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# taz.de -- Die Neunziger wollen ihre Werbung zurück: Sexualisierung auf dem L…
> Die Fitnessstudiokette Wellyou sexualisiert Trainierende mit ihrer neuen
> Kampagne. Ein Shitstorm folgt: Die Toleranz für sexistische Werbung
> sinkt.
Bild: Scheinbar dachte sich Wellyou, Training schreibt sich wie Sexismus
Die Frau im Fitnessstudio strampelt nackt auf dem Ergometer. Auch die auf
dem Laufband ist nackt. Die mit dem Medizinball. Die am Stairmaster. Und
ja: Auch die Männer sind nackt, an den Hanteln und am Umkleidespind.
Intimbereiche werden jeweils durch Geräte oder Ähnliches verdeckt, aber
nackt bleiben sie.
Und jung natürlich, und schön, und durchtrainiert – Nacktheit und
durchgestylte Perfektion zeigen natürlich nicht die [1][Realität im
Fitnessstudio]. Es handelt sich vielmehr um eine Werbekampagne des
Fitnessstudiobetreibers Wellyou, die seit vergangener Woche vor allem auf
Instagram gespielt wird – und seitdem für viel Kritik sorgt. Wellyou mit
Hauptsitz in Kiel ist laut Eigenwerbung die „Nummer 1 im Norden“, 40
Fitnessstudios gibt es – die meisten irgendwo zwischen Husum und Hannover.
Im Kampagnenvideo werden die Bilder von nackten schlanken Frauen mit den
Worten „Klappe zu, Arsch hoch, mach die Beine breit“ untertitelt; ein
Wortspiel: „und die Arme noch breiter“, heißt es im Anschluss bei den
Männern. Und: „Bis du endlich den Größten hast.“ Eine [2][sexualisierte
Absicht] bestreitet das Unternehmen. „Wir möchten zeigen, was Training
bewirken kann: Stärke, Disziplin und Selbstbewusstsein“, so die Antwort auf
Beschwerden von Mitgliedern. Wenn Betrachter „darin dennoch eine
sexualisierte Darstellung sehen“, liege das „weniger in unserer Absicht als
vielmehr in der individuellen Interpretation der Betrachtenden“.
## Shitstorm auf Social Media einkalkuliert
Die Reaktionen auf Social Media sind eindeutig. „Ich dachte, so was gibt's
2025 gar nicht mehr! Was für eine peinliche Werbung“, schreibt eine
Kommentatorin unter den Instagram-Beitrag von Wellyou. „Frauen auch
weiterhin im gym sexualisieren mit so einer Werbung, toll gemacht“, eine
andere. „Kein Kommentar – ich werde das Studio einfach wechseln.“ Auch
Profile, die sich eher männlich lesen lassen, kommentieren negativ.
Antworten der Verantwortlichen gibt es bei Instagram kaum. „Shitstorm
incoming in 3,2,1, echt das Letzte“, schreibt ein User. „Wellyoufitness“
antwortet mit dem Emoji einer Popcorntüte – in den sozialen Netzwerken ist
damit eine Art gespannte (aber unbeteiligte) Erwartung eines unterhaltsamen
Konflikts gekennzeichnet.
Auf taz-Anfrage antwortet ein Rechtsanwalt des Unternehmens,
„selbstverständlich erhitzt eine provokante Kampagne wie die Angegriffene
auch die Gemüter“. Und es sei „selbstverständlich sehr bedauerlich, wenn
sich Einzelne durch die Kampagne verletzt fühlen.“ Insgesamt bekomme man
aber auch eine starke positive Resonanz. Auch Frauen sollen laut
Wellyou-Rechtsanwalt „gerne bei wellyou trainieren. Auch deshalb hält
unsere Mandantin Trainingsbereiche vor, die nur von weiblichen Personen
genutzt werden können.“
Allerdings verharmlosen auch andere Beiträge des Studiobetreibers die
Sexualisierung von Studiobesucherinnen: Ein Video spielt erneut mit
Doppeldeutigkeiten und zeigt einen Mann, der stolz aus der „Ladies Area“
herausdackelt. „How I feel after six girls ask me to go out“, steht darüber
– also: „So fühl ich mich, wenn sechs Mädels mit mir ausgehen wollen“ �…
oder aber: „Wenn sechs Mädels mich raushaben wollten.“ Ein anderes Video
zeigt, wie ein Besucher einer Frau offensiv hinterhergafft; ein Mitarbeiter
des Ladens rettet ihn vor der Eifersucht seiner Freundin.
