| # taz.de -- Umweltminister auf der Klimakonferenz: Carsten Schneiders riskante … | |
| > Umweltminister Schneider ist zu seinem ersten Klimagipfel angereist. Er | |
| > hat sich eine schwere Aufgabe gesucht: Klimaschutz global gerecht zu | |
| > machen. | |
| Bild: Klimasoziale Rhetorik: Umweltminister Schneider besucht ein von Deutschla… | |
| Für seine erste Klimakonferenz hat sich Carsten Schneider einen harten | |
| Brocken ausgesucht: Er leitet das EU-Verhandlungsteam zur „Just | |
| Transition“, dem gerechten Wandel von der klimaschädlichen zur nachhaltigen | |
| Welt. Es passt zu seinem Vorhaben, Klimaschutz sozial gerecht zu machen. | |
| Aber Schneider geht damit eine riskante Wette auf seinen eigenen Erfolg | |
| ein. | |
| Wie viele andere Begriffe der Klimadiplomatie ist der gerechte Wandel | |
| unscharf: Es geht nicht nur darum, wie Arbeiter*innen, die noch in fossilen | |
| Branchen arbeiten, auch in Zukunft Geld verdienen können. Sondern weil bei | |
| UN-Klimakonferenzen alle gemeinsam entscheiden, auch Öl- und Gas-Länder, | |
| muss sogar ausgehandelt werden, dass es bei diesem „Wandel“ um den Wandel | |
| weg von den Fossilen und hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft geht. | |
| Gelingt ein Deal, hat Schneider nicht nur ernsthaften Fortschritt im | |
| internationalen Klimaschutz errungen, sondern auch die klimasoziale | |
| Rhetorik seiner bisherigen Amtszeit mit Taten unterlegt. Aber kommen die | |
| Verhandlungen zu keinem Ergebnis, verlieren Schneider, Deutschland und die | |
| EU noch mehr internationales Vertrauen als ohnehin schon. Und Schneider | |
| selbst wird zum Serienverlierer der Bundesregierung. | |
| ## Den einzigen öffentlichen Kampf hat er verloren | |
| Denn Schneider hat bisher vorsichtig operiert, sich selten aus der Deckung | |
| gewagt, obwohl seine Kollegin Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und | |
| sein Chef Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) über den Sommer mehrfach | |
| öffentlich die Sinnhaftigkeit ambitionierten Klimaschutzes in Deutschland | |
| bezweifelten und Reiche an verschiedenen Stellen die Dekarbonisierung | |
| ausbremsen will. | |
| Den einzigen Kampf, den er öffentlich geführt hat, hat er verloren: Im | |
| September sollten die EU-Umweltminister*innen ein europäisches Klimaziel | |
| für 2040 vereinbaren, aber der französische Präsident Emmanuel Macron | |
| wollte zunächst unter den Regierungschef*innen darüber sprechen. | |
| Schneider forderte öffentlich, die Entscheidung rasch unter den | |
| Minister*innen zu treffen. [1][Merz setzte sich über ihn hinweg], das | |
| Klimaziel verzögerte sich um zwei weitere Monate. Das EU-weite Verbot der | |
| Neuzulassung von Verbrennern 2035, hinter das Schneider sich ebenfalls | |
| prominent gestellt hat, wackelt gefährlich. Auch hier will Merz | |
| Klimaschutzmaßnahmen schwächen. | |
| Jetzt also sein Klimagipfel-Debüt im brasilianischen Belém. „Ich werbe | |
| dafür, dass sozialer Klimaschutz hier eine zentrale Rolle spielt“, sagte er | |
| am Montagmorgen. „Wir haben die nötigen technischen Lösungen und die | |
| Ökonomie auf unserer Seite. Die große Herausforderung ist es, die Übergänge | |
| sozial zu gestalten und nicht einfach geschehen zu lassen.“ Das | |
| beschleunige den Klimaschutz, weil es für Akzeptanz sorgt. | |
| Schneider setzt dafür auf drei Säulen: Arbeiter*innen bräuchten Aus- | |
| und Weiterbildungen für die neuen Jobs. Gewerkschaften, Arbeitgeber und | |
| Kommunen sollen beteiligt werden. Und er will eine „aktive | |
| Strukturpolitik“, die früh beginnt, Infrastruktur aufbaut und neue | |
| Unternehmen ansiedelt. Als Vorbild nennt er die neue Universität und das | |
| ICE-Ausbesserungswerk in Cottbus, die im Rahmen des Lausitzer | |
| Kohleausstiegs Perspektiven sichern sollen. | |
| ## Schneider hat zwei große Aufgaben vor sich | |
| Die Gewerkschaften hat Schneider schon auf seiner Seite. „Sie haben alles | |
| gesagt, was wir für die Arbeiter*innen und die Bevölkerungen fordern“, | |
