| # taz.de -- Ringen gegen Erderwärmung: Geschlossene Gesellschaft | |
| > Die Klimabewegung scheiterte daran, sich als Massenbewegung zu | |
| > etablieren. Der Grund ist, dass sie ihre Ziele nie genug von Ideologien | |
| > abgegrenzt hat. | |
| Bild: War monothematisch und weitgehend unideologisch aufgestellt: Protestbeweg… | |
| Die Schauspielerin Maria Furtwängler stellte sich jüngst öffentlich eine | |
| Frage: „Meine Güte! Wann ist das passiert?“ Auf dem [1][ZEIT Wissen | |
| Kongress] in Berlin trug sie ihre Beobachtung vor: Konservative Mitmenschen | |
| sähen den Klimaschutz inzwischen als ein ideologisches Projekt an, was sie | |
| verwundere, schließlich sei doch das Konservative – schon von der | |
| Wortbedeutung her – das Bewahrende. Wie könne es also sein, dass sich | |
| konservative Kreise, zunehmend von einer Weltsicht verabschiedeten, die | |
| unter dem Aspekt „Bewahrung der Schöpfung“ im Grund eine christliche sei. | |
| Furtwängler, die in Berlin zugleich als Aktivistin angekündigt wurde, | |
| stellte die Frage ans Publikum: „Wie kann meine Sorge, ob meine Enkelkinder | |
| bei zunehmenden Dürrekatastrophen, Überschwemmungen, | |
| Nahrungsmittelknappheiten und bei wachsenden Teilen der Erdoberfläche, die | |
| nicht mehr bewohnbar sein werden, wie kann das um Himmels willen | |
| ‚ideologisch motiviert‘ sein?“ | |
| Die Antwort ist bitter: Die Klimabewegung hat sich nie ausreichend von | |
| ideologischen Fragen abgegrenzt. In der Wahrnehmung vieler Bürger gab ihr | |
| das eine fatale Schlagseite und verschreckte mögliche Mitstreiter. Es | |
| gelang der Bewegung nicht, sich als das zu präsentieren, was sie hätte sein | |
| sollen: eine Initiative, die ein wissenschaftlich solide erforschtes | |
| Umweltproblem thematisiert, dessen Dramatik unabhängig von jeder | |
| Weltanschauung ist. | |
| Die Anti-AKW-Bewegung in den 1970er Jahren hatte die Notwendigkeit einer | |
| breiten Anschlussfähigkeit ihres Anliegens noch begriffen: „Man hat nicht | |
| gefragt: Woher kommst du politisch?“ – diesen Satz hört man immer wieder, | |
| wenn man heute die alten Kämpfer von einst nach ihrem Erfolgsrezept fragt. | |
| Auf Bauplätzen und Demos hatten sie sich offen gezeigt für jeden | |
| Mitstreiter, egal welcher politischen Richtung und ideologischen Weltsicht | |
| er sich ansonsten zugehörig fühlte. | |
| ## Von Atomkraftgegnern lernen | |
| So machten auf dem Bauplatz in Wyhl die überwiegend konservativen Winzer | |
| vom Kaiserstuhl mit linken Studenten gemeinsame Sache. Die Atomkraftgegner | |
| zeigten damit, welche Wirkmacht eine soziale Bewegung zu erreichen vermag, | |
| wenn sie sich monothematisch und weitgehend unideologisch aufstellt. So war | |
| der Atomkraftwiderstand im besten Sinne das Kind einer pluralistischen | |
| Gesellschaft, in der Menschen für ein spezifisches Anliegen auf Zeit | |
| zusammenfinden, selbst wenn sie bei anderen Themen konträre Meinungen | |
| pflegen. | |
| Ganz anders die Klimabewegung, die nicht einmal den Anschein zu erwecken | |
| versuchte, offen zu sein für Mitstreiter jeder politischen Couleur. Indem | |
| Klimaaktivisten virtuos den Bogen spannten zum Kampf gegen rechts, zu | |
| Genderfragen, zu Gaza und zur Flüchtlingspolitik, zogen sich potenzielle | |
| Gefolgsleute zurück, weil sie mit einer solchen ideologischen Wundertüte | |
| fremdelten. | |
| Wer genauer verstehen will, warum bürgerlich-konservative Kreise den | |
