| # taz.de -- Klimaschutz in Gefahr: Wie die Bundesregierung Schindluder mit dem … | |
| > Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) soll Deutschland klimaneutral | |
| > machen. Doch die Bundesregierung nutzt ihn als ungerechten Lückenfüller. | |
| Bild: Geld aus dem Klimatransformationsfonds für Wärmepumpen: Und am Freitag … | |
| Berlin taz | Vereinter hat man Klimapolitiker*innen noch nicht | |
| gesehen: Als im Haushaltsplan der Bundesregierung Strafen für zu wenig | |
| Klimaschutz mit Geld bezahlt werden sollten, das für mehr Klimaschutz da | |
| ist, waren Fachpolitiker*innen aus CDU, SPD, Grünen und Linkspartei | |
| erbost. „Klima-Kannibalismus“ nannte es die Grüne Lisa Badum, | |
| „inakzeptabel“ der CDUler Mark Helfrich. Und tatsächlich: die | |
| Bundesregierung verschob den Posten wieder aus dem Klimatopf in den | |
| Kernhaushalt. | |
| Die Kontroverse um die Strafzahlungen hatte das Fass zum Überlaufen | |
| gebracht. Aber der Klima- und Transformationsfonds (KTF), um den es ging, | |
| dient Bundesregierungen schon längst als Lückenfüller statt als | |
| Klimaschutz-Beschleuniger. Und dieser Bundesregierung ganz besonders. | |
| Der Strompreis wird mit KTF-Geldern gesenkt, Betreiber von Kohlekraftwerken | |
| bekommen laut Kohleausstiegs-Gesetz ihre Belohnungen für abgeschaltete | |
| Kraftwerke aus dem Klimatopf. Im Juli kündigte Wirtschaftsministerin | |
| Katherina Reiche (CDU) an, dass sie den Gaspreis für Haushalte und | |
| Unternehmen [1][mit Milliarden aus dem KTF senken will]. | |
| „Die Bundesregierung schaut nicht strategisch, was sie mit dem KTF | |
| bezwecken will, und überprüft dann, ob er das leisten kann“, beklagt Niklas | |
| Illenseer, der als Haushaltsexperte für die Denkfabrik Dezernat Zukunft | |
| arbeitet. „Stattdessen wird der KTF zum Sammelbecken für alles, was mit | |
| Klima oder Transformation zu tun hat.“ Der Topf drohe zum Symbol für die | |
| klimapolitische Orientierungslosigkeit der Bundesregierung zu werden. | |
| ## Großes Potenzial | |
| Dabei habe der KTF großes Potenzial, sagt Illenseer. Denn der Topf ist | |
| nicht Teil des Kernhaushalts und unterliegt deswegen anderen Regeln: | |
| „Investitionen lassen sich darin einfacher bündeln, an einen Zweck binden | |
| und planbar machen.“ Ein Beispiel: die Klimaschutzverträge, [2][die noch | |
| der Grüne Robert Habeck als Wirtschaftsminister auf den Weg gebracht | |
| hatte]. | |
| Wenn Unternehmen einen solchen Klimaschutzvertrag mit der Bundesregierung | |
| abschließen und ihren CO2-Ausstoß reduzieren, aber dadurch höhere Kosten | |
| haben, bekommen sie Geld aus dem KTF. Wenn sich die Investition langfristig | |
| auch ökonomisch lohnt, dann nicht. | |
| ## Jährliche Schwankungen kompensieren | |
| Das Gute am KTF: Wenn das Interesse ein Jahr lang mal geringer ist und die | |
| vorgesehenen Milliarden nicht abfließen, bleiben sie einfach im Topf. Im | |
| Kernhaushalt würden sie verfallen. „Die Überschüsse sind somit theoretisch | |
| auch für Klimaausgaben in den Folgejahren gesichert“, sagt Illenseer. Das | |
| könne jährliche Schwankungen in den Ausgaben in der Theorie kompensieren. | |
| Nur erweitert die Bundesregierung ständig, für welche Zwecke der KTF | |
| genutzt werden kann – die Gaspreisumlage ist das aktuellste Beispiel. Dann | |
| helfen gesparte Milliarden nicht dem Klima. „Ob der KTF damit zu mehr | |
| Planungssicherheit führt, hängt also auch von den politischen | |
| Entscheidungen ab“, sagt Illenseer. | |
| ## Verfehlt klimapolitisches Potenzial | |
| Geld landet im KTF nicht wie im Kernhaushalt durch Steuereinnahmen, sondern | |
| vor allem durch die Bepreisung von CO₂. Die Idee: Unternehmen, die CO₂ | |
| ausstoßen, müssen dem Staat Geld zahlen. Und dieses Geld gibt der Staat | |
| dann aus, damit Privatleute und Unternehmen in Zukunft weniger CO₂ | |
| ausstoßen, also weniger für ihren CO₂-Ausstoß bezahlen müssen. Nur zahlen | |
| private Haushalte durch die CO₂-Bepreisung deutlich mehr in den KTF ein, | |
| als sie herausbekommen. | |
| Die Denkfabrik Zukunft KlimaSozial hat den Haushaltsentwurf für 2026 | |
| [3][analysiert]. Das Bundesfinanzministerium unter Lars Klingbeil (SPD) | |
| erwartet demnach, dass Privatleute durch den CO₂-Preis aufs Heizen und | |
| Verbrenner-Fahren insgesamt 16,7 Milliarden Euro in den KTF einzahlen | |
| werden. Förderung für Haushalte – Gelder für Sanierungsmaßnahmen, | |
| Wärmepumpen oder Entlastungen beim Strompreis – belaufen sich aber nur auf | |
| 11 Milliarden Euro. Dagegen gehen 18,1 Milliarden Euro an Unternehmen. „Der | |
| KTF verfehlt bislang sein klimasoziales Potenzial“, schlussfolgert die | |