## Deutscher Werberat eingeschaltet
Kalkulierte Provokation gilt selbst als Werbemaßnahme: Der Safthersteller
TrueFruits zum Beispiel hat das Mittel immer wieder gezielt einsetzt: Mit
rassistischen und sexistischen Slogans versuchte das Unternehmen seine
Umsätze zu steigern, viele Medien berichteten – [3][auch die taz]. Doch
Standard ist diese Werbestrategie nicht; die Risiken von Provokation sind
schwer überschaubar.
Die Wellyou-Kampagne ist erst seit einer Woche online und es ist bereits
eine hohe zweistellige Zahl an Beschwerden beim Deutschen Werberat
eingegangen. Zum Vergleich: Im ganzen ersten Halbjahr 2025 gab es nur 302
Beschwerden zu insgesamt 196 Vorfällen. Zur Einschätzung möchte man noch
nichts sagen – man sei noch in der Prüfung.
Direkte Möglichkeiten, Werbung zu unterbinden, hat der Werberat nicht. Er
prüft die Beschwerden – zuletzt wurden etwa 78 Prozent der kritisierten
Werbekampagnen am Ende nicht beanstandet. Die übrigen Werbetreibenden zögen
meist selbst Schlüsse, „viele kleine Betriebe wissen es erst mal nicht
besser“, so ein Pressesprecher des Werberats. Nur wenn die Unternehmen
nicht selbst reagieren, spricht der Werberat eine Rüge aus – das war im
ersten Halbjahr 2025 dreimal der Fall.
Die Rüge ist schon das schärfste Schwert des Werberats. Im Bundesland
Bremen ist das anders: Bürger*innen dort können seit [4][2017
sexistische Werbung bei der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten]
(ZGF) melden. Wenn die ZGF die Werbung kritikwürdig findet, kann die
Baubehörde Plakate auf öffentlichen Werbeflächen entfernen lassen. Bei
digitaler Werbung und auch bei Plakaten in den Fitnessstudios selbst, wie
es bei den beiden Bremer Wellyou-Filialen der Fall ist, ist man aber
machtlos.
Sexistisch nach den Kriterien des Deutschen Werberats sei das Wellyou-Video
auf jeden Fall, schreibt die Sprecherin von Bremens
Landesfrauenbeauftragter auf Nachfrage der taz. „Hier werden Personen auf
ihre rein sexuelle Funktion reduziert, die sexuellen Anspielungen und
übertrieben herausgestellte Nacktheit der Models haben nichts mit dem
beworbenen Produkt, der Mitgliedschaft im Fitnessstudio, zu tun.“ Es werde
mit Doppeldeutigkeit gespielt, aber die sexuelle Anspielung sei klar. Und:
„In dem Satz ‚Mach die Beine breit‘ bei der Frau kann man sogar die
Andeutung von Gewalt sehen.“
## Bewusstsein für Sexismus gewachsen
Bleiben die vielen Beschwerden gegen Wellyou aber folgenlos, weil der
Werberat kein Möglichkeit hat, ein Verbot auszusprechen? Beim Werberat
selbst glaubt man das nicht: Eine Rüge ziehe meist eine Verhaltensänderung
nach sich, Wiederholungstäter gebe es fast nie.
In Bremen glaubt man sogar, einen allgemeinen Trend zu erkennen: Seit
Bestand der Beschwerdestelle im Jahr 2017 gebe es immer weniger
Beschwerden, wohl auch, weil die [5][Zahl der sexistischen Plakate
zurückgegangen] sei. Das Bewusstsein sei gewachsen – das, was sexistisch
ist, fällt dann noch mehr negativ auf.
Transparenzhinweis: Der Artikel wurde nachträglich um eine Stellungnahme
des Unternehmens ergänzt
28 Oct 2025
## LINKS
[1] /Frauen-im-Freihantelbereich/!6077292
[2] /Sexualisierter-Blick-auf-Sportlerinnen/!6100824
[3] https://blogs.taz.de/hausblog/olg-koeln-rehabilitiert-die-taz/
[4] /Bremen-regelt-Werbung/!5422961
[5] /Stevie-Schmiedel-ueber-Sexismus/!5860691
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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