| # taz.de -- Ukraine-Politik unter Trump: Der scheinbare Zickzackkurs | |
| > Trumps Russlandkurs ist kontinuierlicher als es scheint: Der US-Präsident | |
| > will den Krieg beenden, um sich dem eigentlichen Feind zuzuwenden. | |
| Bild: Keine erneute Trump-Putin-Show vorerst wie im August dieses Jahres | |
| Um Donald Trumps Politikstil im internationalen Bereich zu beschreiben, hat | |
| sich längst das Adjektiv „erratisch“ eingebürgert. So scheint auch Trumps | |
| Wende in der Ukraine-Politik zu dieser Charakterisierung zu passen: Während | |
| der US-Präsident zuvor auf Kremlchef Wladimir Putin zuging, territoriale | |
| Veränderungen der Ukraine im Austausch für Frieden befürwortete und der | |
| NATO-Mitgliedschaft Kyjiws eine Absage erteilte, scheint er nun eine | |
| Kehrtwende hinzulegen. | |
| Er meint, „dass die Ukraine mit der Unterstützung der Europäischen Union in | |
| der Lage“ sei, die Gebiete zurückerobern, die Russland momentan besetzt | |
| hält. Ein geplantes Treffen mit Putin sagte er am Dienstagabend kurzerhand | |
| ab. Es sei „Zeitverschwendung“. | |
| Trump billigte zudem die Bereitstellung von umfassenderen | |
| US-Geheimdienstinformationen für Angriffe auf russische | |
| Energieeinrichtungen und stellte die Lieferung von | |
| Tomahawk-Marschflugkörpern in Aussicht. Erklärt wird der Zickzackkurs oft | |
| damit, dass Trump auf den jeweils letzten Rat höre, den er erhalten hat – | |
| und der stammt vom ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyj sowie von | |
| den europäischen Staats- und Regierungschefs. Implizit heißt das: Trump | |
| verhält sich wie ein Fähnchen im Wind und kann eigenständig nicht bis drei | |
| zählen. | |
| Doch mehrere Aspekte werden dabei außer Acht gelassen. Erstens besteht | |
| Trumps Absicht darin, seine politischen Gegner und Feinde im Ungewissen zu | |
| lassen, nach dem Prinzip: Alles ist möglich, weil er die Macht dazu hat. | |
| Zweitens gehört es zu seiner Strategie, fortlaufend die Weltaufmerksamkeit | |
| auf sich zu ziehen. Drittens steckt in Trumps Ukraine-Politik – und das ist | |
| hier der zentrale Punkt – durchaus eine gewisse Kontinuität, insbesondere | |
| hinsichtlich der Bedrohungsanalyse Russlands und der übergeordneten | |
| Strategie, die (militärischen) Ressourcen auf die Eindämmung Chinas zu | |
| konzentrieren. | |
| Im Gegensatz zu den meisten Europäern hält die Trump-Regierung Russland | |
| nicht für eine ernstzunehmende Bedrohung. Deutlich wurde das bei J. D. | |
| Vances Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025, wo der | |
| US-Vize-Präsident die Angst vor Russland schon fast ins Lächerliche zog, | |
| indem sie ihm kaum eine Erwähnung wert war. | |
| Deutlich wurde das auch, als Trump beim Besuch von Friedrich Merz im Oval | |
| Office im Juni 2025 den russisch-ukrainischen Krieg als einen „Streit | |
| zwischen zwei kleinen Kindern“ bezeichnete. Und bei Trumps jüngstem Post | |
| auf Truth Social degradierte Russland zum „Papiertiger“. | |
| Unter der Annahme, dass Russland keine „echte Militärmacht“ (Trump) sei, | |
| verfolgte Washington anfänglich die Strategie, auf die Großmachtsehnsüchte | |
| Putins und der russischen Elite ein Stück weit zuzugehen, um sich in | |
| Zukunft auf die wichtigere Herausforderung, nämlich China, fokussieren zu | |
