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# taz.de -- Neues Album vom Chicago Underground Trio: Dieser Jazz ist offen fü…
> Seit dreißig Jahren spielen Chad Taylor und Rob Mazurek skizzenhaften
> Jazz. Für ihr Album „Hyperglyph“ kommen viele Gäste der Szene aus Chica…
> dazu.
Bild: Das Chicago Underground Duo
Die Skizze ist eine passende Form für Jazz. Das Unfertige und Hingeworfene
ist oft lebendiger als eine abgeschlossene Komposition. Ränder und
Genregrenzen werden durchlässig, beim Hören steigt das Gefühl, in jedem
Moment könnte etwas Neues hinzukommen. Ob Klangfarben, oder rhythmische und
tonale Verschiebungen.
Das Chicago Underground Duo besteht im Kern aus [1][Chad Taylor
(Schlagzeug)] und [2][Rob Mazurek (Trompete plus elektronische
Klangerzeugungsquellen)]. Seit rund 30 Jahren spielen sie skizzenhaften
Jazz. Ihr Album „Hyperglyph“ ist das erste Lebenszeichen seit 2014.
Musiker*innen aus der Chicagoer Szene kommen dazu, weitere Linien und
Flächen bereichern das Bild. Das Kriterium fürs Zusammenspiel, laut Rob
Mazurek: Es sollten Menschen sein, „offen für alles, ganz egal, wie abwegig
eine Idee ist“.
Taylor und Mazurek sind zwei der umtriebigsten Musiker der Chicagoer Szene
um das International-Anthem-Label. Wie keine andere steht die unabhängige
Firma [3][für nach allen Seiten hin interessierten Jazz]. Im Verhältnis zu
den Formationen, in denen Taylor und Mazurek sonst spielen, ist das Chicago
Underground Duo so etwas wie das Laboratorium, in dem aus- und
herumprobiert werden kann.
Die Musik auf „Hyperglyph“ klingt, als bestünde keine große Notwendigkeit,
irgendwas zu verwerfen. Der Albumtitel verweist auf hochentwickelte,
komplexe visuelle Symbole mit hoher Informationsdichte und darf
programmatisch verstanden werden.
Der Auftakt „Click Song“ legt die Methode offen, die die meisten Stücke
bestimmt: Chad Taylor spielt polyrhythmische Muster, die man mit
afrikanischen Musiktraditionen assoziiert. Rob Mazurek passt meist kurze,
oft äußerst expressive Trompetenlinien in das überbordende Drumming ein,
die in ihrer Rohheit und manchmal auch ihrer [4][Brüchigkeit viel vom Spiel
Don Cherrys] haben.
Melodische Einfachheit, die Virtuosität vermeidet und gerade darin sehr
virtuos und vor allem präsent wirkt. Mit dem Titelstück und dem folgenden
„Rhythm Cloth“ nimmt die Informationsdichte weiter zu. Es kommen antike
Synthies, eine verzerrte Spoken-Word-Performance und ein tribalistischer
Chor dazu. Alles pulsiert, und die Skizzen werden tanzbar.
## Reizdichte und Leichtigkeit, Chaos und Struktur
Rob Mazurek gelingt es wie kaum einem anderen Jazztrompeter zurzeit,
Gegensätzlichkeiten zu spielen und zugleich zu forcieren. Reizdichte und
Leichtigkeit, Chaos und Struktur, Lounge-artiges und Freejazz-Zitate. In
„Contents of Your Heavenly Body“ geht es um Körperlichkeit und Schönheit
und implizit auch darum, dass die Zuschreibung, Jazz sei geschmäcklerisch
und feingeistig, Blödsinn bleibt. Die Musik auf „Hyperglyph“ ist immer
körperlich, egal ob sie mit Druck oder tastend und zärtlich gespielt wird.
„The Gathering“ ist mit sieben Minuten so etwas wie die Kernthese. Taylor
rollt selbstvergessen in den Hintergrund gemischt über die Toms, dazu
Beckengeklimper und kurze Trompetenlinien. Genau zur Hälfte des Stücks
verschwindet alles, und es folgt eine Sequenz, in der ein Vibrafon und
Elektronik-Gezirpe den Sound ins vollends Offene schubsen. Das
vergleichsweise traditionell anmutende „Hemiunu“, in dem Klavier und
Trompete um ein Motiv kreisen, holt das Album wieder auf den Boden zurück,
um dann mit der „Egyptian Suite“ noch einmal abzuheben. „Suite“ täusch…
wenig, die drei Stücke sind die fragmentiertesten und gewissermaßen am
freiesten gespielten Stücke auf „Hyperglyph“.
Das Album endet im Frieden, mit „Succulent Amber“. Alles Skizzenhafte ist
Ergebnis von kompositorischen Überlegungen und organisierten
Improvisationen. Aber es wirkt radikal spontan. Benjamin Moldenhauer
23 Oct 2025
## LINKS
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[3] /Jazzfest-Berlin-2021/!5813570
[4] /US-Jazz-Trompeter-Wadada-Leo-Smith/!6078409
## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
## TAGS
Neues Album
Free Jazz
Jazz
Chicago
Dub
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Jazz
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