| # taz.de -- Rechtsextreme und Linke in Göttingen: Ein Gerangel, drei Versionen | |
| > In Göttingen geraten AfD-Mitglieder und linke Aktivisten aneinander. Das | |
| > alternative Hausprojekt OM10 widerspricht nun der Darstellung der | |
| > Polizei. | |
| Bild: OM10 in Göttingen: 2014 wurde das leerstehende frühere DGB-Haus besetzt | |
| Nach jahrelanger relativer Abstinenz zeigen Rechtsextremisten in Göttingen | |
| wieder offen Präsenz. Vorläufiger Höhepunkt ist eine handfeste | |
| Auseinandersetzung zwischen AfD-Mitgliedern und Leuten aus dem Umfeld des | |
| linken Hausprojekts „OM10“. Die Beteiligten wetteifern auch um die | |
| Deutungshoheit über den Vorfall. | |
| Die Polizei war mit ihrer Bewertung am schnellsten. Am Abend des 4. Oktober | |
| sei es in der Innenstadt zu einem „mutmaßlichen Übergriff“ durch mehrere | |
| Personen aus dem Umfeld des Objekts OM10 auf Mitglieder der AfD gekommen, | |
| berichtete die Pressestelle der Göttinger Polizeiinspektion am Folgetag. | |
| Zwei Personen aus der angeblich angegriffenen Gruppe hätten dabei leichte | |
| Verletzungen erlitten, eine ärztliche Behandlung jedoch abgelehnt. | |
| [1][Rund 15 AfDler, darunter auch der zum „Höcke-Flügel“ zählende | |
| Bundestagsabgeordnete Micha Wehre aus Hannover,] hätten sich zuvor im | |
| Rahmen einer parteiinternen Veranstaltung in einem Restaurant getroffen, so | |
| die Polizei. Im Anschluss an die Zusammenkunft habe sich die Runde zu einem | |
| Spaziergang durch die Göttinger City aufgemacht, „dabei wollte sie nach | |
| eigenen Angaben ‚interessehalber‘ an dem Gebäude OM10 vorbeigehen.“ | |
| OM10 steht für Obere-Masch-Straße und die Hausnummer 10. In dem Gebäude | |
| residierte lange Zeit der DGB, dann stand es leer, wurde besetzt und | |
| schließlich von einer Initiative gekauft und in Eigenarbeit saniert. Heute | |
| bietet die OM10 Wohnraum unter anderem für Geflüchtete und einen Saal für | |
| Veranstaltungen, in einem Anbau [2][haben die linken Anhänger des | |
| Fußballvereins Göttingen 05 ihren Fanraum eingerichtet.] | |
| ## AfD verbreitet Fake News | |
| Im weiteren Verlauf der Nacht stoppten Polizisten nach eigenen Angaben „in | |
| Tatortnähe“ fünf verdächtige Personen. Gegen die zwei Frauen und drei | |
| Männer seien Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet | |
| worden. | |
| Am 6. Oktober zog die AfD mit einer eigenen – und eigenwilligen – | |
| Geschichte nach und tischte dabei eine veritable Räuberpistole auf. Wie der | |
| Göttinger AfD-Kreisverband auf Facebook schilderte, sollen die | |
| vermeintlichen Angreifer aus der OM10 einem Mitglied der AfD-Gruppe eine | |
| Glasflasche auf die Stirn geschlagen haben, „so dass diese zerbrach“. Der | |
| Mann habe deshalb in der Notaufnahme eines Göttinger Krankenhauses | |
| behandelt werden müssen. | |
| Von diesem Schlag mit der Flasche ist der Polizei und in den Krankenhäusern | |
| allerdings nichts bekannt. „Entsprechende Verletzungen wurden während der | |
| Sachverhaltsaufnahme am Samstagabend vor Ort von der Polizei weder aufgrund | |
| eigener Wahrnehmungen festgestellt, noch von den Attackierten oder anderen | |
| Personen aus der AfD-Gruppe gegenüber den Beamten angegeben“, sagte eine | |
| Polizeisprecherin. | |
| Am vergangenen Freitag meldete sich schließlich die OM10 selbst mit einer | |
| „Richtigstellung“ zu Wort. Am fraglichen Abend hätten sich etwa 20 Personen | |
| aus dem AfD-Spektrum vor dem Hausprojekt versammelt und dort für ein Foto | |
| positioniert. Eine Person habe die Gruppe angesprochen, sei aber von den | |
| AfDlern „unvermittelt brutal angegriffen“ worden. Durch schnelles Handeln | |
| von Menschen, die sich rund um die OM10 aufhielten, habe Schlimmeres | |
| verhindert und die Gruppe Rechtsextremer von der OM10 und dem benachbarten | |
| Platz der Synagoge ferngehalten und vertrieben werden können. | |
| ## Weitere rechte Angriffe in Göttingen | |
| „Die versuchte Provokation mit Posieren vor unserer Hausfassade, sowie die | |
| unvermittelte Körperverletzung ist ein klarer Angriff auf unser | |
| Hausprojekt, das für Werte wie Vielfalt, Solidarität und Antirassismus | |
| steht“, sagt OM10-Sprecherin Lisa Schnell. Sie sieht einen Zusammenhang mit | |
| weiteren rechten Aktivitäten: Ebenfalls in der Nacht zum 5. Oktober waren | |
| Wände, Tische und Fenster des linken Cafés „Dots“ in der Innenstadt mit 13 | |
| großformatigen Hakenkreuzen beschmiert worden. | |
| Nach Angabe von Dots-Geschäftsführer Hendrik Oberwinter hat es einen so | |
| massiven Angriff auf das Café noch nicht gegeben. Aber in der jüngsten | |
| Vergangenheit habe die Zahl von Aufklebern mit rechten Inhalten im Umfeld | |
| des Cafés massiv zugenommen. In den Wochen davor brannte es mehrmals vor | |
| einem islamischen Supermarkt in der Nordstadt. „Diese Vorkommnisse müssen | |
| in einen Zusammenhang mit verstärktem Eindringen von faschistischen Kräften | |
| in die Stadt gestellt werden“, so Lisa Schnell. | |
| Der jüngste Zwischenfall ereignete sich am vergangenen Donnerstagabend am | |
| Parteibüro der Grünen. „Fünf dunkel gekleidete Jugendliche“, so die | |
| Polizei, sollen gegen die Scheiben geschlagen und „Fuck Grüne“ gerufen | |
| haben. Einer der Störer habe durch das Fenster auf einen [3][AfD-Aufkleber] | |
| auf seinem Handy gezeigt. Vor ihrem Abzug sollen die mutmaßlichen | |
| Rechtsextremisten noch ein Bügelbrett von einem Sperrmüllhaufen geklaubt | |
| und auf die inzwischen aus ihrem Domizil gekommenen Grünen geschleudert | |
| haben. | |
| 21 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Reimar Paul | |
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