| Direktorin von Zukunft KlimaSozial, Brigitte Knopf. | |
| ## Zehn Milliarden sollten herauskommen | |
| Neben den Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung speist sich der KTF in den | |
| kommenden Jahren auch aus den 100 Milliarden Euro für Klimaschutz, die die | |
| Grünen im März in das 500 Milliarden schwere Schuldenpaket für | |
| Infrastruktur hineinverhandelt haben. | |
| Zehn Milliarden Euro pro Jahr für Klimaschutz sollten dabei herauskommen. | |
| Ein Drittel davon wird im kommenden Jahr wahrscheinlich für die | |
| Gasspeicherumlage draufgehen. Dem arbeitgebernahen Institut der deutschen | |
| Wirtschaft zufolge werden mit den zehn Milliarden „größtenteils keine | |
| zusätzlichen Investitionen in die Klimaneutralität finanziert“. | |
| ## Bundesregierung wurschtelt sich durch | |
| Bereut die Grüne Badum im Nachhinein, dass die Grünen dem Schuldenpaket | |
| zugestimmt haben? „Ich finde es nach wie vor richtig“, sagt sie, „es | |
| braucht massive Investitionen und es wäre nicht gemeinwohlorientiert | |
| gewesen, dagegen zu stimmen.“ | |
| Trotzdem ist sie frustriert: „Unter der Ampel mussten wir aufgrund des | |
| Haushaltsurteils des Verfassungsgerichts einen extremen Sparhaushalt | |
| aufstellen“, erinnert sich die Abgeordnete, „jetzt ist Geld da und die | |
| Bundesregierung gibt es nicht für Klimaschutz aus.“ Bundeskanzler Friedrich | |
| Merz (CDU) und Klingbeil wollten sich „einen leichten Sommer und Herbst | |
| machen und dringende Aufgaben nicht angehen“, kritisiert sie. Statt neue | |
| Investitionen und Klimaschutz zu priorisieren, „wurschteln sie sich durch | |
| und verpassen dabei die Zukunft.“ | |
| ## Ungewisse Zukunft | |
| Wie es mit dem Klima- und Transformationsfonds weitergeht, ist ungewiss. | |
| Für 2029 plant das Bundeswirtschaftsministerium mit 4,4 Milliarden Euro | |
| statt 1,9 Milliarden Euro Förderung für Klimaschutzprogramme der Industrie. | |
| „Die Befürchtung ist, dass damit vor allem auch CCS bezahlt werden könnte�… | |
| sagt Illenseer. [4][CCS, die Verpressung von CO₂ im Boden], gilt zum | |
| Beispiel Greenpeace als „teure Scheinlösung“. | |
| Die steigende Industrieförderung verstärkt zudem einen gefährlichen Trend: | |
| „Auf der Ausgabenseite rutschen einige Programme in den KTF, die auf jeden | |
| Fall Geld binden werden“, sagt Illenseer, zum Beispiel Zuschüsse für den | |
| Stromnetzausbau. | |
| Aber weil die CO₂-Bepreisung für Heizen und Verkehr 2027 [5][dem Markt | |
| übergeben wird] und infolgedessen niedriger ausfallen könnte, steht der | |
| Topf auf wackligen Füßen. „Wenn diese Einnahmen wegbrechen, wird das | |
| Haushaltsloch noch größer“, sagt Experte Illenseer. Dann wäre der KTF nicht | |
| mal mehr Lückenfüller. Sondern selbst Lücke. | |
| 26 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Haushaltsplaene-von-Schwarz-Rot/!6100594 | |
| [2] /Klimaschutzvertraege-mit-Unternehmen/!6039884 | |
| [3] https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7373223853889671168/ | |
| [4] /CCS-Technologie/!6102070 | |
| [5] /EU-Emissionshandel/!6058364 | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Waack | |
| ## TAGS | |
| UN-Klimakonferenz in Belém 2025 | |
| Klima | |
| Energiewende in Gefahr | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Klimaschutzziele | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Reden wir darüber | |
| Haushaltskrise | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| RWE und Heidelberg Materials: Pakistaner wollen Schadensersatz von deutschen CO… | |
| Mehr als 40 Pakistaner verlangen Geld von RWE und Heidelberg Materials. Die | |
| Konzerne hätten eine Flutkatastrophe mit ihren Emissionen mitverursacht. | |
| Grüne Investitionen: Der Weltmarkt könnte sich bis 2045 vervierfachen | |
| Die staatliche Förderbank KfW warnt in einer Studie vor einem Rollback beim | |
| Klimaschutz. Rückschritte seien letztlich schlecht für die Wirtschaft. | |
| EU-Gipfel: Industrie wichtiger als Klima | |
| Europas Staats- und Regierungschefs stellen Emissionshandel und | |
| Verbrenneraus infrage. Unklar bleibt, wie das Klimaziel 2040 erreicht | |
| werden soll. | |
| Europäischer Klimaschutz: Die CDU am Scheideweg | |
| Der CO2-Handel ist die zentrale Klimaschutzidee der CDU – und steht unter | |
| Beschuss. Beteiligt Kanzler Merz sich daran, ist seine Partei endgültig | |
| unglaubwürdig. | |
| Nach dem Urteil zum Klimafonds: Haushalten und zusammenhalten | |
| In der Bundesregierung herrscht weitestgehend Einvernehmen über die | |
| Planungssperre. Doch die Unsicherheit färbt auf die Koalition ab. |