| # taz.de -- Brasiliens linker Staatschef: Der Tintenfisch | |
| > Brasiliens Präsident Lula da Silva streckt seine Arme in alle Richtungen | |
| > aus. Ideale Voraussetzung für den Gastgeber der Weltklimakonferenz, oder? | |
| Bild: Sein sechster Präsidentschaftswahlkampf, sein dritter Sieg: Lula 2022 in… | |
| Die Klimaanlage brummt im Medienraum, es hat 31 Grad in Belém. | |
| Journalist*innen sitzen vor ihren Computern, Anzugträger eilen | |
| gestresst vorbei. Dann erscheint auf den Bildschirmen ein kleiner bärtiger | |
| Mann, Anstecker am Jackett. „Zum ersten Mal“, sagt er, „findet eine | |
| Klimakonferenz im Herzen des Amazonas statt.“ | |
| Der Mann ist vor Kurzem 80 Jahre alt geworden und heißt Luiz Inácio da | |
| Silva, doch alle in Brasilien nennen ihren Präsidenten einfach Lula. Er | |
| hält die Eröffnungsrede beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs, einer | |
| Art Auftaktevent für die 30. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen, die | |
| [1][seit dem 10. November in Belém tagt]. | |
| Lula spricht mit rauer Stimme, lispelt leicht, und doch hängen alle an | |
| seinen Lippen. Dieser Mann kann reden, seine rhetorischen Fähigkeiten sind | |
| legendär. Eine Brasilianerin sagte einmal über Lula: „Immer wenn ich ihn | |
| sprechen höre, ist es, als würde er nur mit mir reden.“ | |
| Dieses Mal, vor dem internationalen Publikum in Belém, klingt Lula | |
| staatsmännischer. Keine Witze, keine Improvisation, wie man es in Brasilien | |
| sonst von ihm kennt. Lula war schon immer ein Chamäleon. Jemand, der weiß, | |
| wie man sich einer Situation anpasst. Am Ende seiner Rede vor den | |
| Staatsspitzen zeigt sich doch noch Lulas brasilianische Seite. Er fordert | |
| Applaus für die Arbeiter*innen, die mit ihrem Einsatz diese Riesenkonferenz | |
| überhaupt erst möglich machen. Und der Applaus kommt. | |
| Für Brasilien soll die Weltklimakonferenz die endgültige Rückkehr auf die | |
| internationalen Bühne markieren, nach Jahren der Isolation. Und zugleich | |
| ist sie das Comeback eines Mannes, der wie kaum ein anderer das größte Land | |
| Lateinamerikas geprägt hat. Der verehrt wie verachtet wird. Der heute ganz | |
| oben ist, aber von ganz unten kommt. | |
| ## Von einer Lehmhütte in Pernambucos … | |
| Oktober 2022, Caetés. Eraldo Ferreira dos Santos schiebt einen Schlüssel in | |
| das Schloss, stemmt seinen Oberkörper gegen die Holztür. Knarrend gibt sie | |
| nach. Im Inneren ist es stockdunkel, es riecht muffig. In einer Ecke der | |
| Lehmhütte liegen mit Stroh gefüllte Matratzen, in der Küche rosten | |
| altertümliche Gerätschaften vor sich hin. Elektrisches Licht gibt es nicht. | |
| Santos, 68, ein kleiner Mann mit blauen Augen, großer Nase und Cowboyhut, | |
| klopft auf einen Balken. „Von hier kommt der wichtigste Politiker in der | |
| Geschichte Brasiliens.“ | |
| Caetés heißt die Ansammlung von Hütten. Das Dorf liegt im staubigen | |
| Hinterland des nordöstlichen Bundesstaats Pernambucos. Mit dem Auto dauert | |
| es eine halbe Stunde in die nächstgrößere Stadt. Am 27. Oktober 1945 | |
| erblickte hier als siebtes von acht Kindern einer bitterarmen Familie ein | |
