| # taz.de -- Berlin Science Week im November: Ein Kessel Buntes | |
| > Die Berlin Science Week will neue Perspektiven für die Zukunft eröffnen. | |
| > Doch auch wenn es Spannendes zu sehen gibt, fehlt es an breiter Ansprache | |
| > für alle. | |
| Bild: Am Stand des Einsteinteleskops werden Ergebisse der Messungen von Gravita… | |
| taz | Für zehn Tage ist Berlin wieder das Zentrum der internationalen | |
| Wissenschaftsszene. Wie jedes Jahr im November bietet die „[1][Berlin | |
| Science Week]“ einen bunten Blumenstrauß an Vorträgen und | |
| Experimentalvorführungen aus allen Forschungsdisziplinen, verteilt über | |
| rund 80 Wissenschaftsinstitute in der ganzen Stadt. „Die Berlin Science | |
| Week ist ein Festival für alle Neugierigen“, sagte Organisator Christian | |
| Rauch von der privaten „Falling Walls“-Stiftung am Samstag bei der | |
| Eröffnung. | |
| Die Stiftung hatte das Event vor zehn Jahren ins Leben gerufen, um die | |
| internationale Strahlkraft der Wissenschaftsmetropole zu stärken. „Das ist | |
| uns auch gelungen“, stellte Jürgen Mlynek fest, der frühere Präsident der | |
| [2][Berliner Humboldt-Universität] und „Erfinder“ der Science Week: „Von… | |
| Veranstaltungen am Anfang sind wir auf jetzt 350 Events gewachsen“. Das | |
| inhaltliche Spektrum reicht von Künstlicher Intelligenz (KI) und | |
| Teilchenphysik über Nachhaltigkeit, Gesundheit und Materialinnovation bis | |
| zu Religionsdidaktik. | |
| Das Rahmenthema in diesem Jahr lautet „Beyond now“. „Mit dem Festivalthema | |
| fragen wir, wie Wissenschaft helfen kann, über die Krisen der Gegenwart | |
| hinauszublicken und neue Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen“, | |
| erläuterte Rauch den Claim. | |
| Das [3][allgegenwärtige Thema KI] wird dabei mitunter – wie am | |
| Eröffnungs-Samstag im Naturkundemuseum – von altbekannten Personen | |
| dargeboten. So hatte die ETH Zürich ihren digitalen Albert Einstein | |
| mitgebracht, dem mittels ChatGPT Laien-Fragen gestellt werden konnten. Im | |
| bequemen Sessel versuchten die Besucher dem Physik-Genie die Geheimnisse | |
| der Relativitätstheorie zu entlocken. Albert antwortete immer prompt und | |
| freundlich. | |
| Berlins [4][Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD)] zeigte sich bei der | |
| Eröffnung begeistert über die „Festspiele der Wissenschaft“, von denen sie | |
| sich wünsche, das sie einmal die Breitenwirkung der „Grünen Woche“ | |
| entfalten könnten. „Die Wissenschaften haben nicht nur eine Bringschuld, | |
| sondern in diesen uruhigen Zeiten brauchen wir sie mehr denn je“, betonte | |
| die SPD-Politierin. Der Berliner Senat fördert die Science Week mit 630.000 | |
| Euro. Im vorigen Jahr, als 35.000 Besucher gezählt wurden, gab es rund | |
| 695.000 Euro aus der Landeskasse. | |
| Weil sich die Wissenschafts-Schau vor einigen Jahren auch der Kultur | |
| geöffnet hat, werden vermehrt Entwicklungen vorgestellt, bei denen sich | |
| Forschung und Design die Hand reichen. So zeigt das Fraunhofer-Netzwerk | |
| „Wissenschaft, Kunst und Design“ eine neue Art von „fühlenden“ Textili… | |
| „Diese Textilien machen Schalter und Tasten in Hardware überflüssig, | |
| verschmelzen nahtlos mit Oberflächen und ermöglichen intelligente | |
| Steuerungen, wo sie gebraucht werden“, erklärt der Werkstoffwissenschaftler | |
| Lukas Werft vom Berliner Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und | |
| Mikrointegration (IZM) die Technik, die noch an der Schwelle zur | |
| industriellen Anwendung steht. | |
