| # taz.de -- Die USA und Lateinamerika: Der Gewinner heißt China | |
| > Trumps Drohungen und Militärschläge gegen Drogenboote können nicht | |
| > verschleiern: Der Einfluss der USA in Lateinamerika schwindet. | |
| Bild: Argentiniens Präsident Javier Milei und der Abgeordnete Diego Santilli b… | |
| taz | Es war im Jahr 1823, als die USA Lateinamerika zu ihrem persönlichen | |
| Hinterhof erklärten. In einer Rede an die Nation führte der damalige | |
| US-Präsident James Monroe die nach ihm benannte Doktrin aus: Die USA würden | |
| künftig jede weitere Einmischung der europäischen Kolonialmächte in der | |
| westlichen Hemisphäre als Affront begreifen und selbst dagegen vorgehen. | |
| Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten amerikanischer Staaten – | |
| das wurde spätestens Ende des 19. Jahrhunderts klar – betrachteten die USA | |
| als ein Recht, das ihnen allein zustand. Besonders während des Kalten | |
| Krieges setzten die USA ihre Wirtschaftsinteressen in Lateinamerika mit | |
| Gewalt durch, sägten demokratisch gewählte Staatschefs ab und installierten | |
| an ihrer statt Militärjuntas und Diktatoren. | |
| An dieses Erbe will US-Präsident Donald Trump anscheinend anknüpfen. Trump | |
| hat bereits zu Beginn seiner Amtszeit gedroht, er hole sich [1][den | |
| Panama-Kanal] notfalls mit Gewalt zurück. Vergangene Woche sagte er, er | |
| habe der CIA erlaubt, Operationen in Venezuela durchzuführen. Und das | |
| US-Militär bombardiert seit einigen Wochen immer wieder [2][vermeintliche | |
| Boote von Drogenschmugglern] in internationalen Gewässern vor der Küste | |
| Südamerikas. | |
| ## Die Monroe-Doktrin 2.0 | |
| Das US-amerikanische Center for Strategic and International Studies spricht | |
| deshalb in einem Text von einer „Monroe-Doktrin 2.0“. Die Autoren meinen | |
| damit eine Politik, die gegenüber den lateinamerikanischen Staaten nicht | |
| mehr auf Soft Power, sondern auf militärische Gewalt und Drohungen setzt | |
| sowie auf wirtschaftlichen Zwang und Handelsdruck. | |
| Das ist zumindest die zornige Seite der Trump’schen Wirtschaftspolitik. So | |
| verhängten die USA Zölle in Höhe von 25 Prozent gegen Mexiko und Kolumbien. | |
| Brasilien belegte Trump gar mit Zöllen von 50 Prozent, womit er auf die | |
| Verurteilung eines seiner Verbündeten reagierte, des früheren Präsidenten | |
| Jair Bolsonaro, der nach seiner Wahlniederlage 2022 einen Putsch gegen | |
| seinen Nachfolger, Präsident Lula da Silva, plante. | |
| Auf der anderen Seite versucht der US-Präsident, seine ideologischen | |
| Verbündeten aufzupäppeln. In Argentinien beglückte Trumps Finanzministerium | |
| den rechtslibertären Javier Milei mit einem Währungstausch von 20 | |
| Milliarden US-Dollar (rund 17 Milliarden Euro) gegen 20 Milliarden Peso – | |
| quasi ein Kredit, um der schwächelnden Wirtschaft des Landes zu helfen. | |
| Mileis radikaler Sparkurs, inklusive harter Einschnitte in der Alters- und | |
| Krankenversorgung, hatte zwar die explodierende Inflation eingedämmt, | |
| gleichzeitig aber zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und | |
| Armut geführt. Bei den Kommunalwahlen vor einigen Wochen wurde seine von | |
| Partei deshalb an der Urne abgestraft. Ein ähnlich gutes Verhältnis pflegt | |
| Trump auch zu El Salvadors rechtem Staatschef Nayib Bukele, der im Gegenzug | |
| abgeschobene Migranten aus den USA in seinen Gefängnissen aufnimmt. | |
| ## China hat umfassende Wirtschaftsbeziehungen | |
| [3][So hilft Trump jenen Staatschefs], die ihm ideologisch gewogen sind, | |