| Junge namens Luiz Inácio das Licht der Welt. | |
| Eigentlich stand Lulas Geburtshaus ein paar Meter weiter oben. Doch das | |
| Land wurde verkauft. Deshalb ließ Santos einen originalgetreuen Nachbau der | |
| Hütte errichten. Er kennt Lula gut, die beiden sind Cousins. | |
| Die Faszination, die Lula entgegenschlägt, hat auch damit zu tun, dass | |
| seine Geschichte die Geschichte vieler Brasilianer*innen ist. Er war 7 | |
| Jahre alt, als seine Mutter ihre Habseligkeiten zusammenpackte und sich mit | |
| den Kindern auf die Ladefläche eines klapprigen Lastwagens setzte. Dreizehn | |
| Tage lang rumpelten sie über Landstraßen, bis endlich die Hochhäuser von | |
| São Paulo am Horizont auftauchten. | |
| Wie Millionen armer Landarbeiter ließ die Familie den trockenen, | |
| hungergeplagten Nordosten hinter sich, um im industriellen Süden ein neues | |
| Leben zu beginnen. Der junge Lula musste früh lernen, Verantwortung zu | |
| übernehmen. Als Kind verkaufte er Kekse aus Maniokmehl, putzte Schuhe, | |
| arbeitete als Bote. Ein Klassenzimmer sah er nur für kurze Zeit von innen. | |
| Von der Rechten wird Lula seit jeher dafür verspottet, dass er kein | |
| grammatikalisch „richtiges“ Portugiesisch spricht und nie studiert hat. | |
| Lula nahm es meistens mit Humor, einmal soll er gesagt haben: „Bush und ich | |
| müssen wohl die zwei ungebildetsten Präsidenten der Welt sein.“ | |
| Mit 14 Jahren fing Lula an, als Dreher in einer Kupferfabrik zu arbeiten. | |
| Später verlor er seinen kleinen linken Finger bei einem Arbeitsunfall – | |
| heute ein ikonisches Markenzeichen. An der Werkbank formte Lula nicht nur | |
| Metallplatten, sondern auch eine außergewöhnliche Karriere. Der | |
| redegewandte junge Mann brachte es schnell zum Gewerkschaftsführer, | |
| organisierte Streiks, hielt flammende Reden vor den Werkstoren. | |
| Bald wurden die Schergen der rechten Militärdiktatur auf ihn aufmerksam, | |
| die damals in Brasilien herrschte. Die Junta nahm Lula fest. 31 Tage | |
| verbrachte er im Gefängnis, ebenso sein Cousin. „Sie haben uns wie Tiere | |
| behandelt“, sagt Ferreira dos Santos. | |
| Anfang der 1980er Jahre gründeten Santos, Lula und einige weitere | |
| Mitstreiter eine Partei, die Brasilien nachhaltig verändern sollte: die PT, | |
| Partido dos Trabalhadores, Arbeiterpartei. In den dunklen Jahren der | |
| rechten Militärdiktatur war sie ein Sammelbecken für oppositionelle | |
| Gewerkschaftler, progressive Katholiken und soziale Bewegungen. | |
| Lula wurde ihr bekanntestes Gesicht. Sein Interesse an Politik, erklärte er | |
| später einmal, wurde nach einem Besuch im brasilianischen Kongress geweckt. | |
| Von den 433 Abgeordneten kamen nur 2 aus der Arbeiterklasse. Das wollte | |
| Lula ändern. | |
| ## … zum Präsidenten von Brasilien … | |
| Dreimal zog er als Spitzenkandidat für die PT in den Wahlkampf. Dreimal | |
| unterlag er. Vor der Wahl 2002 legte er das Image des ruppigen | |
| Gewerkschaftsführers ab, schlug moderate Töne an und gab zu verstehen: Mit | |
| ihm als Präsidenten werde es keinen radikalen Bruch geben. | |
| Revolution? Sozialismus? Klassenkampf? Begriffe der Vergangenheit. Nun war | |
