| # taz.de -- Prozess um Horror-Schlachthof Bad Iburg: Verkauf von Fleisch kranke… | |
| > Im Verfahrenskomplex zum Schlachthof Temme geht es um weit höhere | |
| > Strafen, als bei Tierschutzvergehen maximal möglich ist. Die Vorwürfe | |
| > sind heftig. | |
| Bild: Tierschutzaktivisten zeigen, worum es geht: Vor dem Amtsgericht Bad Iburg… | |
| Wenn ein ehemaliger Schlachthof-Geschäftsführer wegen gewerbsmäßigem Betrug | |
| vor dem Schöffengericht steht, wegen des Verstoßes gegen die | |
| Lebensmittelbasisverordnung, ist das ein ziemlicher Paukenschlag. | |
| Zumal, wenn es, wie am Montag in Saal 126 des niedersächsischen | |
| Amtsgerichts Bad Iburg, um den Geschäftsführer des stillgelegten | |
| [1][Horror-Rinderschlachthofs Temme in Bad Iburg] geht, im Herbst 2022 | |
| wegen „quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren“ in 58 Fällen zu einer | |
| Gesamt-Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. | |
| Der neue Vorwurf: Der Angeklagte habe von Januar bis Oktober 2018 in 107 | |
| Fällen das Fleisch von Rindern verkauft, „die zuvor ohne | |
| Schlachttieruntersuchung getötet worden waren“ und deren Fleisch | |
| „dementsprechend genussuntauglich“ war. Es ging als Lebensmittel an | |
| Endverbraucher. Der Angeklagte habe Kenntnis davon gehabt, dass das Fleisch | |
| nicht den Anforderungen des Lebensmittelrechts entsprach. Erlös für den | |
| Schlachthof: rund 378.000 Euro. | |
| Zur Debatte stand ein Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe – | |
| weit mehr als bei Tierschutzvergehen maximal möglich ist. | |
| Ein Urteil blieb aus, denn noch liegt über dem blutigen Geschehen dichter | |
| Nebel. Der Angeklagte bestreitet die Betrugsvorwürfe: Er habe mit den | |
| Amtstierärzten vereinbart, auf eine [2][Lebendtierbeschau] zu verzichten. | |
| Vier Veterinäre sollen dazu kommende Woche als Zeugen gehört werden. | |
| ## Missstände durch Undercover-Videomaterial aufgedeckt | |
| Friedrich Mülln, Leiter der Münchener [3][Tierrechtsorganisation „Soko | |
| Tierschutz“], die die Missstände bei Temme 2018 durch | |
| Undercover-Videomaterial aufgedeckt hatte, bezeichnet die | |
| Verteidigungsstrategie des Ex-Geschäftsführers gegenüber der taz als | |
| „fatalerweise ziemlich plausibel“. Er schließt nicht aus, dass es | |
| tatsächlich eine „kriminelle Absprache“ zwischen den Metzgern und den | |
| Ärzten gab, ein „Agreement, Menschenleben zu gefährden“. | |
| Eigentlich ist die Lebendbeschau obligatorisch. Aber, so Mülln: „Derartige | |
| Absprachen gibt es in vielen Landkreisen, gerade bei kleineren | |
| Schlachthöfen. Hätte es in Bad Iburg keine Absprache gegeben, hätte den | |
| Tierärzten auffallen müssen, dass viel mehr Tiere verarbeitet wurden, als | |
| sie vor der Tötung begutachtet haben.“ Mülln fordert: „Die Verantwortlich… | |
| des Veterinäramts müssten ihren Hut nehmen.“ | |
| Die Verhandlung ist Teil dessen, was Mülln als „größten Tierschutz- und | |
| Fleischskandal der jüngeren deutschen Geschichte“ bezeichnet. Fast 50 | |
| Verfahren wurden eingeleitet, bilanziert Susanne Kirchhoff für die taz, die | |
| Direktorin des Amtsgerichts, gegen Dutzende Beschuldigte, vom | |
| Tiertransporteur bis zum Schlachthof-Mitarbeitenden. [4][Seit 2022 ist das | |
| kleine Amtsgericht mit dem Schlachthof Temme befasst]. Dutzende | |
| Verurteilungen hat es ausgesprochen. | |
| Die Strafmaße, sagt Mülln ernüchtert, seien indes nicht schuldangemessen | |
| gewesen. „Leider hat der Staat hier völlig darin versagt, Herr der Lage zu | |
| werden“, sagt er der taz. „Meist kam es nur zu Geldstrafen, zudem vielfach | |
| lediglich als Strafbefehl, ohne Öffentlichkeit also, und die drei | |
| Haftstrafen waren alle auf Bewährung. Wer in Bad Iburg davongekommen ist, | |
| lernt: Ich muss nur ein bisschen besser aufpassen, dann kann ich | |
| weitermachen wie bisher.“ | |
| Mit dem Aus des Schlachthofs Temme, der gerichtlichen Aufarbeitung der | |
| Geschehnisse, sei wenig gewonnen: „Dieses Krebsgeschwür hat viele | |
| Metastasen. Dutzende kleiner Betriebe haben das Geschäft von Temme | |
| übernommen, kranke und schwerverletzte Tiere zu schlachten, deren Fleisch | |
| nie in den Handel gelangen dürfte.“ Mülln spricht von einer „Mafia“. | |
| ## Prozess in Bad Iburg wird fortgesetzt | |
| Mitte November wird der Prozess gegen den Ex-Geschäftsführer fortgesetzt. | |
| Dann geht es um die Frage, teilt Kirchoff der taz mit, „ob und ggf. welche | |
| Vereinbarung es mit dem Schlachthof zum Verzicht auf die Lebendtierschau | |
| gegeben hat“. | |
| Auch die beiden amtlichen Tierärzte, damals für die Lebend- wie die | |
| Fleischbeschau bei Temme zuständig und 2018 vom Landkreis Osnabrück ihrer | |
| Tätigkeit enthoben, könnten bald erneut vor Gericht stehen – diesmal auch | |
| sie wegen gewerbsmäßigen Betrugs. | |
| Anfang 2023 hatte das Amtsgericht Bad Iburg sie von Tierschutzvorwürfen | |
| freigesprochen, weil sie geltend machten, oft seien sie bei der Anlieferung | |
| der Tiere gar nicht anwesend gewesen. Eine Pflichtverletzung, aber | |
| juristisch ihre Rettung, was Mülln als „Katastrophe“ bezeichnet. Die | |
| Verteidigung des Ex-Geschäftsführers hört sich ähnlich an. | |
| 4 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Horror-Schlachthof-Bad-Iburg/!5548990 | |
| [2] /Gruene-Ministerin-ueber-Schlachthoefe/!6045740 | |
| [3] https://www.soko-tierschutz.org/ | |
| [4] /Urteil-gegen-Schlachthofmitarbeiter/!5874817 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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