwa um die Wahrnehmung
dessen, was zwischen den Zeilen steht. [2][Ich kann gut die Atmosphäre in
einem Raum voller Menschen] [3][erkennen] oder mein Gegenüber ein wenig
differenzierter lesen.
taz: Ist das alltägliche Leben für hochsensible Menschen oft schwerer zu
bewältigen?
Steisslinger: Ja, es gibt für sie [4][Aspekte, die mit Leiden]
[5][verbunden sind, mit Schmerz], emotionaler Verletzung und mit dem
Gefühl, ausgegrenzt zu werden. Hochsensible Menschen sind in einem
Großraumbüro definitiv falsch am Platz.
taz: Beschäftigt Sie als Biologin das Thema Hochsensibilität auch aus
wissenschaftlicher Perspektive?
Steisslinger: Spannend finde ich zum Beispiel, wie die circa 50 Prozent
genetischer Veranlagung mit den persönlichen Erfahrungen eines Menschen,
vor allem in der Kindheit, zusammenwirken, um die jeweilige Sensibilität
auszuprägen. Das gilt sowohl für negative als auch für positive Einflüsse.
taz: Gibt es in der Forschung noch andere interessante Erkenntnisse?
Steisslinger: Ja, die Evolutionsforschung stellt die interessante Frage,
welche Aufgabe Hochsensibilität als ein stabiles Merkmal haben könnte. Dass
es also in einer Gemeinschaft Individuen gibt, die stärker auf ihre Umwelt
reagieren und eigentlich verletzlicher sind als andere. Und zwar nicht nur
bei Menschen, sondern auch bei ganz vielen verschiedenen Tierarten.
taz: Wie zeigt sich Hochsensibilität denn bei Tieren?
Steisslinger: Zum Beispiel könnten in einer Wildpferdeherde solche Tiere
aufmerksam die Umgebung beobachten und erkunden, während die anderen
gemütlich grasen und für Ruhe und Stabilität sorgen. Wenn sich die äußeren
Bedingungen ändern, wenn also eine Gefahr naht oder das Gras zur Neige
geht, dann wissen die sensiblen Tiere eine Lösung. Sie gehen beim Erkunden
auch Risiken ein, wie zum Beispiel hinter dem nächsten Busch gefressen zu
werden oder eben weitere Wege zu laufen. Daher ist die größere Sensibilität
für die gesamte Herde nur von Vorteil, wenn sich nur eine Minderheit der
Tiere so verhält.
taz: Passt das nicht zu der These Ihres Vortrags, dass Hochsensibilität
eine Ressource bei der Gestaltung der Zukunft sein kann?
Steisslinger: Ja, genau! Denn auch bei den Menschen trifft es ja zu, dass
die Wahrnehmung von diversen Möglichkeiten ein wichtiger Punkt ist, um neue
Wege zu gehen. Außerdem wird Hochsensiblen eine hohe Empathiefähigkeit
zugeschrieben. Die Fähigkeit zuzuhören und sich einzufühlen ist für den
zwischenmenschlichen Zusammenhalt unheimlich wertvoll.
taz: Können Sie das noch ein wenig vertiefen?
Steisslinger: Wir sehen bei hochsensiblen Kindern oft, dass sie einen sehr
starken moralischen Kompass haben. Schon als kleine Kinder sind sie sehr
klar in ihrem Wertesystem und stellen Fragen voller Weisheit, bei denen man
sich wundert, wo sie das herhaben. Viele hochsensible Menschen haben eine
große Lust zu lernen und Neues auszuprobieren. Auch wenn sie dabei dann ab
und zu Rückschläge erleiden und einen bunten Lebenslauf aufweisen. Sie
haben eine innere Motivation weiterzumachen, denn sie wissen, dass es etwas
gibt, das über sie hinausweist.
23 Nov 2025
## LINKS
[1] https://www.aurum-cordis.de/person/vera-steisslinger/120
[2] /Gaernter-Tim-R-ueber-sozialen-Ausschluss/!5515962
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[4] /Therapeut-ueber-das-Reden-ueber-Psyche/!6074355
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## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Psyche
Empathie
Pferde
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