| Einen besonderen Leckerbissen hält der zweite Festival-Standort am | |
| Holzmarkt bereit. Dort wird in der ersten eigenen Ausstellung der Science | |
| Week das Projekt „Korallenklang-Resilienz“ des Künstlers Marco Barotti | |
| gezeigt. Dabei handelt es sich um einen Serie von | |
| Unterwasser-Klangskulpturen, die demonstrieren, wie die Klanglandschaften | |
| aus gesunden Korallenriffen für die Erholung geschädigter Ökosysteme | |
| eingesetzt werden können. Nach Befunden der Meeresforscher gibt es dieses | |
| „Heilungseffekt“ unter Wasser tatsächlich. | |
| Auch Berliner „Lost Places“ soll mithilfe der Wissenschaftswoche neues | |
| Leben eingehaucht werden. So wird am 4. November das Konzept des | |
| „Teufelsberg Campus“ vorgestellt, das den ehemaligen Spionagehügel aus der | |
| Zeit des Kalten Krieges in eine Plattform für Austausch, Bildung und | |
| gemeinsame Reflexion über die Vergangenheit und Zukunft der Stadt | |
| transformieren soll. | |
| „Der Teufelsberg war schon immer ein Ort des Wandels: vom Schutthügel zur | |
| Abhörstation, vom verlassenen Gelände zum Symbol künstlerischer Freiheit“, | |
| heißt es in der Ankündigung von der Teufelsberg-Gruppe, zu der die TU | |
| Berlin und das Wissenschaftsnetzwerk „Brain City Berlin“ gehören. Nun solle | |
| der Berg, in dessen tieftstem Innern die Ruinen der Wehrtechnischen | |
| Fakultät aus dem Dritten Reich ruhen, seine Geschichte fortschreiben – „als | |
| Denkmal, das nicht nur die Vergangenheit bewahrt, sondern auch der Zukunft | |
| lauscht“. | |
| Viel Interessantes wird also bei der 10. Science Week geboten. Dennoch | |
| lässt sie einiges vermissen. So hätte insgesamt der traditionelle Ansatz | |
| der Wissenschaftskommunikation, der immer noch von der | |
| „Schaufenster-Funktion“ ausgeht, im Jubiläumsjahr auf ein neues Level | |
| gehoben werden können. Tatsächlich stößt dieses Modell derzeit an seine | |
| Grenzen, weil praktisch nur die ohnehin an Wissenschaft interessierten | |
| Menschen für Events dieser Art erreicht werden. | |
| Dazu zählt auch die „Lange Nacht der Wissenschaft“ im Frühsommmer, die | |
| ebenfalls rund 35.000 Besucher zählt. Die Aufgabe wäre gewesen, mit neuen | |
| Ansätzen der Partizipation neue Bevölkerungsschichten zu erschließen, die | |
| der Wissenschaft bisher desinteressiert oder ablehnend gegenüberstehen. In | |
| Zeiten des wachsenden Rechtspopulismus wäre eine solche | |
| Kommunikationsrichtung „raus aus dem Silo“ zudem demokratiestärkend. | |
| Ebenfalls unterentwickelt ist bei der Science Week der Praxistransfer in | |
| die Wirtschaft. Im dritten Jahr der Wirtschaftskrise, in der Deutschland | |
| weiterhin durch eine unterentwickelte Innovationskraft nicht zu | |
| wirtschaftlichem Wachstum kommt – was auch der Bundeskanzler gerade beim | |
| Start der „Hightech Agenda Deutschland“ angemahnt hatte – wäre ein | |
| konzentrierter Ansatz einer „Science and Innovation Week“ oder ein dritter | |
| „Innovation Campus“ – etwa in Adlershof – passend gewesen. Wissenschaft | |
| soll den Menschen und der Gesellschaften nützen. In der hiesigen Wirtschaft | |
| werden diese Kompetenzen derzeit am dringendsten gebraucht. | |
| 2 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://berlinscienceweek.com/ | |
| [2] /Humboldt-Universitaet/!t5008103 | |
| [3] /Schwerpunkt-Kuenstliche-Intelligenz/!t5924174 | |
| [4] /Berliner-Wissenschaftspolitik/!6110317 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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