| können. Wenn Trump etwas von Politik versteht, dann darauf, wie Menschen | |
| mit viel Macht und Ego ticken. | |
| ## Ausweg gesucht | |
| Trump hat Putin wortwörtlich in Alaska eine Bühne gegeben, um ihn zumindest | |
| als zweitrangige Großmacht anzuerkennen, auf dass in der Ukraine Ruhe | |
| einkehre. Offensichtlich darum bemüht, den verletzten Stolz Putins und der | |
| russischen Elite über den nach dem Kalten Krieg geschrumpften Status seines | |
| Landes zu lindern, wertete Trump in einem Interview mit Fox News nach dem | |
| Alaska-Treffen Russlands Rolle in der globalen Hierarchie auf: „Wir sind | |
| die Nummer 1, und sie sind die Nummer 2 in der Welt.“ | |
| „Ein entscheidender russischer Sieg“, so der (eher noch moderate) | |
| Chefredakteur des russischen Think-Tanks Russia in Global Affairs, „würde | |
| Moskaus Platz als Großmacht in einer multipolaren Welt festigen. Doch wenn | |
| Russland diesen Moment nicht nutzt – wenn es in die Falle eines neuen | |
| westlichen Engagements tappt –, riskiert es, seine strategischen Gewinne zu | |
| verlieren.“ | |
| Diese Ansicht vertritt offensichtlich auch Putin, weshalb er Trumps | |
| „großzügiges Angebot“ (Marco Rubio) abblitzen ließ und den Großmachtsta… | |
| und den damit assoziierten Einflussbereich im „nahen Ausland“ militärisch | |
| manifestieren will. | |
| Trump empfindet hingegen das in seinen Augen ignorante Verhalten Putins ihm | |
| gegenüber als Demütigung. Größenwahnsinnig wie Trump ist, wollte er | |
| schließlich den Krieg im Handumdrehen beenden und dadurch seine | |
| Weltmachtgeltung demonstrieren, nach dem Credo: „Peace through strength“, | |
| Friedensnobelpreis inklusive. | |
| ## Blick auf China | |
| Die Crux ist: Russland wird diesen Krieg nicht zu Bedingungen beenden, die | |
| seinen geopolitischen Interessen zuwiderlaufen. Und die Trumpisten betonten | |
| immer wieder, dass die USA ihr Geld nicht für die Unterstützung der Ukraine | |
| verschwenden sollen, während „die gefährlichere und größere Bedrohung von | |
| den Chinesen ausgeht“, wie der stellvertretende US-Verteidigungsminister | |
| Elbridge Colby es ausdrückt. | |
| In diesem Sinne ist der Anteil der militärischen Ukraine-Unterstützung | |
| unter der derzeitigen Trump-Administration „verschwunden“, bilanziert Laura | |
| Cooper, eine ehemalige Beamtin im Pentagon, gegenüber der New York Times. | |
| Stattdessen verkündete das US-Verteidigungsministerium im April, seine | |
| Truppen in Zukunft vorrangig für Einsätze gegen Chinas auszubilden und | |
| auszurüsten. Trump ist zwar bereit, an europäische Nato-Staaten Waffen zu | |
| liefern, die sie an Kyjiw weitergeben können, aber Europa muss zahlen. | |
| Ebenso dürfte der Druck Trumps auf Europa, sämtliche Öl- und Gasimporte aus | |
| Russland zu unterbinden, die Kassen in den USA füllen – die Alternative | |
| wären schließlich teure Energieträger aus den USA. Viel hat sich also durch | |
| die Wende in Trumps Ukraine-Politik bisher nicht geändert: Putin führt | |
| seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine weiter; Trump richtet den Fokus auf | |
| China und ringt um die globale Vormachtstellung, die er vor allem durch | |
| ökonomische Stärkung wahren will. | |
| 23 Oct 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Theinert | |
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