| es Zeit zu regieren. 2002, in seinem vierten Anlauf, vollendete sich Lulas | |
| Politmärchen. Der Metallarbeiter wurde zum Präsidenten des größten Landes | |
| Lateinamerikas gewählt. | |
| Für die Armen sollte mit seinem Wahlsieg eine neue Zeit beginnen. Mit | |
| Einnahmen aus dem Handel mit Rohstoffen konnte die Regierung | |
| Sozialprogramme finanzieren. 30 Millionen Brasilianer*innen entkamen | |
| der Armut, der Hunger im Land konnte fast komplett beendet werden. Schwarze | |
| Vorstadtkids schrieben sich an den Universitäten ein, Hausangestellte | |
| bekamen erstmals einige Arbeitsrechte zugesprochen. | |
| Der Mindestlohn stieg und die Arbeitslosigkeit fiel auf ein historisches | |
| Tief. Die Fortschritte machten Lula zur Lichtgestalt der Armen, gerade im | |
| von Mangel geplagten Nordosten. | |
| Doch auch die Finanzwelt konnte zufrieden sein. Lula behielt eine | |
| konservative Steuerpolitik bei und beglich Brasiliens Auslandsschulden | |
| regelmäßig. Außerdem setzte er auf ein vom Rohstoffexport getragenes | |
| Wirtschaftswachstum. Dem charismatischen Lula gelang es, fast alle | |
| politischen und wirtschaftlichen Lager in sein Regierungsprojekt | |
| einzubinden, von der Trotzkistin bis zum Topmanager. Eine Politik, die als | |
| „Lulismo“ bekannt wurde. | |
| Die Früchte des Booms verteilte Lula etwas gerechter, an den | |
| grundsätzlichen Strukturen rüttelte er aber nicht. Wieso auch? Schließlich | |
| lief es hervorragend, alle schienen glücklich. Im Jahr 2007 wurde Lula | |
| wiedergewählt, und auch während seiner zweiten Amtszeit setzte sich die | |
| Erfolgsstory fort. Die Wirtschaft wuchs jährlich um 5 Prozent, das Land | |
| baute die Agrarindustrie aus und kletterte auf Platz sechs der weltgrößten | |
| Volkswirtschaften. | |
| Brasilien strotzte vor Selbstbewusstsein. Die einstige Kolonie war | |
| angekommen im Klub der Großen. Voller Anerkennung blickten viele auf das | |
| Land, einige auch mit Neid. | |
| Das von Lula eingeleitete Wachstumsdogma kannte indes auch Verlierer. | |
| Umstrittene Großprojekte und das staatlich geförderte Agrobusiness | |
| zerstörten die Natur; immer häufiger rollten Bagger durch indigene Gebiete, | |
| in den Städten wurden ganze Armenviertel dem Erdboden gleichgemacht. Die | |
| von vielen erhoffte Landreform blieb aus. Kritik an diesem Kurs wiegelte | |
| Lulas Regierung oft arrogant ab. | |
| Dennoch lagen Lulas Zustimmungswerte bei sagenhaften 83 Prozent, als er | |
| Ende 2010 nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß aus dem Amt schied. Selbst | |
| der damalige US-Präsident Barack Obama musste bei einem Treffen anerkennen: | |
| „Er ist der beliebteste Politiker der Erde.“ | |
| Auf Lula folgten seine politische Ziehtochter Dilma Rousseff und mit ihr | |
| Jahre der Mehrfachkrisen: Korruptionsskandale, Wirtschaftseinbruch, | |
| politische Intrigen, Massenproteste. Der Twitter-Kanal der Netflix-Serie | |
| „House of Cards“, die von Macht und Skandalen im Weißen Haus handelt, | |
| kommentierte damals trocken: „Está difícil competir“ – schwer, da | |
| mitzuhalten. | |
| Und Lula? Nach nur wenigen Jahren war der frühere Popstar der | |