| sagte ihm Eric Manzi, Vize-Generalsekretär der Internationalen | |
| Gewerkschaftsbundes. Und auch Frederik Moch, Abteilungsleiter für | |
| Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik beim Deutschen | |
| Gewerkschaftsbund, ist erfreut: „Wir sehen, dass Schneider einen stärkeren | |
| Fokus auf die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern | |
| setzt.“ | |
| Zu Beginn der Klimakonferenz war noch nicht abzusehen, ob sich die | |
| Delegierten auf einen Abschlusstext zum gerechten Wandel einigen können. | |
| Aber „der Verhandlungstext sieht schon ziemlich gut aus“, sagte Annabella | |
| Rosemberg der taz. Sie beobachtet für das Climate Action Network die | |
| Verhandlungen. | |
| Absätze zu den Rechten Indigener seien gestärkt worden, lobt Rosemberg. | |
| Außerdem hätten sich die Verhandler*innen darauf geeinigt, dass auch | |
| der Bergbau auf Mineralien, die für die Energiewende wichtig sind, für die | |
| Arbeiter*innen und lokalen Gemeinschaften gerecht gestaltet werden | |
| muss. | |
| Schneider hat jetzt zwei große Aufgaben vor sich: Während sich die EU am | |
| Freitag auf Umsetzungspläne eingelassen hat, sind andere Industrieländer | |
| wie Großbritannien, Kanada und die Schweiz noch nicht überzeugt. Und, sagt | |
| Rosemberg, „die Botschaft muss klar sein, dass der gerechte Wandel die | |
| Energiewende – ausgerichtet auf das Pariser Klimaabkommen – beschleunigt“. | |
| ## Schneider verhandelt über den Gesamterfolg des Gipfels | |
| Über die Position der EU hinaus geht eine andere von Rosembergs | |
| Forderungen: eine Art Beratungsstelle für gerechten Wandel, die den Zugang | |
| zu Finanzierung unterstützt. Die EU will bisher nur Gesprächsformate und | |
| Berichte versprechen. „Wir erwarten ein bisschen mehr Verständnis von der | |
| EU, dass wir nicht nur Dialog brauchen, sondern eine Institution“, sagt | |
| sie. Schneider dagegen will vor allem „schon gemachte Erfahrungen weltweit | |
| teilen, das braucht nicht zwingend neue Strukturen“. | |
| Unabhängig von solchen Details könnte ein Beschluss der Klimakonferenz zum | |
| gerechten Wandel eines ihrer wenigen konkreten Ergebnisse sein, sagt | |
| Rosemberg. Nicht nur das: Ein Deal zum gerechten Wandel ist womöglich | |
| Voraussetzung für den Gesamterfolg des Gipfels. | |
| Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation | |
| Germanwatch, hält eine Einigung bei diesem Verhandlungsstrang für | |
| notwendig, um die zwei anderen und bislang auf der Konferenz prominenteren | |
| Verhandlungen abschließen zu können: Eine Gruppe von Delegierten streitet | |
| weiterhin darum, wie Klima-Anpassung gemessen werden kann und wer die | |
| Anpassung bezahlt. Eine andere Gruppe versucht nach einem überraschenden | |
| Vorstoß des [2][brasilianischen Präsidenten Lula da Silva], sich auf einen | |
| Beschluss auf einen Fahrplan zur Abkehr von fossilen Brennstoffen zu | |
| einigen. Für Bals wäre das [3][eine „kaum zu glaubende Erfolgsmeldung“]. | |
| Mit Ausnahme der fossilen Bremserstaaten würde solch ein Dreiteiler alle | |
| Bündnisse zufriedenstellen: Die Ambitionierten wären dem Ende der Fossilen | |
| einen Schritt näher, die Verwundbaren bekämen Hilfe bei der Anpassung an | |
| die Klimafolgen, und Schwellen- und Industrieländer könnten zu Hause von | |
| Fossilen abhängige Arbeiter*innen und Regionen zum Klimaschutz | |
| bekehren. | |
| Schneider hat sich mit der EU-Verhandlungsführung also ins Zentrum des | |
| Geschehens befördert, das weiß er. „Wenn wir das Thema ernst nehmen, wird | |
| das den Klimaschutz hier und in den Heimatländern voranbringen“, sagte er. | |
| Aber mit seiner Rolle geht auch ein großes Risiko einher: Wenn er mit | |
| seiner Vorstellung von sozialem Klimaschutz auf internationaler Bühne | |
| scheitert, wird ihn das bis nach Deutschland verfolgen. | |
| 18 Nov 2025 | |
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| Jonas Waack | |
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