| Klimaschutz inzwischen oft in einer ideologischen Ecke verorten, der findet | |
| Erhellendes auch im Buch „Klimaungerechtigkeit“ von [2][Friederike Otto]. | |
| Dieses trägt den Untertitel „Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, | |
| Rassismus und Sexismus zu tun hat“ und ist ungewollt ein Destillat jenes | |
| durchideologisierten Weltbilds, das die konservativ denkenden Teile der | |
| Gesellschaft offenbar verschreckt, von denen Maria Furtwängler sprach. | |
| Und komme nun niemand mit dem zwar grundsätzlich weisen Satz Alexander von | |
| Humboldts: „Alles hängt mit allem zusammen“ – denn der ist unbrauchbar f… | |
| die Strategie einer sozialen Bewegung. Wer diesen Satz in der politischen | |
| Arbeit zu seiner Maxime erhebt, wird zwangsläufig scheitern, weil jedes | |
| Ansinnen damit beliebig wird. Für den Erfolg braucht ein Projekt vielmehr | |
| eine eingängige Botschaft, die die Klimaaktivisten mit ihrer Themenmelange | |
| nie hatten. | |
| Eine solche Botschaft hätte zum Beispiel lauten können: Die Preise fossiler | |
| Energien müssen die ökologische Wahrheit sagen. Nicht mehr, nicht weniger. | |
| Vor 30 Jahren war dieser Satz tatsächlich noch das pragmatische Credo der | |
| Klimabewegten. Zu dieser Zeit sprach folglich auch noch niemand von einer | |
| „[3][Klimareligion]“, wie es Spötter heute tun. | |
| ## Dogmatische Züge | |
| Die Offenheit gegenüber dem Klimaschutz ging bei vielen Menschen erst | |
| verloren, als die Gutmeinenden auf den Plan traten mit der Vorstellung, sie | |
| würden der Sache dadurch dienen, dass sie das Thema moralisch aufladen und | |
| mit allen Themen verquicken, die das „woke“ Repertoire zu bieten hat. Eine | |
| fatale Fehleinschätzung, wie wir heute wissen. | |
| Denn damit geriet die eigentlich so nüchterne Klimawissenschaft – weil nun | |
| eingebettet in ein stark dogmatisch geprägtes Umfeld – in den wenig | |
| hilfreichen Verdacht, selbst ein ideologisch motiviertes Projekt zur | |
| gesellschaftlichen Transformation zu sein. Es festigte sich in manchen | |
| Kreisen der Eindruck, Klimaschutz sei nur ein trojanisches Pferd im Zuge | |
| einer Umerziehung. So absurd dieser Eindruck auch ist, die Klimabewegung | |
| hat ihn provoziert. | |
| Symptomatisch für deren Niedergang ist auch die Entwicklung ihrer einstigen | |
| Ikone [4][Greta Thunberg]. Als die Schwedin noch schlicht und einfach das | |
| Gesicht des Klimaschutzes war, flogen ihr die Sympathien zu – ja, durchaus | |
| auch von Konservativen und Liberalen. Dann aber wurde ihr politisches | |
| Engagement beliebig. Mal poppte sie zusammen mit Flüchtlingsbooten in den | |
| Medien auf, zuletzt spielte sie sich im Gazakonflikt ins Rampenlicht. | |
| Aus Greta, dem Klimagewissen, war Greta, die notorische Provokateurin auf | |
| den verschiedensten Bühnen der Welt, geworden. Ihre Rolle als | |
| Integrationsfigur war dahin. Am Ende bleibt die schlichte Beobachtung, dass | |
| die Klimabewegung vor allem eines wird beherzigen müssen, wenn sie sich neu | |
| aufzustellen gedenkt: Wo Klimaschutz draufsteht, sollte einzig und alleine | |
| Klimaschutz drin sein. | |
| 30 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=ZEIT+wissen+kongress… | |
| [2] /Forscherin-ueber-Hitze-und-Klima/!5864984 | |
| [3] /Klimaschutz-als-Religion/!5626370 | |
| [4] /Greta-Thunberg/!t5568465 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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