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# taz.de -- Berliner Premiere der Akram Khan Company: Sie führt in eine Welt v…
> So hinreißend der Tanz, so düster die mythischen Rituale: „Thikra: Night
> of Remembering“ der Akram Khan Company bei den Berliner Festspielen.
Bild: Das Ensemble wischt mit elementarer Kraft über die Bühne in „Thikra: …
Möglicherweise ist es eine matriarchale Welt, in die uns das Ensemble aus
Tänzerinnen in Akram Khans Choreografie „Thikra: The Night of Remembering“
entführt. Schließlich tanzen ausschließlich Frauen auf der Bühne im Haus
der Berliner Festspiele, die die Deutschlandpremiere des Stücks
präsentierten. Das Ambiente ist nächtlich, Höhlen und Felsen deuten sich
an.
Aber Frauen haben nicht nur die Rolle von Königin oder Priesterin, von
Göttin oder Dämonin inne, und vom Chor der Gemeinschaft, der in seinen
Biegungen der Leiber, im Schleudern der langen Haare und Aufstampfen der
Füße einen unwiderstehlichen Sog entfaltet. Frauen sind auch hier in der
Rolle der Opfer, von der Gemeinschaft betrauert und doch auch von ihr
gebraucht.
In dieser Hinsicht scheint das Stück des [1][britisch-indischen
Choreografen Akram Khan], das er zusammen mit der saudi-arabischen
Künstlerin Manal AlDowayan (für narratives Konzept, Kostüme und Bühnenbild)
entwickelt hat, gar nicht so weit entfernt von dem [2][Tanzklassiker „Das
Frühlingsopfer“], das zu der Musik von Igor Strawinsky seit über 100 Jahren
von vielen Tanzensembles immer wieder neu interpretiert wird. Was in
„Thikra: The Night of Remembering“ wiederholt in die Erinnerung dringt und
schmerzhaft durchlebt wird, ist Verlust.
Einmal, zweimal und noch einmal und wieder ist es eine einzelne junge Frau,
die niedersinkt. Eine Figur in Schwarz kommt hinzu, manchmal kriechend wie
eine Spinne, vielleicht ist sie als Dämonin zu lesen. Sie scheint Leben
geben und nehmen zu können. Gestenreich und mit vielen Grimassen, die eben
an die Bilder von Dämonen erinnern, wacht sie über den gefallenen Körpern,
beschwört etwas herbei, jagt etwas anderes in die Flucht, bewegt die Körper
der Hingesunkenen wie steife Puppen. Und bringt sie manchmal auch wieder
unter die Lebenden zurück.
## Treibend, wuchtvoll, in rhythmischen Wellen
Doch dieses narrative Element ist vergleichbar mit einer Zeichnung, die auf
einen stark farbigen Hintergrund aufgetragen wird. Das ist zum einen die
Musik und das Klangdesign des Komponisten Aditya Prakash, treibend,
wuchtvoll, in rhythmischen Wellen, in die sich unheimliche Geräusche
schieben: das Knirschen von Felsen, die Drohungen elementarer Gewalten. Zum
anderen aber nimmt das Tanzensemble als unisono sich bewegende Gruppe für
sich ein. Die langen dunklen Haare, die hier alle tragen, verlängern die
Bögen ihrer Schwünge.
In die langen Linien hacken Fersen und gekreuzte Füße scharfe Akzente. Die
Hände fahren manchmal über das Gesicht und lassen eine grimmige Grimasse
zurück, die mit der nächsten Bewegung wieder weggewischt wird. Eine
klassische indische Tanztechnik, Bharatantyam, liegt dem zugrunde und
mündet in eine expressive, elementare, emotions- und spannungsgeladene
Dynamik. Was auch immer hier beschworen wird, bei diesem Tanz geht es um
alles.
Die Uraufführung des Stücks war unter freiem Himmel, im [3][Wadi AlFann,
Valley of the Arts in AlUla]. Versucht man das zu googeln, gerät man gleich
auf Tourismusseiten von Saudi-Arabien. AlUla ist eine Oasenstadt in einer
Wüstenregion, reich an Felsen und antiken Felsgräbern. Die Anmutung des
Ortes, die Vorstellung vom Atem der Jahrhunderte, ist höchst wahrscheinlich
in das Stück hineingeflossen und hat sein Rekurrieren auf ein
Geschichtsbild, in dem das Tragische und das Opfer unausweichlich sind und
wieder und wieder durchlebt werden müssen, gestärkt.
Diese Überlegungen sind der Versuch, sich zu erklären, warum das Stück so
ist, wie es ist. Denn etwas daran ist auch enttäuschend gemessen an den
Erwartungen, die man an den britisch-indischen Choreografen vor dem
[4][Hintergrund seines Werkes] hat. Was diesmal zu fehlen scheint, ist die
Ebene der Gegenwart, die Reibungen an ihren Forderungen und
Überforderungen. Zu harmonisch, nein, zu ungebrochen ist „Thikra: Night of
Remembering“ im Archaischen zu Hause. In einer Welt vor unserer Zeit, in
die sich sonst vor allem Fantasyfiguren flüchten, die dann ja auch oft dem
Raunen des Schicksals nicht entgehen können.
12 Nov 2025
## LINKS
[1] /Du-musst-dich-durchsichtig-machen/!5293385&s=Akram+Khan&SuchRahmen…
[2] /Choreografie-von-Pina-Bausch/!5908069
[3] /Kulturarbeit-fuer-Saudi-Arabien/!5970595
[4] /Wiener-Festival-ImpulsTanz/!5062287
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Tanz
Bühne
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Philharmonie
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