| und giftet gegen solche, die sich seiner Politik widersetzen – der | |
| Journalist Simon Disdall bezeichnet das im Guardian als „großen Sprung nach | |
| hinten“ in der US-Lateinamerikapolitik. Aber reicht das, um hier wirklich | |
| eine neue Doktrin zu erkennen? | |
| In jedem Fall kann man die Trump’sche Politik gegenüber seinen südlichen | |
| Nachbarn nicht ohne eine langfristige Entwicklung verstehen: die seit den | |
| 1990ern stetig wachsende Rolle Chinas in der Region. Die | |
| lateinamerikanische Wirtschaft ist mittlerweile tief mit der chinesischen | |
| verflochten. Auch wurde China kürzlich als Beobachterstaat in die | |
| Andengemeinschaft aufgenommen, der Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru | |
| angehören, und ist darüber hinaus in acht weiteren regionalen | |
| Organisationen vertreten. | |
| Ferner hat China seine Wirtschaftsbeziehungen mit den Mercosur-Staaten | |
| intensiviert und bilaterale Handelsverträge mit mehreren Staaten | |
| abgeschlossen. Die chinesische Führung investiert eifrig und verteilt | |
| Kredite. Erst vor Kurzem eröffnete der chinesische Autohersteller BYD seine | |
| größte Fabrik außerhalb Chinas in Brasilien – das Projekt in der Nähe der | |
| Küstenstadt Salvador de Bahia soll insgesamt 20.000 Arbeitsplätze schaffen. | |
| Schon 2023 brachte eine parteiübergreifende Gruppe von US-Senatoren ein | |
| Gesetz auf den Weg, das den Einfluss Chinas in der Interamerikanischen | |
| Entwicklungsbank (IDB) einhegen soll. Einer der Treiber der Initiative war | |
| der damalige US-Senator Marco Rubio, der heute als US-Außenminister ein | |
| zentraler Architekt von Trumps Lateinamerikapolitik ist. Doch das Gesetz | |
| ist bis heute nicht in Kraft. | |
| ## Die USA sind nicht die einzige Supermacht, die in Südamerika | |
| intervenieren | |
| Beachtenswert ist auch ein aktueller Text zu Trumps Lateinamerikapolitik im | |
| Quincy Institute for Responsible Statecraft. Als | |
| konservativ-isolationistischer Thinktank steht das Institut | |
| US-Militärinterventionen kritisch gegenüber. In ihrer Analyse beschreiben | |
| die Autoren das Vordringen Chinas als strategisches Scheitern der USA. | |
| Viele lateinamerikanische Staaten würden China als verlässlicheren Partner | |
| sehen, während die USA auf sie „reaktiv, inkonsistent oder abwesend“ | |
| wirkten. | |
| Selbst die trumptreuen Präsidenten Milei und Bukele haben ihre | |
| antichinesische Rhetorik in den vergangenen Monaten eingedämmt und setzen | |
| sich hinter den Kulissen für eine Verbesserung der Beziehungen zu Peking | |
| ein. Daraufhin sollen Trumps Verhandler im Gegenzug zu der | |
| 20-Milliarden-Dollar-Hilfe verlangt haben, dass Argentinien seine | |
| Beziehungen zu China zurückfährt. | |
| So erscheint Trumps Brustgetrommel eher als erbärmlicher Versuch, die | |
| verlorene Macht rhetorisch und symbolisch zu projizieren. Wenn Trump | |
| gleichzeitig USAID-Hilfen streicht und regionalen Organisationen | |
| finanzielle Unterstützung entzieht, öffnet das umso mehr Türen für China. | |
| Das heißt nicht, dass man Trumps Kriegsdrohungen keinerlei Bedeutung | |
| zumessen sollte. Doch die Zeiten, in denen die USA als einzige Supermacht | |
| in Südamerika intervenieren, sind lange vorbei. So sehen wir gerade wohl | |
| auch keine Neuauflage der Monroe-Doktrin, sondern vielmehr ihr | |
| allmähliches, groteskes Ende. | |
| 21 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leon Holly | |
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