| # taz.de -- Physiker über die Endlagersuche: „Wir erleben eine riesige Häng… | |
| > Bei der Suche nach einem Atommüllendlager ist das Nationale | |
| > Begleitgremium inzwischen anerkannt, sagt Armin Grunwald. Trotzdem sei | |
| > noch Luft nach oben. | |
| Bild: Hier in Ahaus im Münsterland wird der Atommüll nur zwischengelagert | |
| taz: Herr Grunwald, das Nationale Begleitgremium (NBG) hat gerade seine | |
| 100. Sitzung absolviert. Wie läuft die Endlagersuche aus Ihrer Sicht? | |
| Armin Grunwald: Das Verfahren selbst und die einzelnen Verfahrensschritte | |
| sind weitgehend gut gelaufen. Das einzige Problem: Die Suche dauert | |
| erheblich länger als wir alle dachten. | |
| taz: Wie konnte sich das NBG bislang in das Verfahren einbringen? | |
| Grunwald: Anfangs gab es Schwierigkeiten, wir mussten unsere Position und | |
| unseren Platz in dem Verfahren erst mal finden. Es kam auch immer mal | |
| wieder zu unangenehmen Situationen. Etwa, wenn wir wichtige Dinge erst aus | |
| der Zeitung erfahren haben, obwohl wir eigentlich vorab hätten informiert | |
| werden müssen. | |
| taz: Jetzt läuft es besser? | |
| Grunwald: Ja, inzwischen hat sich viel getan. Wir sind anerkannt, wir sind | |
| ins Feld der Akteure aufgenommen worden. | |
| taz: Das heißt konkret? | |
| Grunwald: Wir haben und nutzen etwa die Möglichkeit, bei der | |
| [1][Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)] und beim [2][Bundesamt für | |
| die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)] Akteneinsicht zu nehmen. | |
| Das hat Routine bekommen, da können wir auf diesem Wege in deren | |
| Werkstätten hineinschauen. Und uns auch – in begrenztem Maße natürlich – | |
| der Öffentlichkeit gegenüber verbürgen, dass alles mit rechten Dingen | |
| zugeht. | |
| taz: Das NBG bekommt also auch Interna mit? | |
| Grunwald: Ja. Wir werden mittlerweile auch über Vorgänge informiert, bevor | |
| sie an die Öffentlichkeit kommen. Zum Beispiel hat das | |
| Bundesumweltministerium uns vor einigen Wochen Einsicht in seine | |
| Überlegungen gewährt, in welche Richtung das Standortauswahlgesetz | |
| gegebenenfalls angepasst werden sollte, um eine Optimierung des Verfahrens | |
| zu erreichen. Das ist alles noch nicht spruchreif, aber wir haben jetzt | |
| schon die Möglichkeit, darüber intern zu diskutieren. Das ist eine gute | |
| Sache. | |
| taz: Wird das NBG auch von der Politik als vollwertiger Akteur anerkannt? | |
| Grunwald: Wir haben unser Mandat vom Bundestag und Bundesrat bekommen, sind | |
| also gesetzlich mandatiert durch die zentralen Körperschaften der deutschen | |
| Demokratie. Allerdings schaffen es diese derzeit nicht, uns geregelt zu | |
| besetzen. Wir erleben da eine riesige Hängepartie. Die jetzige Besatzung – | |
| bis auf die Bürgervertreter, da gibt es ein eigenes Verfahren – macht das | |
| seit zweieinhalb Jahren kommissarisch auf Bitten des Umweltministeriums. | |
| Zweieinhalb Jahre ohne Wiederbesetzung – das schwächt das Gremium, das | |
| schwächt seine Legitimation, das vermittelt den Eindruck, die Politik steht | |
| nicht wirklich hinter uns oder ist nicht wirklich an uns interessiert. | |
| Also, das ist kein guter Zustand. Wir fahren seit zweieinhalb Jahren nur | |
| mit verminderter Kraft, zumal drei Mitglieder seitdem nicht mehr dabei | |
| sind. | |
| taz: Womit beschäftigt sich das NBG aktuell? | |
| Grunwald: Das große Thema heißt [3][Beschleunigung oder Optimierung des | |
| Suchverfahrens]. Es ist nicht gut, wenn es jetzt wirklich bis in die 2050er | |
| oder 60er Jahre oder noch länger dauert, bis ein Standort gefunden ist. Das | |
| Ziel ist eigentlich, das noch in den 2040er Jahren zu schaffen, schon das | |
| dauert noch lang genug. Da wird jetzt an allen möglichen Stellen | |
| untersucht, ob und wie man das Verfahren beschleunigen kann. Etwa durch | |
| neue geophysikalische Erkundungsverfahren, bei denen man vielleicht weniger | |
| bohren muss. Aber auch dadurch, dass verschiedene Schritte parallel laufen | |
| könnten. Da sind wir eng dran. Unsere Botschaft ist da: Beschleunigung ja, | |
| aber nicht auf Kosten von Sicherheit, nicht auf Kosten von Sorgfalt, und | |
| nicht auf Kosten von Bürgerbeteiligung und Transparenz. | |
| taz: Die Endlagersuche ist ein komplexes Verfahren, das viel und | |
| unterschiedlichen Sachverstand erfordert. Wie kann das NBG da mithalten? | |
| Grunwald: Wir haben eine kompetente Geschäftsstelle mit Geologen, mit | |
| Juristen, mit Experten für Öffentlichkeitsarbeit, das ist schon mal ein | |
| großes Pfund. Und wir haben die Mittel, um auch Sachverständige zu | |
| beauftragen, etwa für die Akteneinsicht bei der Bundesgesellschaft für | |
| Endlagerung, da braucht es Geologen, die richtig Ahnung haben, [4][die sich | |
| auskennen in der Erde]. Wir können auch Gutachten vergeben für | |
| Detailfragen, etwa für juristische Dinge. Aktuell haben wir ein Gutachten | |
| beauftragt, in dem es um die Überprüfung der Methoden der BGE geht, um von | |
| den 54 Prozent der deutschen Fläche, die immer noch formal im Rennen sind, | |
| auf deutlich weniger zu kommen. Das Gutachten machen wir am 4. November | |
| bekannt, also einen Tag, nach dem die BGE einen neuen Zwischenstand | |
| vorstellt. | |
| 2 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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