| # taz.de -- Streit um Spitzengehälter: Trauriger Populismus | |
| > Die SPD-Fraktion brandmarkt hohe Gehälter für Manager in Landesdiensten | |
| > und spricht von einem Gerechtigkeitsthema. Aber die Lage ist | |
| > komplizierter. | |
| Bild: Geld, Kohle, Gold – geht es nach der SPD-Fraktion, sollen Chefs der gro… | |
| Es ist eine Debatte, die schwer zu führen und noch schwerer zu gewinnen | |
| ist. 300.000 Euro jährlich sollen nicht genug sein für den Vorstandschef | |
| oder Geschäftsführer an der Spitze eines großen landeseigenen Unternehmens? | |
| Wie läst sich das jemandem erklären, der ordentlich seinen Job macht, aber | |
| auf Mindestlohnbasis bezahlt wird und am Monatsende in ein leeres | |
| Portemonnaie guckt? Fast unmöglich – jedenfalls in der Kürze der Zeit, die | |
| man als Politiker samstagsmorgens am Infostand vor dem Supermarkt dafür hat | |
| – wenn überhaupt mal jemand für eine Minute stehen bleibt. | |
| „Die da oben machen sich die Taschen voll“ ist ohnehin ein gängiges | |
| Narrativ. Und weil es immer wieder gut bezahlte vermeintliche Topmanager | |
| gibt, die ihren Job eben nicht gut machen, zieht auch das Gegenargument oft | |
| nicht, diese „da oben“ seien durchaus ihr Geld im Sinne der Allgemeinheit | |
| wert. Dann wie SPD-Fraktionschef Raed Saleh von einem „Gerechtigkeitsthema“ | |
| zu sprechen und zu kritisieren, die Gehälter seien „teilweise unverschämt | |
| hoch“, hört sich vor diesem Hintergrund richtig gut an. | |
| Und doch passt für die SPD-Forderung nach deutlicher Absenkung und | |
| Deckelung der Vorstandsgehälter bei den Landesbetrieben – die jetzt bis an | |
| eine halbe Million Euro heranreichen – genau das Wort, mit dem | |
| CDU-Vize-Fraktionschef Michael Dietmann darauf reagiert hat: populistisch. | |
| Die Lage ist nämlich bei weitem nicht so einfach, wie sie die SPD | |
| darstellt. | |
| Wenn man in Berlin auf der Suche nach einer solchen Führungskraft ist, dann | |
| geht der Blick auch darauf, wer anderswo seinen Job an der Spitze oder in | |
| der zweiten Reihe auffällig gut gemacht und für Berlin in Frage käme. Der | |
| wird jedoch schon in seiner jetzigen Position gutes Geld verdienen und | |
| nicht allein deshalb wechseln wollen, weil Berlin so eine schöne Stadt ist. | |
| Und er wird, wenn er durch gute Leistung auf sich aufmerksam gemacht hat, | |
| auch von anderen Unternehmen angesprochen werden. | |
| ## Geld schießt Tore | |
| Es gibt also ein Konkurrenzverhältnis – umso mehr, wenn es um | |
| Landesunternehmen geht, die wie die BVG oder die BSR die größten ihrer Art | |
| in Deutschland sind. Um einen Vergleich mit dem Fußball zu ziehen: Der FC | |
| Bayern München sucht seinen nächsten Trainer auch nicht in der Ober-, | |
| geschweige denn in der Bezirksliga. Und zahlt ordentlich dafür, nach dem | |
| Diktum von [1][Bayern-Legende Hoeneß], dass Geld eben Tore schießt. | |
| Manche Vereine setzen zwar in der Not auf den eigenen Nachwuchs und füllen | |
| ihre Mannschaft aus der eigenen A-Jugend auf. Aber zum einen funktioniert | |
| das auch nicht immer. Zum anderen hat ein Fehlgriff beim Fußball nur für | |
| die Tabellensituation Folgen. Bei einem Unternehmen aber leiden darunter | |
| viele hunderte oder tausende Beschäftigte – und unzählige Berliner, für die | |