| brasilianischen Politik für viele zur Hassfigur geworden. Wandbilder von | |
| Lula in Häftlingsuniform prägten das Straßenbild im ganzen Land. Die großen | |
| Medien zeichneten ihn als Mischung aus Al Capone, tropischem Stalin und dem | |
| Teufel. Seine einst so stolze Arbeiterpartei wurde zur Projektionsfläche | |
| für die Enttäuschung einer ganzen Nation. | |
| Dilma Rousseff wurde nach einem juristisch umstrittenen | |
| Amtsenthebungsverfahren – viele Linke sprechen von einem Putsch – | |
| abgesetzt. 2017 verurteilte ein Gericht auch Lula wegen passiver Korruption | |
| und Geldwäsche. Das Urteil stützte sich auf Indizien, Beweise konnte die | |
| Staatsanwaltschaft nicht vorlegen. Trotzdem kam Lula ins Gefängnis. Der Weg | |
| war frei für den Rechtsextremen Jair Bolsonaro. | |
| ## … über Jahre im Gefängnis … | |
| Oktober 2019, Curitiba. Ein ruhiger Vorort der südbrasilianischen | |
| Millionenstadt. Große, umzäunte Häuser mit schicken Vorgärten säumen die | |
| Straße. Etwas oberhalb taucht das Gebäude der Bundespolizei auf, ein | |
| großer, gut bewachter Klotz. Dort sitzt Lula hinter Gittern. Direkt vor dem | |
| Gebäude steht ein buntes Wirrwarr aus Zelten, Holzhütten und Transparenten. | |
| Die Mahnwache unter dem Motto „Lula Livre“, Freiheit für Lula, passt nicht | |
| so ganz in das Bild des wohlsituierten Stadtteils. | |
| Hunderte kommen immer wieder nach Curitiba, um gegen Lulas Verhaftung zu | |
| protestieren. Eine Mischung, die die Basis der Arbeiterpartei gut | |
| darstellt: stämmige Gewerkschafter, linke Intellektuelle, gepiercte | |
| Jugendliche mit Regenbogenfahnen, Landlose, denen man die harte Arbeit auf | |
| dem Acker ansieht. Jeden Morgen, Mittag und Abend schicken sie „ihrem | |
| Präsidenten“ lautstarke Grüße. | |
| „Ich verdanke Lula alles“, sagt Marciele, 20, blonder Afro, Zahnspange, die | |
| nur ihren Vornamen nennen will. Mit ihrer Familie wuchs sie am Stadtrand | |
| auf, in einer dieser Gegenden, wo nur die wenigsten Straßen asphaltiert | |
| sind und kaum jemand eine Postadresse hat. Ihre Familie erhielt das | |
| Familienstipendium Bolsa Família, mit dem Millionen Brasilianer*innen | |
| aus der extremen Armut aufstiegen. „Durch Lula wurde aus unserem Viertel | |
| eine Stadt.“ | |
| Eigentlich wollte Marciele anfangen, zu studieren. Dann wurde Lula | |
| verhaftet und sie entschied sich anders. Für Marciele heißt es seitdem: | |
| Mahnwache statt Hörsaal. | |
| Die Protestierenden von Curitiba vergleichen Lula wahlweise mit Jesus, | |
| Nelson Mandela oder Superman. Aus europäischer Perspektive mag solch ein | |
| Personenkult befremdlich wirken, doch in Brasilien ist die Politik schon | |
| immer extrem personalisiert. Parteien sind eher unbedeutend, Charisma ist | |
| wichtiger als ein stringentes Wahlprogramm. | |
| Im November 2019 kam Lula aus der Haft frei, [2][im März 2021 wurden alle | |
| Urteile gegen ihn annulliert]. Und er trat erneut als | |
| Präsidentschaftskandidat an. Wieder zog er durchs Land, küsste Kinderköpfe, | |
| ließ sich auf Marktplätzen feiern. Er gab sich als großer Versöhner, der | |
| das tief gespaltene Land wieder zusammenführen wollte. | |