| dieser Landesbetrieb Dienstleistungen erbringt. | |
| Falls dieser Nachwuchs aber wirklich gut ist, bleibt der im eigenen Laden | |
| auch nur bei einer Bezahlung, die bei landeseigenen oder kommunalen | |
| Unternehmen vor allem in Westdeutschland üblich ist. Dietmann und andere | |
| Stimmen bei der CDU verteidigen ja nicht einmal das bundesweit hohe | |
| Gehaltsniveau bei Topmanagern an sich. Sie weisen lediglich darauf hin, | |
| dass sich Berlin nicht einfach aus diesem System ausklinken und erwarten | |
| kann, die gewünschten Leute für Gehälter weit unter Marktniveau zu | |
| bekommen. | |
| An dieser Stelle der Debatte kommt gern der Hinweis darauf, dass der | |
| höchstbezahlte Landespolitiker der Stadt teilweise noch nicht mal halb so | |
| viel verdient wie die Chefs großer landeseigener Unternehmen, und dass die | |
| deshalb ja wohl auch mit weniger auskommen könnten. Das aber lässt sich | |
| schlicht nicht vergleichen. Kai Wegner von der CDU wollte gewiss nicht | |
| Regierender Bürgermeister werden, um die dafür gezahlten 212.000 Euro zu | |
| verdienen, genauso wenig wie vor ihm Franziska Giffey von der SPD. | |
| ## Nicht mit Spitzenjobs in der Politik zu vergleichen | |
| Beide würden wahrscheinlich noch Geld mitbringen, um den Job zu machen, | |
| weil sie davon angetrieben sind, Dinge in ihrer Stadt verändern zu wollen. | |
| Ohne solches Feuer übernimmt niemand einen 7-Tage-Arbeitsplatz, der kaum | |
| noch Privatleben lässt. Ob das, was sie da verändern wollen, in den Augen | |
| anderer gut oder schlecht ist, ist eine ganz andere Frage. | |
| Von einem aufsteigenden Unternehmensmanager aber ist bislang selten bis nie | |
| zu hören gewesen, dass er oder sie aus ähnlich intrinsischer Motivation | |
| nach Berlin gekommen ist. Also um sich hier den Lebenstraum zu erfüllen, | |
| der BVG, der BSR oder den Wasserbetrieben vorzustehen und dafür auf | |
| hunderttausende Euro pro Jahr zu verzichten, die es anderswo zu verdienen | |
| gibt. | |
| Falls nun jemand auf den Gedanken kommen sollte, niedrigere | |
| Vorstandsgehälter könnten ja auch dem unter Spardruck stehenden | |
| Landeshaushalt helfen: Da spielt eine Deckelung erst gar keine Rolle. Als | |
| [2][der Landesrechnungshof 2024 die Höhe der Spitzengehälter bei fünf | |
| großen landeseigenen Unternehmen prüfte], deren Höhe rügte und eine | |
| Absenkung empfahl, hatte er auch ausgerechnet, was das einsparen würde: 2,1 | |
| Millionen Euro jährlich – der aktuelle Landeshaushalt umfasst rund 40.000 | |
| Millionen. | |
| ## Der Erfolg verkürzter Botschaften | |
| Diese Abwägung in Ruhe zu lesen, dürfte drei, vier Minuten gedauert haben. | |
| Das ist gut drei bis vier Mal so lang, wie der eingangs erwähnte Politiker | |
| am Infostand in der Regel Zeit hat, für oder gegen etwas zu argumentieren. | |
| Deshalb ist er ja so erfolgreich, der Populismus von rechts wie links – | |
| weil er einfache Botschaften aussendet, die auf die Schnelle nicht zu | |
| widerlegen sind. Das ist ein trauriger Schluss und für den Wahlkampf hin | |
| zur Abgeordnetenhauswahl in nun weniger als elf Monaten kein ermutigendes | |
| Vorzeichen. | |
| 25 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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