| Viele neue Ideen präsentierte Lula aber nicht, appellierte eher an die | |
| Erinnerung, an die „saudade“ – die Sehnsucht nach den goldenen Jahren, die | |
| viele Brasilianer*innen noch immer spürten. Und nach Jahren des | |
| Zerstörungskurses, des Corona-Dramas, der internationalen Isolierung zählte | |
| für viele nur eines: Hauptsache nicht Bolsonaro. | |
| Lula, das bedeutet auf Brasilianisch Tintenfisch, und Lula tat, was er | |
| schon immer am besten konnte: seine Arme in alle Richtungen ausstrecken. Am | |
| frühen Morgen über ein besetztes Gebiet der Landlosenbewegung MST | |
| marschieren und am Nachmittag in einer gläsernen Bankfiliale Kaffee | |
| trinken? Kein Widerspruch für Lula. Er schmiedete ein breites Bündnis, auch | |
| mit Konservativen, und gewann im Oktober 2022 knapp die Stichwahl gegen | |
| Jair Bolsonaro. | |
| Gleich zu Beginn seiner dritten Amtszeit musste Lula einen rechten | |
| Putschversuch abwehren, ein Mordanschlag auf ihn konnte verhindert werden. | |
| Doch seither ist eingetreten, was in Brasilien lange undenkbar schien: eine | |
| gewisse Form von Normalität. Die Menschen diskutieren wieder über ihre | |
| geliebten Telenovelas oder über Fußball, nicht mehr über tägliche | |
| Schreckensmeldungen. | |
| Wirklich beliebt ist Lula dennoch nicht mehr. Viele Brasilianer*innen | |
| sind unzufrieden, auch in linken Kreisen macht sich Enttäuschung breit. Ein | |
| Grund dafür ist die parlamentarische Dominanz der Rechten, die | |
| Regierungsprojekte häufig blockiert oder verwässert. Feministinnen | |
| kritisieren, dass Lula sich nicht an die Liberalisierung der rigiden | |
| Abtreibungsgesetze heranwagt. Landlose bemängeln, dass es kaum Fortschritte | |
| bei der Agrarreform gibt. Für viele Rechte ist Lula ohnehin die | |
| Reinkarnation des Bösen, ein Symbol für Korruption. | |
| Zuletzt ist die Zustimmung zu Lula wieder leicht gestiegen, [3][weil er im | |
| jüngsten Zollstreit mit den USA klar Position bezog]. Brasilien sei „keine | |
| Bananenrepublik“, sagte er. Im Westen sorgte er zuvor mit seinen Positionen | |
| zu den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen für Unmut. Sie zeugen von | |
| einem wieder wachsenden Selbstbewusstsein gegenüber dem Globalen Norden. | |
| Süd-Süd-Kooperationen zeichneten schon Lulas erste Amtszeiten aus. Dabei | |
| ist Lula keiner, der international pöbelt. Eher einer, der umgarnt. | |
| Guilherme Casarões, ein Experte für Internationale Beziehungen, beschreibt | |
| Lulas Außenpolitik als geprägt von einer „pragmatischen Äquidistanz“. In | |
| der sich zuspitzenden Rivalität zwischen den USA und China, ist von Lula | |
| keine klare Positionierung zu erwarten. Lula pflegt traditionell gute | |
| Beziehungen nach Peking, während seiner Amtszeit wurde China zum | |
| wichtigsten Handelspartner Brasiliens. | |
| Trotz aller antiimperialistischen Töne will es sich Lula jedoch nicht mit | |
| den USA verscherzen, nicht mal unter Donald Trump. | |
| Wie verführerisch Lulas Charme wirken kann, zeigte sich vor einigen Wochen, | |
| als er Trump auf dem Flur der Vereinten Nationen in New York traf. Trump, | |
| der kurz zuvor noch Zölle gegen Brasilien verhängt hatte, schwärmte | |
| anschließend von Lula und nannte ihn einen „very nice man“. Ein paar Tage | |
| später trafen sich die beiden in Malaysia. Da war er wieder, der | |
| Lula-Zauber. | |
| ## … bis zum Gastgeber der Weltklimakonferenz | |
| November 2025, Belém. André Castro Santos, 37 Jahre alt, Glatze, schicker | |
| Anzug, sitzt im Medienraum der Weltklimakonferenz und sagt: „Für Lula war | |
| Umweltpolitik nie eine seiner Prioritäten.“ Santos hat schon einige | |
| Sitzungen hinter sich, er ist technischer Direktor von Laclima, einer | |
| lateinamerikanischen Initiative von Jurist*innen, die sich für | |
| Klimagerechtigkeit einsetzen. | |
| Lulas Ursprung liege im Gewerkschaftsmilieu, sagt Santos. Als ehemaliger | |
| Arbeiter in der Automobilindustrie sei sein Fokus: Arbeitsplätze schaffen, | |
| Hunger und soziale Ungleichheit bekämpfen. „Das bedeutet“, sagt Santos, | |
| „dass er andere Themen auch mal zurückstellt, wenn es darum geht, diese | |
| zentrale Aufgabe zu erfüllen.“ So unterstützt Lula beispielsweise | |
| umstrittene Ölbohrungen im Amazonasgebiet. | |
| Gleichwohl habe es in Lulas Regierungen immer auch gute Umweltprojekte | |
| gegeben. Tatsächlich ist es seiner Regierung gelungen, die Abholzung des | |
| Amazonawalds deutlich zu verringern und die Umweltschutzbehörden nach den | |
| Bolsonaro-Jahren wieder zu stärken. | |
| Auch jetzt auf der Weltklimakonferenz macht Lula große Ankündigungen und | |
| inszeniert sich als grüner Präsident, wofür er international viel Applaus | |
| erhält. „Er kann sich international viel weiter aus dem Fenster lehnen, | |
| weil er hier nicht ständig auf die extrem polarisierte Stimmung im Land und | |
| auf Fake News Rücksicht nehmen muss“, sagt André Castro Santos. | |
| Die Weltklimakonferenz endet am 21. November, dann werde sich zeigen, wie | |
| erfolgreich Lula war. Auf jeden Fall habe der Präsident Brasiliens die | |
| Fähigkeit, unterschiedlich denkende Menschen zusammenzubringen. „Das können | |
| nur wenige.“ | |
| Im Oktober 2026 wird in Brasilien wieder gewählt, kurz vor Lulas 81. | |
| Geburtstag. Der hat schon erklärt, dass er noch einmal antreten will. Weil | |
| es links der Mitte schlicht niemanden gibt, der in seine Fußstapfen treten | |
| könnte. Zweifel gibt es dennoch, ähnlich wie bei der Kandidatur Joe Bidens | |
| in den USA. Doch Lula, der gern Videos von sich aus dem Fitnessstudio oder | |
| am Boxsack posten lässt, kontert: „Ich habe noch so viel Energie wie mit | |
| 30.“ Tatsächlich stehen seine Chancen im Moment gut. | |
| Und nach dieser vierten Amtszeit? Vor vielen Jahren sagte Lula einmal in | |
| einem Interview, er wolle eines Tages in seine Heimatstadt zurückkehren. | |
| Und dann, sagte er, wird irgendwann eine andere Person aus der | |
| Arbeiterklasse aufstehen und Präsident von Brasilien werden. | |
| 15 Nov 2025 | |
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| [1] /Klimakonferenz-COP30/!6124351 | |
| [2] /Brasiliens-linker-Ex-Praesident/!5756387 | |
| [3] /Verhaeltnis-zwischen-USA-und-Brasilien/!6102100 | |
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| Niklas Franzen | |
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